Hamas und islamischer Faschismus

(explizit.net) Freitagmorgen brachen Islamisten nach anderthalb Stunden Ghazas sechste Waffenruhe, tauchten im Suizidakt aus Tunneln bei Rafah auf und töteten drei israelische Soldaten, darunter Leutnant Hadar Goldin. Beobachter sahen, warum Terrornetze zerstört werden. Von 32 Tunneln endeten elf in Israel. Noch am selben 1. August zweifelte Präsident Obama an der siebten Waffenruhe, zumal Hamas ihre Kräfte nicht im Zaum halten könne und gleich die vorherige Pause brach. Bis Sonntag, dem 27. Tag, schlugen in Israel 3.127 Raketen seit 8. Juli ein, das um 550 abwehrte. Allein Sonntag trafen 80 Raketen ein, auch in Tel Aviv. Hamas soll noch 4.000 davon haben. Israel zielte bis dahin ebenso auf fünf Moscheen Ghazas mit Waffenlagern ab. Premier Netanjahu sagte einen Rückzug an, aber bis zum Ende der Mission zu kämpfen. Terror kenne keine Grenzen, meinte er, heute sei es Israel, morgen treffe es andere Länder. Ghazas Demilitarisierung und Wiederaufbau werde in Regionalallianzen gesichert. Indes erörterten Vertreter von Hamas und al-Jihad al-Islami eine Waffenruhe in Kario. Israel beklagt nunmehr 64 Tote, Ghaza etwa 1.800.

(explizit.net) Freitagmorgen brachen Islamisten nach anderthalb Stunden Ghazas sechste Waffenruhe, tauchten im Suizidakt aus Tunneln bei Rafah auf und töteten drei israelische Soldaten, darunter Leutnant Hadar Goldin. Beobachter sahen, warum Terrornetze zerstört werden. Von 32 Tunneln endeten elf in Israel. Noch am selben 1. August zweifelte Präsident Obama an der siebten Waffenruhe, zumal Hamas ihre Kräfte nicht im Zaum halten könne und gleich die vorherige Pause brach. Bis Sonntag, dem 27. Tag, schlugen in Israel 3.127 Raketen seit 8. Juli ein, das um 550 abwehrte. Allein Sonntag trafen 80 Raketen ein, auch in Tel Aviv. Hamas soll noch 4.000 davon haben. Israel zielte bis dahin ebenso auf fünf Moscheen Ghazas mit Waffenlagern ab. Premier Netanjahu sagte einen Rückzug an, aber bis zum Ende der Mission zu kämpfen. Terror kenne keine Grenzen, meinte er, heute sei es Israel, morgen treffe es andere Länder. Ghazas Demilitarisierung und Wiederaufbau werde in Regionalallianzen gesichert. Indes erörterten Vertreter von Hamas und al-Jihad al-Islami eine Waffenruhe in Kario. Israel beklagt nunmehr 64 Tote, Ghaza etwa 1.800.

<emphasize>Das Bild zeigt die Grenze Israel-Ägypten bei Rafah (Foto: W.G. Schwanitz)</emphasize>

Totalitäres

Außenminister Kerry bat Duha und Ankara, die Hamas zu zügeln. Einige erinnerten sich, wie Premier Recep Tayyip Erdoğan Israel am 18. Juli einen „systematischen Genozid“ an Palästinensern vorwarf und die Parlamentarierin Ayelet Shaked mit Adolf Hitler verglich. Minister Yisrael Katz hielt darauf Erdoğan Genozid an 1,5 Millionen Armeniern 1915 vor, der im April erstmals den Enkeln dieser Ermordeten Beileid bekundet hatte. Weithin folgten antijüdische und antiisrealische Kundgebungen. In Paris sprach Premier Manuel Valls vom „neuen, normalisierten Antisemitismus“. In Sozialmedien tauchte das Etikett „#hitlerhatterecht“ auf. In Italien mehrten sich Wandparolen wie „Zündet Synagogen an“ und „Juden, Euer Ende naht“. Diese "Eruption von Judenhass schockiert uns", erklärte Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und ob die (über 100.000 Juden) noch dort bleiben können. Auch Islamverbände sollten mehr dagegen tun, dass Anitisemitismus offen auf der Straße ausgetragen werde. Das gab es bisher nicht.

Die Geschichte lebt, wo leichter die Infrastruktur der Tunnel beseitigt werden kann als alte Muster des Denkens, die jeweils nach den Weltkriegen geronnen sind. Viele wollten den Großen Krieg verarbeiten. Politisch rechts schuf Benito Mussolini dann ein antilinkes Nationalprojekt. Dieser „Führer des Faschsimus“, Duce del Fascismo, gründete dafür im Frühjahr 1919 seine Kampfbünde, die „fasci di combattimento“. Zwar nahm sich Hitler „den Duce“ zum Vorbild, nannte sich jedoch kaum Faschist, sondern Nationalsozialist, kurzum Nazi (so wie Sozi für Sozialdemokraten oder Sozialisten). Josef Stalins Vorgaben folgend, redeten deutsche Kommunisten von Hitlers „Faschismus“, um dessen Nähe zum Sozialismus zu bemänteln. Vor dessen Machtantritt nannten sie Sozialdemokraten sogar Sozialfaschisten. Umgekehrt sahen diese in Kommunisten nur „rot lackierte Faschisten“.Dritte betonten Ähnlichkeiten totalitärer Regimes rechts und links. Jetzt erklärt Hamed Abdel-Samad in seinem jüngsten Buch „islamischen Faschismus“. Macht das noch Sinn?

