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Kairo nennt Muslimbruderschaft Terrorverein

Mittwoch hat Ägyptens Regierung die Muslimbruderschaft zum Terrorverein erklärt. Das Fass lief über, als am Vortage ein Bombenanschlag im Polizeihaus al-Mansuras 16 Tote und etwa hundert Verletzte forderte. Gerade am Heiligabend stürzte das Gebäude in jener Stadt im Nildelta durch die Wucht der Detonation ein. Kairo stellt Muslimbrüder und ihre Zweige als Drahtzieher dar. Damit schließt sich ein Kreis: die Regierung des Staates, wo 85 Jahre zuvor die Muslimbruderschaft als politische Moschee-plus-Machtbewegung im Zug der deutsch-osmanischen Jihadisierung des Islam im und nach dem Ersten Weltkrieg aufkam, will durch die Terroreinstufung diese Art des Mißbrauchs der Religion beenden. Hunderte Muslimbrüder wurden arretiert, deren Helfer die „Woche des Zorns“ ausriefen.

Mittwoch hat Ägyptens Regierung die Muslimbruderschaft zum Terrorverein erklärt. Das Fass lief über, als am Vortage ein Bombenanschlag im Polizeihaus al-Mansuras 16 Tote und etwa hundert Verletzte forderte. Gerade am Heiligabend stürzte das Gebäude in jener Stadt im Nildelta durch die Wucht der Detonation ein. Kairo stellt Muslimbrüder und ihre Zweige als Drahtzieher dar. Damit schließt sich ein Kreis: die Regierung des Staates, wo 85 Jahre zuvor die Muslimbruderschaft als politische Moschee-plus-Machtbewegung im Zug der deutsch-osmanischen Jihadisierung des Islam im und nach dem Ersten Weltkrieg aufkam, will durch die Terroreinstufung diese Art des Mißbrauchs der Religion beenden. Hunderte Muslimbrüder wurden arretiert, deren Helfer die „Woche des Zorns“ ausriefen.

Und nein, Kairo hat nicht alle Islamisten verboten. Einige von ihnen, so lokale Salafisten und ihre jungen Parteien, gehören zur herrschenden Allianz der Interimsregierung. Zwar stiegen Muslimbrüder, al-Ikhwan al-Muslimun, gegründet 1928 durch den Lehrer Hasan al-Banna in al-Ismailiyya am Sueskanal, zum Prototyp des jihadistischen Islamismus auf. Jedoch wirken Islamisten vielfältig. Alle suchen den Islamstaat der Scharia im globalen Kalifat. Doch gibt es unter ihnen auch Reformer, die Parlamente bejahen und die Gewalt ablehnen. Hingegen bilden Muslimbrüder, die meist am Nil wegen ihrer Gewalt verboten waren, den Kern einer Islamart, die viele ablehnen, zumal ihr Führer Mursi 2013 regierte.

Hintergründe

Medien Arabiens warnen, Muslimbrüder wollen sich wieder an die Macht bomben. Diese Abwärtsspirale der Gewalt und Erpressung möge nicht ausarten wie in Tunesien (Führer der Antiislamisten Shukri Bilaid und Muhammad al-Brahmi ermordet), Syrien (Sekten plus Bürgerkrieg), Sudan (Genozid an Nichtmuslimen), Libanon (Zerfall nach Glauben), Irak (Schiiten versus Sunniten im Ringen mit Iran) oder Jemen (Nord-Südzwiste samt al-Qaida in Arabien). Was meinen sie mit Erpressung? Fundamentalisten als Muslimbrüder haben Dissidenten nicht nur Apostaten, Häretiker oder Ketzer genannt. Sondern sie haben sie mithin durch Tod bedroht, der zwangsläufig auf solcherlei „Abfall vom Islam“ steht.

Iraner aus der Opposition warnten Ägypter 2012 zum islamistischen Verfassungsentwurf: Irans Unglück wäre, daß das Grundgesetz den Vorrang einer engstirnigen Islamauslegung als einzige Art verankerte, die heiligen Texte des Islam auszudeuten. Durch diese falsche Auslegung werde dann jede Opposition als eine solche "gegen den Islam" brutal verfolgt. Dies folge aus einem System, das Religion in der Politik privilegiere. Indes korrumpiere die Achse nur beide Seiten. Das erhellt jene Erpressung, Kritiker als „Ketzer“ anzusehen.

Damit machten Liberalmuslime Schluß. Zum einen enthält Ahmad at-Tayyibs al-Azhar-Dokument vom 20. Juni 2011 einen Punkt zur Ethik der Debatte: Anwürfe der Apostasie und des Verrats seien zu meiden. Die Religion dürfe nicht benutzt werden, um Bürger zu spalten und aufzuhetzen. Rassistische Tendenzen seien ein Verbrechen. Der respektvolle Dialog unter Gleichen wäre zu achten. Die Sätze notierte der Großscheich der al-Azhar-Universität zur bitteren Lehre mit den Muslimbrüdern, diesem 13. modernen Verein eines offen jihadistischen Politislams nach der Bildung der Sanusibruderschaft 1837 in Mekka. Früh erkannte Berlin die Sprengkraft solcher Vereine und alliierte sie in den Weltkriegen.

