(explizit.net/ kath.de)In ihrer aktuellen Ausgabe fragt Die Zeit: „Darf man Fußball auch hassen?“. Zum Beginn der WM in Brasilien will die Wochenzeitung dazu einladen, sich mit Meinungen für und gegen das Fußballspektakel auseinanderzusetzen. Der Titel suggeriert, dass man sich in Deutschland dafür rechtfertigen müsse, dem Ballsport nicht positiv gegenüber zu stehen. Ein Eindruck, den man nicht unbedingt teilen kann, wenn man die Berichterstattung der letzten Wochen und Tage vor der Weltmeisterschaft betrachtet. In nahezu allen seriösen Reportagen und Berichten über die Situation in Brasilien wird die gesellschaftliche Ungerechtigkeit herausgestellt, die im WM-Land herrscht. Der Kontrast von aus dem Boden gestampften Fußballpalästen und den für mehr soziale Gerechtigkeit demonstrierenden Massen spricht für sich. Eine WM, die mit dem Geld der Privilegierten des Landes finanziert wird, trifft auf eine Realität, in der Menschen um das tägliche Brot kämpfen müssen.
Die Medien thematisieren diese Diskrepanz zu Recht. Es ist ihre Aufgabe, ihre Finger in die Wunden der Gesellschaft zu legen und umfassend zu informieren. Die brasilianischen Demonstranten nutzen die Medienwirkung um die ganze Welt, die wegen der WM auf ihr Land schaut, auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Und auch sie tun damit ganz Recht. Der Fußball bewegt die Massen und gibt der Klasse der sonst von der Öffentlichkeit vergessenen Empörten eine Bühne. Es wäre eine Dummheit, diese Situation nicht zu nutzen. Die Fußball-WM wird in einem Atemzug mit den sozialen Missständen genannt und bei aller Freude am Spiel bleibt so doch ein ungutes Gefühl zurück. Und dies nicht nur beim gerade begonnenen Fußballwettkampf in Brasilien, sondern auch bei der kommenden WM in Katar. Die Fifa scheint sich in einem beginnenden Korruptionsskandal zu befinden.
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Warum sollte man den Fußball, jedenfalls den professionellen, also überhaupt lieben, wenn er in einer Verbindung mit Ungerechtigkeit und Bestechung steht? Zudem, wenn man ihn nach der alten römischen Devise der panem et circenses als Betäubungsmittel für das Volk sieht, das sich nicht mehr um die realen Probleme sorgen muss, sondern diese beim Konsum des Ballspiels ausblenden kann?
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Jeder Sport und besonders der Fußball will Menschen zusammenbringen. Dieses Prinzip lässt sich von den antiken Olympischen Spielen bis zur heutigen Sportbranche beobachten. Trotz allem Streben nach Geld, Ruhm und 90-minütiger Realitätsflucht bleibt die Freude an der Bewegung, am Wettstreit und der zwischenmenschlichen Gemeinschaft eine grundlegende Bedingung des Fußballs. Der Fußball will zelebriert und gefeiert werden. Er will ein Höhepunkt im Leben der Menschen sein und sie zu Leistung anspornen. Nicht umsonst fasziniert Fußball die Menschen seit seiner Erfindung im 19. Jahrhundert.
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Um die positive Bedeutung, die der Sport fernab von seinen problematischen Anhängseln hat, zu verstehen, sollte man sich Papst Franziskus zum Vorbild nehmen. Dem argentinischen Pontifex wurde die Fußballbegeisterung in die Wiege gelegt und er wird als leidenschaftlicher Fußballfan nicht müde, die Hoffnungen auszudrücken, die er mit diesem Sport verbindet. In seiner Videobotschaft zum Start der WM am Donnerstag sprach er von Völkerverständigung und Solidarität: „Meine Hoffnung ist, dass diese Weltmeisterschaft nicht nur ein Sportereignis sei, sondern zu einem Fest der Solidarität unter den Völkern werde“. Der Sport sei nach Franziskus besonders dazu geeignet „Grenzen der Sprachen, Kulturen und Nationen“ sowie „Individualismus und Egoismus“zu überwinden. Eine päpstliche Bestätigung des Fußballs also, ohne romantisch zu werden.
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Um die Frage der Titelseite der oben erwähnten Wochenzeitung einmal umzuformulieren: Darf man Fußball auch lieben? Ihn lieben trotz der vielen Probleme und Ungereimtheiten, die mit ihm einhergehen? Ihn lieben wegen der Völkerverständigung und Freude an der Bewegung? Sicherlich darf man Fußball lieben. Jedoch nicht mit unkritischem Herzen, das angesichts sozialer Ungerechtigkeit und Hass verschlossen bleibt. Papst Franziskus kann hier als Vorbild dienen. Freuen wir uns auf ein schönes Fußballfest in Brasilien, ohne die Armen und Empörten dort und hier zu vergessen. Auch über die WM hinaus.
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<emphasize>Roland Müller, kath.de-Redaktion</emphasize>
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