(explizit.net / kath.de) Kath.de-Kommentar: Unruhen im US-amerikanischen Ferguson offenbaren grundsätzliche Probleme
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Feuer, Plünderungen, Schüsse – dieses Bild zeichnet sich in der US-Kleinstadt Ferguson, nachdem eine Geschworenenjury entschieden hat, dass der Polizist Darren Wilson wegen seiner tödlichen Schüsse auf den schwarzen Jugendlichen Michael Brown sich nicht vor Gericht verantworten muss. Der Fall muss gründlich aufgeklärt werden. Aber das reicht nicht, es muss mehr passieren. Denn es verwundert, dass es ein Erschossener in den USA auf die Titelseiten der Tageszeitungen in Deutschland schafft. Klargestellt sei hier nochmals, dass der gewaltsame Tod von Michael Brown erschütternd ist. Aber wieso entzündet sich eine ganze Nation an diesem Fall? Manche Menschen werden weltweit - ja sogar in den USA selbst - Opfer der Staatsgewalt. Weshalb entwickelt sich an diesem Fall, rund 50 Jahre nach der Bürgerrechtsbewegung, eine neue Diskussion über die Rassentrennung und die Chancengleichheit in den USA?
Mehr Polizei, weniger Schusswaffen
Der nächstliegendste Schritt zur Veränderung der Lage ist die Überprüfung des Polizeiapparates. Warum geht ein Großteil der Streifenpolizisten in den USA allein auf Streife? Hätte Darren Wilson einen Partner gehabt, wäre die Situation, die am 9. August 2014 zu den tödlichen Schüssen führte, vielleicht besser zu durchschauen, da es zumindest einen Zeugen gäbe.
Es stellt sich bei diesem Fall wieder erneut die Frage, warum Schusswaffen in vielen us-amerikanischen Bundesstaaten frei verkäuflich sind. Grundstücksbesitzer dürfen in vielen Bundesstaaten ihr Haus mit der Waffe verteidigen (Stand-your-ground-law) und den Notwehrgrundsatz auf diese Situation anwenden. Einer texanischen Studie zufolge hält sich der abschreckende Nutzen einer solchen Gesetzgebung in Grenzen. Bedauerlich ist vielmehr die Zunahme der Toten von etwa 500 bis 700 pro Jahr. Diese Gesetzgebung und den Einsatz von Schusswaffen durch Privatpersonen musste im April 2014 auch ein 17-jähriger Austauschschüler aus Hamburg mit dem Leben bezahlen, als er nachts im Bundesstaat Montana in eine Garage eindrang.
Unzählige Amokläufe und Schusswechsel machen ein Umdenken notwendig, das auch bis hin zur Veränderung der US-Verfassung reichen muss. Solche tragischen Fälle, wie der aktuelle Fall in Ferguson, werden sich erst vermeiden lassen, wenn das Gewaltmonopol zur Kontrolle von Schusswaffenbesitz allein in den Händen des Staates liegt. Solang dies sich nicht ändert, werden us-amerikanische Streifenpolizisten schneller zur Waffe greifen, da sie – zumal oft allein unterwegs – damit rechnen müssen, dass ihr Gegenüber eine Waffe zieht.
Mehr Bildung, weniger politischer Kampf
Statistiken belegen, dass heute noch immer mehr dunkelhäutige Menschen in den USA erschossen werden als hellhäutige. Diese Fakten erhitzen die Gemüter. Anstelle der Gewalt auf den Straßen und politischer Scharmützel zwischen Republikanern und Demokraten bräuchte es neue Initiativen, um bildungsfernen Milieus zu einer guten und soliden Ausbildung zu verhelfen. Nur so lässt sich das Abrutschen in kriminelle Abgründe verhindern. Es bringt wenig, wenn Präsident Obama nun den Aufenthalt von einigen illegalen Einwanderern für rechtens erklärt und dann keine weiteren Initiativen folgen lässt. Die Einwanderer werden so als politischer Spielball gegen die republikanischen Mehrheiten in Kongress und Senat missbraucht.
Obama sollte vielmehr seine Gesundheitsreform voranbringen und das Bildungssystem für sozial Schwache verbessern. Nur so werden auf Zukunft hin sozial schwache Schichten der Gesellschaft, in denen viele Hispanics, dunkel- aber auch hellhäutige zu finden sind, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Der Zusammenhang zwischen schlechter Bild und erhöhter Kriminalität ist nämlich nicht nur ein US-Phänomen oder gar rein rassistisch begründet, sondern weltweit zu beobachten. So wurde beispielsweise auch schon an einer Frankfurter Berufsschule mit Sprachförderung und 100 Prozent Migrationshintergrund eine scharfe Waffe in einem Schulranzen gefunden. Insofern braucht es auch hierzulande neue Anstrengungen.
Mehr Vergebung, weniger Nachtragen
Neben gesellschaftspolitischen Veränderungen braucht es aber auch eine Verinnerlichung der Bürgerrechtsbewegung. Es kann nicht sein, dass seit 50 Jahren äußerlich eine Trennung abgeschafft ist und innerlich die alten Vorurteile durch die Generationen weitergegeben werden. Aus einem Erinnern an alte Zeiten darf kein Nachtragen werden. Es braucht daher eine wirkliche Vergebung unter den verschiedenen Volksgruppen in den USA und zwar im christlichen Sinn des Wortes, wo in der Vergebung ein wirklicher Neuanfang steckt. So wie beispielsweise im katholischen Beichtverständnis der Mensch nach der Absolution wieder vollständig in die Freundschaft mit Gott eintritt, er ist dann ganz und gar Freund Gottes. Aus dieser Gewissheit kann man dann neu das Leben gestalten, oder wie es Papst Franziskus ausdrückt: „Der Beichtstuhl ist keine Folterkammer, sondern der Ort, an dem uns die Gnade des Herrn motiviert, besser zu werden.“ - mit Blick auf die aktuellen Ereignisse kann dieser Satz für die US-Gesellschaft umgewandelt heißen: Ferguson ist keine brennende Folterkammer, sondern der Ort, der die USA motiviert besser zu werden, damit ähnliches nie wieder passiert. Möge Gott diesen Prozess segnen, oder wie die Amerikaner zu sagen pflegen: God bless Amerika.
<emphasize>Sebastian Pilz</emphasize>
<emphasize>Redaktion kath.de</emphasize>
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