Die neue Migration in der Globalära erlaubte dem in Kairo 1972 Geborenen, Ägypten zu verlassen. Im seinem Buch von 2009, „Mein Abschied vom Himmel“, zeigte er, der am Nil mal für Muslimbrüder, mal für Marxisten agitierte, massiv Fehlurteile. Die Vorfahren der Deutschen hätten das Wirtschaftswunder, aber auch den Holocaust organisiert. Da man ihm antrug, das Todeslager Dachau zu besuchen, meinte er: Nur Deutsche müssten sich an das Leiden der Juden erinnern, weil sie es verschuldet hätten. Was habe er damit zu tun? Seine Familie hätte Juden nicht als Opfer, sondern Täter in Nahostkriegen erlebt. Indes Deutsche nie angemessen für ihre Verbrechen bestraft wurden, hätten Palästinenser und Araber ihnen die Strafe abgenommen. Warum erhielten die Juden nicht Bayern als ihr Staatsgebiet? Araber hätten mit dem Holocaust nichts zu tun. Sie wären Opfer der Opfer. Mehr noch: Araber können keine Antisemiten sein, weil sie selber Semiten wären.

Abdel-Samad ging nach Dachau. Kein Araber könne die Mentalität der Juden verstehen, ohne den Ort des Grauens besucht zu haben. Nein, dies habe sein Leben nicht verändert. Doch begann ein Denkprozess über Gewalt und Gegengewalt. Herauskam sein Buch mit der These vom islamischen Faschismus. Es sei daran erinnert, was der bulgarische Chef der Kommunistischen Internationale Georgi Dimitrow 1935 betonte: Faschismus an der Macht [wie in Rom und Berlin] sei die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals. Von links galten Hitlers Nazis damit als eine Art der Faschisten Mussolinis. Als Deutsche im Krieg Italien besetzten, sah man dies in Rom als „Nazifaschismus“ an, womit deutlich wurde, dass weder Rom noch Berlin voll das Gewand zweier verwandter Seiten nutzen wollten.

Mein Punkt: Der Begriff islamischer Faschismus ist untauglich für Islamländer. Er wirft zu viel Eigenes in einen Topf und sinkt auf das Niveau von Verbalinjurien herab. So wie Krudes aus dem Kalten Krieg: alle in Bonn seien Neonazis, Israel sei Faschismus unterm Davidstern, Berlins Mauer hieß antifaschistischer Schutzwall und Präsident Abd al-Fattah as-Sisi sei ein Faschist am Nil. Der fehlende Bezug sind die Moderne und Antimoderne.

Analysemanko

Andererseits fanden Suchende über Regionen hinweg Ähnlichkeiten von Faschismen als eine politische Ersatzreligion. Deren Regimes galten rechtsextrem, autoritär, totalitär und nationalistisch. Wie man sieht, trifft dies eher auf Europa und Südamerika zu, aber kaum in Afrika und Asien. Dort fehlt das übliche rechts-Mitte-links Spektrum, hat andere Züge, kaum Konzepte von Nation und Bürgertum. Islamismus ist nicht nur rechtsextrem, kann sich mittig und links bewegen. Er wirkt nicht nur nationalistisch, sondern übernational für die globale Umma. Islamisten agieren national, aber kaum für die Nation, sondern für das höhere Einheitsideal. In dieser Globalära mit ihrer virtuellen Umma wird die Idee eines Kalifats attraktiver, je klarer all die nach 1918 etablierten Nationen und Staaten versagen.

Viele sehen in extremer Gewalt Faschismus. Abdel-Samad sagt, wenn Menschen wegen Herkunft oder Glauben getötet werden, wäre das Faschismus. In Taten der Gewalt seitens der ersten Islamgemeinde Arabiens findet er Urfaschisten. So könnte man in dieser Logik Mongolen nennen. Deutlich ist, dass der Begriff islamischer Faschismus zu unspezifisch mit zu wenig Erklärungskraft wirkt. Faschismus ist doch zu römisch, schliesst totalitäre Stränge wie Nationalsozialismus und Kommunismus aus, die Nahost im 20. Jahrhundert prägten. „Fasci“ folgten aus Europas Moderne mit stets weniger Glauben und Stämmen. Gegenteiliges gilt im afroasiatischen Raum mit der Einheit von Macht und Moschee. Die Hamas-Ideologie? Islamismus. „Faschismus“ ist lässlich, allzu vorgeprägt oder ungenau.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>

Hamed Abdel-Samad: Der Islamische Faschismus. Eine Analyse. Droemer Verlag 2014, 223 S.



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