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Geist und Garten

Wir hören Zwischentöne, sehen Gegenstände in ein Licht getaucht und spüren die Beziehung zwischen Lebewesen. Auch in einem Garten wirkt ein Geist. Je nachdem, wie das Zwischen sich webt, sind unsere Empfindungen anders. Die Autorin beschreibt, wie ein Geist zu spüren ist.

Das „Zwischen“ zwischen den Lebewesen

In der Natur spüre ich einen Geist, der mitwirkt. Nicht immer so konkret und deutlich, wie wenn das Rotkehlchen mich mit seinem Gesang unterhält oder der Igel neben meinem Liegestuhl mit mir seinen Mittagsschlaf in der Sonne hält. Oder die Glühwürmchen mir das Himmelszelt eröffnen.
Wenn ich von Geist rede, dann meine ich nicht die weiß verkleideten Figuren aus dem kleinen Gespenst, auch nicht den Geist, der sich im Denken artikuliert, sondern das, was in der Interaktion zwischen Lebewesen passiert. Er schwingt hin und her und ist eigentlich immer da. Nicht immer nehme ich ihn bewusst wahr. Es gibt auch einen Geist, der die Wissenschaft leitet. Man spricht ja auch von Geistes-Wissenschaften. Mir geht es hier um das Geistige, das wir mit „Spiritualität“ bezeichnen. Dieses Geistige kann ich  spüren. Dieser Geist ist nicht sichtbar, aber für mich fühlbar. Ob im Garten, in einer Gruppe, in einer Begegnung mit Menschen oder in einer Wohnung: Ich spüre ihn, wie einen Film der unter dem, was ich sehe, mitläuft. Der Film ist weniger eine Abfolge von Bildern, sondern zeigt eher Farben und Schwingungen, die ich als Empfindungen wahrnehmen kann.

Der Geist in Gruppen

Ich spüre Akzeptanz, unverfälschte Freude und Langmut. Ich fühle, ob es Wohlwollen gibt, ob Liebe im Spiel ist, ob ein Boden von Vertrauen entstehen kann, ob der Geist Freiheit ermöglicht. Bei Konflikten spüre ich, ob in einer Gruppe ein Geist herrscht, der Versöhnung zulässt. Diesen besonderen Geist spüre ich sogar auf der Haut.
Wenn ein guter konstruktiver Geist herrscht, öffnen sich meine Poren, ich spüre Wärme und Geborgenheit. Ich fühle mich sicher, ich kann mutig sein und mich aussetzen. Ich kann mich zeigen, ohne Angst.
Fehlen diese existentiellen, unterstützenden Elemente zwischen Menschen, nehme ich einen destruktiven, einen vernichtenden Geist wahr. Ich spüre ihn als Kälte. Meine Haut zieht sich zusammen, ich werde ängstlich, unsicher und möchte diesen Ort gerne verlassen.

Das Zwischen zu den Tieren

Den förderlichen Geist erlebe ich in den Augenblicken, die mir ganz überraschend geschenkt werden, wie z.B. mit den Tieren, die mir so zutraulich nahe kommen. Diese Erfahrungen kenne ich auch mit Tieren unterwegs.
Auf einer längeren Wanderung in einem Hochtal der Schweiz begleitete uns eine Hündin fast vier Stunden und verhielt sich wie ein Hütehund. Sie sorgte sich um unseren Weg, blieb stehen und schaute sich immer wieder nach uns um, wartete bis wir bei ihr waren, bevor sie weiter ging. Sie blieb immer in Sichtweite. Es scheint so, als habe es einen Geist des Vertrauens zwischen ihr und uns gegeben. Sie stellte uns auch einen anderen ganz jungen Hund aus ihrem „Bekanntenkreis“ vor, der dann ebenfalls mit uns gehen wollte. Wir haben das aus Sorge verhindert, er würde nicht zurückfinden. Das nahm sie uns erst einmal ziemlich übel. Sie war ordentlich sauer und rannte uns davon, bis sie dann einlenkte und wieder zurückkam.

Das Zwischen im Garten

Ich spüre den konstruktiven Geist auch in den Kompositionen und der Gestaltung, die in meinem Garten durch Pflanzen entstehen, auch wenn ich nicht Hand anlege. Es gibt nämlich Stellen in meinem Garten, die ich einfach wild wachsen lasse, damit sich das, was sich aussät, auch entwickeln kann. Da bedeckt Vergissmeinnicht ganze Flächen unter den Rosen oder mischt sich mit den rosa Akeleien zu einem harmonischen Bild. So, als hätte ein Gärtner nach einem Plan gehandelt.
Die Natur ist Profi in der Gestaltung. Sie macht sich nicht abhängig von mir. Sie ist lebendig und entwickelt sich. Sie bleibt nicht stehen. Ich kann ihre Bedingungen und Kompositionen aufgreifen und in meinen Plan integrieren. Beim Mähen kann ich die Gänseblümchen und den Knöterich stehen lassen. Ich umrunde sie dann, weil sie gerade so schön blühen. Ich habe sie nicht gesät, habe nichts dafür getan, sie sind einfach da. Ich partizipiere an der Lebendigkeit, an der Farbenvielfalt und Fruchtbarkeit der Natur. In diesen Leben wirkt ein Geist.

Die Technik, die mich all die Jahre meiner Berufstätigkeit meist wohlwollend unterstützt hat und die Technik im Garten, wie z.B. der elektrische Rasenmäher, nehmen nach wie vor den Platz des Dienstleisters ein. Sie stehen mir auch im Garten hilfreich zur Seite - wenn sie funktionieren.



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