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jeder braucht seine, jede braucht ihre theologie

Es gibt die Offizielle THEOLOGIE und dann die eigene Sicht von Gott und der Welt, die sich jeder bauen muss. Mit dieser nämlich steuern sich die Einzelnen durchs Leben. Eine eigene braucht jeder deshalb, weil Gott so viel größer ist, so dass Theologie als menschliche Vorstellung von Gott immer Stückwerk bleibt. Es gibt so viel Zugänge zu Gott, wie es Menschen gibt.

Es gibt nicht die eine katholische Theologie

Wenn ein Katholik eine neue Theologie verlangt, riecht das nach Häresie. Aber es entstehen jeden Tag neue Weltsichten. Zudem gibt es nicht die eine katholische Theologie, schon nicht in der Bibel. Neben Paulus gibt es nicht nur 4 verschiedene Darstellungen der Biographie Jesu, die Evangelien, sondern neben dem Verfasser des Jakobusbriefes und dem des Hebräerbriefes das Johannesevangelium mit 3 Briefen und das Buch mit den Endzeitvisionen. In jeder Generation gibt es dann Theologen und demnächst, so wie Hildegard v. Bingen, Theologinnen, die zum Großteil der theologischen Themen etwas geschrieben haben. Das ist nicht nur inhaltlich verschieden, sondern auch in der Darstellung und der "Schreibe". Zudem hat die Katholische Kirche viele spirituelle Schulen unter ihrem Dach, so verschieden wie die des Benedikt von Nursia, Franz v. Assisi und Ignatius v. Loyola. Diese und die Theologen der ersten Jahrhunderte sind uns deshalb erhalten, weil sie abgeschrieben und später gedruckt wurden. Es sind inzwischen so Viele, dass es wohl niemand schafft, alle zu lesen. Was denen, die schriftlich verbreitet wurden, Recht ist, ist nicht nur jedem und jeder billig, die Theologie studieren, sondern allen Glaubenden. Warum braucht aber jeder Glaubende eine eigene Theologie:

Christen brauchen ständig neue Bücher

Im Vergleich mit dem Islam wird deutlich: Es ist nicht abschließend alles gesagt. Während es über den Koran hinaus eigentlich kein Buch zu geben braucht und philosophisches Denken für den Islam ausgeschlossen bleibt, lebt das Christentum von immer neuen Büchern und das Judentum von 70 Auslegungen, die zu jeder Bibelstelle gefunden werden sollen. Es wird schon daran deutlich, dass Forschung und Wissenschaft da entstehen konnten, wo studiert wurde, nicht um bloß auswendig zu lernen, sondern um sich neue Erkenntnisse zu erschließen. Man findet sich in einer riesigen Welt voll guter Gedanken wieder. Ich komme in meiner Lebenszeit nie an ein Ende, die Weltsicht anderer kennenzulernen. Auch wenn Radio und Fernsehen jeden Tag senden, schöpfen sie nicht die Vorstellungen, die Erfahrungen und die Hoffnungen der Menschen aus.

Die Bibliothek als Schnittpunkt

Das gilt für die jetzige Epoche besonders, die wie in einer Bibliothek viele Weltsichten nebeneinander stellt. Der Kommunismus war vielleicht der letzte große Versuch, alle Untertanen auf eine Weltsicht festzulegen. Die daraus folgende Sterlisation hat zu seiner Implosion geführt. ist er Meist wird nur wirtschaftliche Überlegenheit gesucht, aber nicht die eine, für alle gültige Weltsicht, wie sie der Kommunismus durchsetzen wollte. Für eine Religion wäre eine solche Fixierung tödlich. Zwar baut jede Religion einen Hauptweg zum Ganzen der Welt, jedoch finden die Spiritualitäten, ob im Buddhismus, im Judentum, in jeder christlichen Kirche und auch im mystischen Islam immer neue Wege. Hier zeigt sich das Gleiche wie bei einer Bergebesteigung: Jeder und Jede haben einen anderen Film im Kopf, wenn sie oben angekommen sind. Theologisch heißt das, dass Gott jedem Menschen nicht nur eine eigene Biographie schenkt, sondern auch eine für ihn ausgearbeitete Wegekarte. Diese zeigt ihr jeweiliges Profil in der Antwort auf die Frage:

  •    Auf was stütze ich mich, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffe
  •    Was hilft mir, mich zu entscheiden

Hilft dazu die aktuelle Theologie?

Warum die eine THEOLOGIE nicht mehr überzeugt

Der Katholizismus hat es erreicht, unter einem Dach verschiedene Ausformungen des Christseins zu halten. Es ist nicht die eine Theologie, sondern die eine Taufe, die eine Eucharistie und die anderen fünf Sakramente, die Zusammenhalt stiften. Wenn diese rituellen Gemeinsamkeiten gepflegt werden, reicht das gemeinsame Glaubensbekenntnis, in dessen Rahmen jeder seine Sicht von Gott und der menschlichen Geschichte ausformen kann. Wenn es jedoch für den gemeinsamen Rahmen nur eine Auslegung gibt, dann finden bereits die Studierenden der Theologie wenig Anregung, eine tragfähige Weltsicht zu entwickeln. Sie fahren dann nicht mit einem eigenen Boot oder auf einem kleinen Schiff den Lebensstrom hinab, sondern drängeln sich auf einem Dampfer, wo ständig aus dem Lautsprecher eine Stimme schallt, so dass man mit den Mitreisenden nicht ins Gespräch kommt. Das war bis in die siebziger Jahre anders. Da gehörten viele Katholiken einem Verband an. Das war vergleichbar einer Flotte mittelgroßer Schiffe. Auf denen gab es nicht nur die eine Stimme aus dem Lautsprecher, sondern am Ende der Etappe war jeder, war jede mit den anderen auf dem Schiff vertraut  geworden. Heute gibt es meist nur den großen Dampfer mit immer weniger Passagieren. Die meisten fahren in ihrem Kajak einen eigenen Kurs.
Hier könnte der Grund für das fehlende Profil der theologischen Werkstätten zu suchen sein. Wenn das Sakramentale nicht mehr trägt, dann muss die Theologie einheitlich und dann auch eintönig werden. Dann hört man zu Ostern die gleiche Predigt wo immer man mitfeiert. Das in einer Kultur, die jedem täglich empfiehlt, seine Individualität auszubilden. Wenn einem dann noch der gleiche Sprachstil entgegenkommt, reagieren die Menschen wie auf die Werbebotschaften oder die Reden der Politiker. Sie erkennen in den ersten Zehntelsekunden den Ton und schalten ab.

