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Gilt das deutsche Staatskirchenrecht auch für den Islam?

(explizizit.net) Die Kirchen kommen in Zukunft an mehr Säkularisierung nicht vorbei

In der derzeitigen Debatte um Integration und das Verhältnis der Religionen zum Staat wird die Perpetuierung der Privilegien beider Kirchen zum deutschen Staate stets angestrebt. Der Islam strebt jedoch auch zunehmend nach gesellschaftlicher Anerkennung und wird in Zukunft sicherlich die ihm rechtsstaatlich zustehend gleichen Rechte einfordern, wie es die anderen Körperschaften bereits haben. Beide Kirchen sollten sich auf diese Entwicklung einstellen. Dazu einige Überlegungen.

(explizizit.net) Die Kirchen kommen in Zukunft an mehr Säkularisierung nicht vorbei

In der derzeitigen Debatte um Integration und das Verhältnis der Religionen zum Staat wird die Perpetuierung der Privilegien beider Kirchen zum deutschen Staate stets angestrebt. Der Islam strebt jedoch auch zunehmend nach gesellschaftlicher Anerkennung und wird in Zukunft sicherlich die ihm rechtsstaatlich zustehend gleichen Rechte einfordern, wie es die anderen Körperschaften bereits haben. Beide Kirchen sollten sich auf diese Entwicklung einstellen. Dazu einige Überlegungen.

Staatsverträge bilden das Zusammenleben

Der Rechtsstatus wie die konkreten Leistungen des Staates für die Landeskirchen und Bistümer gehen auf die Verfassung der Weimarer Republik zurück. Hier wurde das Verhältnis von Staat und Kirche, das die Trennung der beiden Institutionen vorsah und die direkte Kontrolle durch eine Regierung beendete neu definiert. Das galt vor allem für die evangelischen Landeskirchen, für die bis Ende des Ersten Weltkrieges der jeweilige Fürst Oberhaupt der Kirche in seinem Gebiet war. Mit der neuen Verfassung erhalten die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften, so die jüdische Kultusgemeinde, einen eigenständigen rechtlichen Status als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ mit teilweise eigenem Arbeitsrecht. Der Staat erkennt damit die Leistungen der Religionsgemeinschaften, insbesondere der christlichen an, die diese für Allgemeinwohl wahrnehmen.

Religionsfreiheit zählt zu den verbrieften Grundrechten des deutschen Staates, somit konnten die Kirchen eine Verwaltungsfreiheit und Eigenständigkeit genießen. Die Regelungen der Weimarer Verfassung wurden für das Grundgesetz der Bundesrepublik übernommen. Die staatskirchenrechtlichen Verträge sind inzwischen von jedem einzelnen Bundesland erneuert und spezifiziert worden, sowohl zwischen römisch-katholischen Bistümern, wie auch seitens der evangelischen Landeskirchen.

Wenn der Islam auch als Institution gleiche Rechte beansprucht

Durchaus brachte dieses Zusammenleben Vorteile für beide Partner, doch mit der zunehmenden Pluralisierung der Gesellschaft ergeben sich Konsequenzen: Der Islam gehört immer mehr zum Alltag der deutschen Gesellschaft. Minarette und Moscheen sind ein deutliches Zeichen für die Existenz des Islam hierzulande, auch der eingeführte Islamunterricht an Schulen und der Status einer „Körperschaft öffentlichen Rechts“, den das Land Hessen der Ahmadiyya Muslim Jamaat gewährte, zeigen, dass Moscheegemeinden den gleichen Rechtsstatus wie Bistümer, Landeskirchen und der jüdischen Kultusgemeinde erhalten. Zwar muss der Islam sich erst organisieren, um mehr Anerkennung seitens des Staates zu erhalten, aber erste Bemühungen über Dachorganisationen wie der DITIP finden bereits statt. Nun kann ein Gedankenexperiment gewagt werden: Welche Folgen ergeben sich, wenn der Islam die ihm rechtlich legitimen Forderungen stellt, die den beiden Kirchen wie der jüdischen Kultusgemeinde zustehen: Eintreiben der Steuern, Feiertage und Repräsentation in öffentlichen Gremien, z.B. der Rundfunksender von ARD und ZDF. Die Stadt Hamburg musste sich mit diesen Ansprüchen auseinandersetzen, denn diese stellten Fragen auf, in wieweit Feiertage und andere Regelungen überhaupt noch zeitlich in der Jahresrhythmus passen. Wie viele Feiertage verträgt die Arbeitswelt? Wenn neue hinzukommen, welche dürfen gestrichen werden? Diese Fragen muss der Staat angehen und die Kirchen müssen Entscheidungen akzeptieren. Sie ergeben sich aus der Rechtsstaatlichkeit, die in diesen Zusammenhang zwei Möglichkeiten übrig lässt: Die anderen Religionsgemeinschaften aufzuwerten oder die Privilegien der Kirchen zu reduzieren, wenn der Islam in Zukunft die gleichen legitimen Körperschaftsbezüge fordert, wie die beiden anderen großen Konfessionen.

Gleiches Recht für alle oder mehr Laizität

Soll der Islam nicht zu den gleichen Vorzügen kommen wie die beiden großen Kirchen, wird es unumgänglich sein, dass diese auf ihre Privilegien verzichten. Auch die Politik müsste entscheiden, welche der beiden Optionen erwünschter wäre: Den Islam in das bisherige Staatskirchenrecht zu integrieren oder die Privilegien für alle Religionsgemeinschaften abzubauen. Auch die Kirchen werden sich fragen müssen, ob sie unter Beibehaltung ihrer Privilegien eine Aufwertung des Verhältnisses Staat-Islam mit tragen, oder der größeren Laizität zustimmen, die nicht ohne Folgen bleibt. Die Kirchen müssen sich darauf einstellen ihren Stellenwert im Staat anders zu definieren. Sie werden nicht von der Bildfläche verschwinden, aber das Verhältnis und die damit eingehenden Donationen werden sich erheblich von denen der heutigen Zeit unterscheiden.

 

<emphasize>Thomas Porwol</emphasize>


Schlagworte: #Kirche #katholisch #Islam

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