Kreisläufe

Am Nil ist die Opferliste seit 1928 lang. In bekannten Fällen reicht sie von Premiers und Richtern über Minister und Präsidenten bis zu Kritikern und Touristen, von den 1930er/ 1940er Jahren als Muslimbrüder für Rom und Berlin wirkten; sowie durch Mord/Attentat an Mahmud F. Nuqrashi Pascha 1948, Abd an-Nasir 1954, Anwar as-Sadat 1981, Farrag Fauda 1992, Najib Mahfuz 1994, 62 Touristen in Luxor 1997, und anderenorts bis 2001. Dahinter standen Zweige der Muslimbrüder wie al-Jihad al-Islami, al-Jamaa al-Islamiyya oder die Hamas im Ghazastreifen. Angeblich reicht das Netzwerk in 70 Staaten. Vereine mit vielen Namen waren eine Taktik, behaupten zu können, dort nicht verbandelt zu sein.

Es gab so viele weniger namhafte Fälle, Andersdenkende zu erpressen. Indessen sind die Medien und Literatur von einst voll davon. Jeder mag in Texten des Novellisten Najib Mahfuz lesen, wie es im „Jungen Kairo“ der liberalen Ära 1922 bis 1952 begann. Vier Wege standen Leuten offen: demokratisch (nahe an Briten, „Kolonialherren und Juden“), islamistisch (weiter laut Muslimbrüder: antisystemisch gegen „unislamische Regimes“), sozialistisch (gottlose Linke wie Sowjets), nihilistisch (Eigenvorteil, Rest sei „Quatsch“). Darauf bauten Extreme in Rom und Berlin sowie in Moskau. Manche Araber sahen 1948 Israel mit Kibbutzim noch als linke Idee an. Links verflog, der Staat überlebt und erblüht.

Dabei kam die Ära des Arabischen Sozialismus 1952 bis 1967, mit Nachwehen bis 2011: Kollektivismus, der totalitär Stränge im Faschismus, Nazismus und Bolschewismus nutzt. Die Präsidenten Abd an-Nasir, Anwar as-Sadat und Husni Mubarak wandten sich gegen Links- und Islamradikale, also Kommunisten und Islamisten. Indes sich Linke auflösten, Sozialismus am Nil sahen, flohen Muslimbrüder 1954 nach Europa. Sie hegten in Genf, Hamburg, München und Brüssel ihren Islamismus, dessen Feindbilder weiter Juden und Demokratien wie Israel untergräbt. Erst die Lotusrevolte sollte das 2011 beenden, an die liberale Vorzeit anknüpfen. Ihr arebitete as-Sadat zu, da er sich erstmals der Demokratie, Israel und dem Weltmarkt zuwandte. Aber die Lotusrevolte hijackten Muslimbrüder. Die hielten sich nur ein Jahr bis zur Coupvolte, der Notbremse durch Zivilisten und Militärs. Ein Gericht verbot die Muslimbruderschaft am 23. September, die nun auf dem Index ist.

Stets gab es personelle Terrorspuren. So scherte sich Präsident Muhammad Mursi nicht um 62 Tote im Massaker von Luxor. Er hatte Mitte 2013 die Stirn, Adil Asad al-Khayat aus der al-Jamaa al-Islamiyya zum Provinzgouverneur zu ernennen. Der galt mit in den Touristenmord verwickelt. Die Europäische Union hat den Verein auf dem Terrorindex, zumal mit ihm Umar Abd ar-Rahman – der Anschlag 1993 auf das Welthandelszentrum - und al-Qaidachef Aiman az-Zawahri durch den Verein al-Jihad al-Islami verknüpft sind.

In Amerika begann am 9. März 2012 eine Bürgerinitiative, die Muslimbruderschaft auf den Terrorindex zu setzen. In Köln warnte der Bundesverfassungsschutz, die seit 2011 stärkeren Aktivitäten der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands und der Machtzuwachs der Muslimbruderschaft samt Regierungsbeteiligungen erhöhten deren Motivation und Engagement in Europa und Deutschland. Daheim wirken rund 43.000 Islamisten, dabei 1.300 Muslimbrüder, so jener Bericht. Sie wollen Islamismus in Demokratien ausbreiten. Zugleich muß man Kairo bei deren Verfolgung am Nil zu Recht, gegen Willkür anhalten. Sonst werden Menschenrechte mit Füßen getreten, die Verfolger fraglicher als Verfolgte.

<emphasize>Wolfgang. G. Schwanitz</emphasize>

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