Theologie drängt in die Vielfalt

Für eine vielfältige Theologie sprechen nicht nur die Traditionen, sondern auch verschiedene Erfahrungen. Kunst gibt es nur in der Vielheit. Wie der aufgezwungene sowjetische Realismus von uns so wenig als Kunst wahrgenommen wird wie die kapitalistische Werbung, so braucht Bildung Variabilität. Eine staatliche Einheitsschule sorgt zwar für Chancengleichheit, aber nur dann für Effektivität, wenn Lehrer und Lehrerinnen die einzelnen Schüler im Blick behalten. Das werden sie aber nur dann tun, wenn sie durch den Lehrplan nicht zu sehr festgelegt werden. Die Wirtschaftsordnung bestimmt in ähnlicher Weise über den Erfolg. Wenn die ganze DDR nur einen Einbauschrank produziert hat, dann konnte auch nur ein Modell der Plattenbauten errichtet werden. Das System spielte sich dann selber aus, als die Einbauschränke in etwas größerer Höhe gefertigt wurden als die Zimmer ausgelegt waren. Solche Absurditäten sind in der durch Verwaltung geprägten deutschen Kirche oft zu beobachten. Blickt man auf die Fakultäten für Katholische Theologie in Deutschland, dann kommt einem kein vielfältiges Angebot entgegen. Man scheint überall das Gleiche zu hören, in einer Postmoderne, in der es so viele Sichten auf die Welt gibt, dass sich junge Menschen nur schwer für eine Philosophie entscheiden können, um auf dieser ihr Leben tragfähig aufzubauen.

Jede Biographie ist einmalig

Eine persönliche Theologie gehört auch deshalb in das Gepäck jedes Einzelnen, weil jeder, weil jede ein eigenes, unverwechselbares Leben führt und für die Widerfahrnisse auf dem Weg eine Antwort braucht. Das braucht auch jede Epoche, es gibt jeweils eine Philosophie, in die die theologische Perspektive eingelesen werden muss. Sonst finden Studierende für sich keinen Einstieg, es sei denn, sie seien historisch interessiert. Auch finden diejenigen, die die heutige Gesellschaft gestalten wollen, bei den früheren Theologien nur einiges. Selbst wenn dieses passt, muss es in die jetzige Lebenswelt eingefügt, d.h. zumindest digital verbunden werden. Wie die Medizin auf Burnout und Corona eine Antwort finden muss, so die Theologie für das Lebensrecht von Pflanzen und Tieren, die Gestaltung einer Beziehung, die Vermittlung einer umfassenden Erklärung der Wirklichkeit über Physik und Biologie hinaus. Eine große Herausforderung stellt sich der Buchreligion durch ChatGTP und andere Textgeneratoren. Neben der Ägyptologie dürfte die Theologie sich auf die ältesten Schriftdokumente stützen. Sie selbst hat mit einer Neuerung begonnen, indem die als Kodex gebundene Bibel die Buchrolle der Synagoge ablöste. Was passiert mit diesen und anderen Texten, wenn man sie nicht nur online stellt, sondern bei ChatGPT abruft? Eine Wissenschaft, die über Jahrhunderte Texte hervorgebracht hat und sich mit diesen immer noch beschäftigt, sollte sich da einmischen. Entscheidender noch ist die Auseinandersetzung mit dem Bösen, konkret mit den immer neuen Kriegsschauplätzen. Was gibt den Menschen das Vertrauen, dass das Gute doch dem Bösen standhalten kann. Das ist die Frage, die überhaupt Religion geweckt hat. Das Böse zielt für jeden von uns auf das Ganze. Ist der Kosmos letztlich in guten Händen und ist die Menschenwelt so gebaut, dass sich das Gute und damit Nachhaltigkeit durchsetzt? Die Frage wäre noch völlig offen, wenn ihre Lösung allein vom Menschen als Endpunkt der Evolution abhängt. Oder gibt es einen Mitspieler, der dem Menschen so überlegen ist, dass er die Geschichte auch gegen das Böse zu einem guten Ende lenken kann? Und wenn er es kann, wird er es auch tun? Darauf muss nicht nur die THEOLOGIE eine Antwort geben, sondern jeder braucht eine Lösung, die er selbst sich angeeignet und in den Rucksack legen kann, in dem das für ihn, für sie zum Überleben Wichtige gepackt ist. Die Ausgangsfrage stellt sich dann so: Auf was kann ich mich verlassen, auf was kann ich vertrauen, wenn ich wichtige Entscheidungen treffe. Die Antwort ist die persönlich "theologie".

Warum die katholische Kirche in der Postmoderne auch deshalb viele "theologien" braucht, wird an dem unaufhaltsamen Zerfall der Soazialstruktur "Pfarrei" deutich: Zerfall der katholischen Kirche in D: und neue Synthese?


Kategorie: Entdecken

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