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Ghouta - warum ist Europa Zuschauer

Die Zerstörung einer Großstadt mit der Zahl der täglichen Opfer kann jeder in den Nachrichten verfolgen, incl. der Aufnahmen von Trümmerlandschaften. Außer Abscheu, verbunden mit Ohnmachtsgefühlen, bleibt nichts zurück. Ist Europa tatsächlich so ideenlos?

Die Machtfrage ist etwa so zu beantworten. Die syrische Armee ist nicht mehr so in Bedrängnis, weil Russland die Regierung unterstützt. Das liegt in der Logik russischer Interessen. Denn inzwischen kämpfen viele Muslime aus den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken in Syrien. Würden sie die Regierung in Syrien absetzen, wäre das nächste Ziel Moskau. Ob Putin oder ein anderer, Russland kann den Sieg der Rebellen nicht zulassen, will es den bewaffneten Aufstand von Muslimen im eigenen Land nicht anfachen. Die bisher ruhige islamische Republik Tatarsan innerhalb der russischen Föderation und Millionen Usbeken u.a. Muslime aus Zentralasien, die in Russland arbeiten, könnten die Niederlage Assads als Signal aufnehmen, auch Russland in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Diese Zusammenhänge werden dem Fernsehzuschauer und Zeitungsleser verschwiegen und Putin zu dem Herrn über Krieg und Frieden in Syrien stilisiert. Inzwischen ist offenkundig, dass er in Syrien nicht durchgreifen kann. Was aber, wenn Putin nicht als alleiniger Sündenbock haftbar gemacht werden kann?

Europa hat keine Friedensstrategie

Die europäischen Völker haben die meisten Erfahrungen mit Vernichtungskriegen. Gerade Deutschland müsste inzwischen eine Strategie entwickelt haben, wie die Bevölkerung in Ghouta mehr machen könnte, als sich einfach in Kellern zu verkriechen. Sie könnte doch der Zerstörung ihrer Stadt Einhalt gebieten. Wie in Ghouta ließ nämlich auch die deutsche Bevölkerung die Bombardierung ihrer Städte über sich ergehen, ohne die eigenen Truppen am Weiterkämpfen zu hindern. Erst als die alliierten Truppen kurz vor der Einnahme der jeweiligen Stadt standen, wurde die weiße Fahne gehisst. Was haben die Friedensforscher herausgefunden, warum Menschen ihre Städte zerbomben lassen? Überhaupt ist es erstaunlich, dass von diesen Instituten, die schon vor Jahrzehnten eingerichtet wurden, nichts zu hören ist. Friedensforschung funktioniert wohl nur in Friedenszeiten. Wenn es um die Auflösung von bewaffneten Konflikten geht, dann schweigt die Friedensforschung. Es bleiben dann die USA, Russland und die Türkei, die genügend Waffen haben, die sie dann auch zum Einsatz bringen.

Europa könnte

Der syrische Bürgerkrieg ist nicht ein auf das Staatsgebiet begrenzter Kampf um die Macht im Staat, sondern wie der Jemen und immer noch der Irak ein Konfessionskrieg, in dem Persien und Saudi Arabien um die Vorherrschaft ringen. Da die USA Saudi Arabien mit einem Waffenarsenal ausrüstet, von dem die Bundeswehr nur träumen kann, steht Amerika wieder in Auseinandersetzung mit Russland, das Persien deshalb unterstützt, weil dieses, wie oben gezeigt, die Regierung unterstützt, deren Sturz Russland nicht zulassen kann. Der Kampf um die militärische und politische Vorherrschaft im Mittleren Osten ist damit auch ein Konfessionskrieg zwischen Schiiten, die nicht nur in Persien, sondern auch in Syrien an der Macht sind, und den Sunniten, die in Syrien die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Was könnte Europa tun

  • Persien und Saudi Arabien zwingen, endlich Flüchtlinge aufzunehmen und dann auch
  • Für den Wiederaufbau Syriens gerade zu stehen. Die Erdölexporteure nicht weiter
  • mit Devisen versorgen, denn die Kriege am Golf können deshalb endlos weitergeführt werden, weil die Länder genügend Devisen einnehmen.
  • Die Umweltparteien könnten endlich politisch werden, indem sie Energiepolitik so betreiben, dass daraus nicht Krieg wird.

Solange Europa bloß zum Frieden mahnt und dann die Kriegsfolgen abmildert, bleiben die Bürger ratlos vor dem Bildschirm.

Die Religionen sind nicht weniger gefragt

Wenn die Kirchen Ökumene nicht weiter auf das endlose Ringen um theologische Positionen reduzieren, sondern aktiver auf Schiiten und Sunniten zugehen und Religionsfrieden einfordern, bleiben sie unter ihren Möglichkeiten. Wer kennt sich nicht besser mit Konfessionskriegen aus als die Deutschen.
Noch mehr gilt für die Sunniten und Schiiten hier, dass sie sich zusammensetzen und ihren Einfluss geltend machen, dass der Konfessionskrieg endlich aufhört. Von Europa könnten sie die Einsicht mitnehmen, dass Kriege im Namen der Religion  die Menschen skeptisch gegenüber der Religion machen.

Friedensarbeit kann sich nicht auf die Aufnahme von Flüchtlingen und die Versorgung der Bevölkerung in Bürgerkriegsregionen beschränken. Die Hilfsgüter der UN wurden in Ghouta von den Rebellen konfisziert und zu Geld gemacht. Mit dem Krieg endlich aufzuhören, darf nicht bloß eine Bitte der Europäer bleiben. Die Ideenlosigkeit von Politik, Friedensforschung, Kirchen u.a. verdammt den Fernsehzuschauer zum bloßen Zuschauer von Bombardements. Europa ist nicht gefordert, seine wenigen Waffen auch noch zum Einsatz zu bringen. "Frieden schaffen ohne Waffen", der so überheblich formulierte Slogan scheint wie ein dürrer Ast, der seine Blätter verloren hat und neben dem die Bomben detonieren. Er müsste jetzt eingelöst werden. 

Dass Russland ein wachsendes Problem mit Islamisten hat und sich durch die USA und die NATO bedroht fühlt, wird in deutschen Medien unterschlagen. Der Moskauer Korrespondent von explizit.net zeichnet ein wohl realistischeres Bild, das mehr hilft, die Politik Russlands zu verstehen.
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Über die Situation in Ostghouta und die Nachschubwege der Rebellen berichtet Sputnik


Kategorie: Politik

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