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Interreligiöser Dialog – für den Frieden

Die Luft riecht vergiftet. Die Waffen sprechen. Bomben schlagen Krater in die wackeligen Brücken des Friedens. Was wir gerade im Nahen Osten erleben, ist ein wiederkehrendes Bild, das zeigt, was passiert, wenn Worte versagen.

Wir können uns hier zusammensetzen, auch digital, um Worte zu finden. Dabei muss gerade der Interreligiöse Dialog einer der wichtigsten Standpfeiler aus Sicht der Religionen im 21. Jahrhundert sein. So sehr wir in unserer eigenen religiösen Traditionen verwurzelt sind, müssen wir in einer pluralistischen Welt erkennen, dass wir nur im Miteinander vorankommen und glaubhaft bleiben können. Denn wir wollen einander nicht nur über die Schulter blicken und beobachten, wir sollten mit der religiösen Vielfalt in der Gemeinschaft auch etwas bewirken.

Zum interreligiösen Dialog treffen sich Gemeinden, es gründen sich Dialog-Organisationen, Institutionen verbinden sich. Immer stehen dahinter Persönlichkeiten. Jede:r bringt seine:ihre Geschichte und Gedanken, seinen:ihren Glauben und Fähigkeiten an den gemeinsamen Tisch.Beim „Multireligiösen Gebet mit interreligiösen Tendenzen“, wollen wir nicht nur religiöse Praxis nebeneinander praktizieren, sondern in das Gespräch zwischen uns eintauchen und dieses dann in unsere spirituelle Praxis mitnehmen.Für ein solches Gebet braucht es vor allem Zeit. Wir treffen uns 2-3 Mal im Voraus für 1-2 Stunden. Wir wollen es nicht einfach, wie oft bei einem „multireligiösen Gebet“, beim spirituellen Nebeneinander belassen, sondern gemeinsam in unserer Unterschiedlichkeit etwas erarbeiten, das uns verbindet.

Vorbereitung des größeren Treffens

Wir treffen uns das erste Mal. Alles natürlich online: Wir blicken in fremde Gesichter und doch sind wir alle aus dem gleichen Grund hier, der uns verbindet. Wir wollen zeigen, dass wir einander nicht nur respektieren, sondern daran glauben, dass wir gemeinsam etwas bewirken können. Dass hinter den Religionen Individuen stehen, die so kommen, wie sie sind. Jede:r wird etwas einbringen können, um eine Gesamtkomposition zu schaffen.

Wir lernen uns besser kennen, lockern uns auf, erzählen voneinander, brechen das Eis. Wir überlegen gemeinsam, welches Thema uns als Gruppe gerade wichtig ist, was uns beschäftigt und wohin wir damit gehen werden. Als religiöse Individuen betrachten wir das Thema vielleicht aus verschiedenen Perspektiven, können neue Blickwinkel erkunden, unseren Horizont erweitern.

Nachdem wir das Thema gewählt haben, gehen wir in die Woche und überlegen nun, welcher Text aus unseren heiligen Schriften dazu passt.

Austausch von Texten aus den heiligen Schriften

Beim zweiten Treffen veranstalten wir ein Scriptural Reasoning. Zusammen lesen wir die Verse aus den heiligen Texten der teilnehmenden Religionen. Die Vertreter:innen, die sich die Texte ausgesucht haben, lesen ihren Text vor und ordnen diesen kurz in den Kontext ihrer Schrift ein und erklären, warum sie sich diesen Text ausgesucht haben. Wir lesen die Verse zweimal.

Wir haben Zeit, uns über das Gehörte Gedanken zu machen. Die Texte sind verschieden und setzen unterschiedliche Schwerpunkte, sie haben unterschiedliche Nuancen und Ausrichtungen. Und doch fühlen wir uns zu dem Text einer anderen Religion hingezogen. Dann kommt manchmal die Idee: Vielleicht hätten wir zu diesem Thema einen ganz anderen Text aus unserer Schrift gewählt? Wir bewegen uns zwischen unseren verschiedenen Meinungen hin und her. Fragen werden beantwortet, dem persönlichen Empfinden wird Raum gegeben. Niemand muss Expert:in sein. Wir dürfen unsere Gedanken vertrauensvoll einbringen. Das Gespräch wird aufgezeichnet. Menschen haben mit Menschen gesprochen, über religiöse Texte, die persönlichen Verstehenshorizonte und religiösen Traditionen.

Wir haben gelernt, einander besser zu verstehen und uns Schritt um Schritt aufeinander zu bewegt. Wir haben erkannt, was den einzelnen wichtig ist, was uns bewegt, was uns trägt und worin wir Schutz suchen in den heiligen Worten.

Das Treffen

Aus dem Gespräch über die religiösen Schriften wird nun ein Text formuliert. Ein „Dialog Impuls“, der bei der Feier des gemeinsamen Gebetes in verteilten Rollen vorgetragen werden wird. Er wird die Mitte des Abends darstellen. Der Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit. Der Kern der Gemeinschaft.
Wir haben noch viel Zeit, zusammen an dem Text zu feilen. Wir dürfen einfügen, was noch fehlt, umformulieren, und immer wieder lesen und verstehen, bis er für alle passt.
Bei unserem dritten Treffen, wird um den „Dialog Impuls“ ein Multireligiöses Gebet gestaltet. Jede Religion hat ihren eigenen Moment. Für ein Gebet, einen Segen, eine Rezitation, Meditation oder andere Form der Repräsentation. Wir sind frei in unserer Gestaltung. Wir besprechen unsere Ideen und gehen sicher, dass alle einverstanden sind. Wir stimmen ab, wie wir uns am Gebetsabend präsentieren wollen: In religiöser Kleidung oder ohne? Mit einheitlichem Hintergrund oder verschieden? Mit weltlicher Musik oder religiöser?

Die aktuelle Situation im Nahen Osten, aber auch in allen anderen Brandherden dieser Welt, zeigt,

  • wie wichtig es ist, dass wir miteinander reden.
  • miteinander, nicht übereinander.
  • dass wir zusammenstehen, nicht nur nebeneinander
  • dass wir einander kennen, um keine Angst voreinander haben zu müssen;
  • dass besonders die Religionen richtungsweisend vorangehen und zeigen, dass es möglich ist, in Frieden zu leben.

Weil wir alle Menschen sind. Mit ähnlichen Bedürfnissen, Wünschen und Hoffnungen.
Weil wir alle leben wollen, nicht nur überleben und deshalb Barmherzigkeit üben müssen. Denn eines Tages sind wir in der Position der Schwachen... und wer hilft uns dann auf, wenn nicht unsere Schwester, der wir zuvor aufgeholfen haben?
Der interreligiöse Dialog muss im Frieden lernen, wie er in der Notsituation zu handeln hat. Im Krieg müssen wir uns darauf besinnen, was uns im Frieden zusammengehalten hat.

Im Gespräch bleiben. Die Worte finden, die uns Halt schenken. Mit Gott wie mit unseren Mitmenschen: Das ist ein Gebet.

Alexandra Morath

Links:
Scriptural Reasoning

Interreligiöser Dialog
Instagram: @DialogverNETZt


Kategorie: Religion Monatsthema

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