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Gegengelesen: Regeln statt machen

(explizit.net) Wie schon der große Philosoph IKEA die Frage in die Runde warf „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ so sprechen die heutigen Bürosophen: „Lebst du noch oder regelst du schon?“ Unser Alltag ist genormt, geregelt und vermessen. Die Banane hat sich an die EU-Norm zu halten. 14 cm lang und 2,7 cm breit muss sie sein, sonst zählt sie nicht zu den Bananen. Und so haben auch Bundesländer wie Berlin ein Seilbahngesetz, obwohl es dort weder Berge noch Seilbahnen gibt, Hauptsache, es ist geregelt.

(explizit.net) Wie schon der große Philosoph IKEA die Frage in die Runde warf „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ so sprechen die heutigen Bürosophen: „Lebst du noch oder regelst du schon?“ Unser Alltag ist genormt, geregelt und vermessen. Die Banane hat sich an die EU-Norm zu halten. 14 cm lang und 2,7 cm breit muss sie sein, sonst zählt sie nicht zu den Bananen. Und so haben auch Bundesländer wie Berlin ein Seilbahngesetz, obwohl es dort weder Berge noch Seilbahnen gibt, Hauptsache, es ist geregelt.

Die Regelungswut tobt in den Behörden, läuft etwas nicht ganz richtig, dann wird sofort eine Norm aufgestellt und ein Gesetz erlassen. Es wird sogar die Arbeit für Lebewesen geregelt, die gar nicht lesen können. Bienen z. B. dürfen nicht einfach ihren Honig sammeln, wo sie wollen. Sie haben schön zu den Blüten zu fliegen, die nicht genverändert sind. Das weiß so eine Biene natürlich nicht, denn an der Bienenschule hat die gemeine Biene das nicht studiert. Der Imker, der nun den leckeren Honig macht, der muss sein Produkt prüfen lassen und siehe da, die Prüfer stellen fest, da hat eine Biene sich gütlich getan am genveränderten Mais, der Honig kann nicht in den Verkehr, die böse Biene wird an den Pranger gestellt.

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Regeln der Regeln

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Damit die Regeln nicht durch andere Regeln außer Kraft geraten, müssen die Regeln geregelt werden. Und so regeln die Bürokraten die Regeln nach allen Regeln der Kunst, den Durchblick hat nur noch der Fachmann für Regeln und auch der nur sehr bedingt. Es wird nicht gefragt, will ich das oder das tun? Es wird geguckt, welche Regeln, Normen und Gesetze gibt es und was dürfen wir überhaupt noch tun? Bundespräsident Gauck hat das auch schon festgestellt und warnt vor der Überregulierung: „Auch gut gemeinte Eingriffe des Staates können dazu führen, dass Menschen aus- statt eingeschlossen werden.“ Doch man sollte auch den Gebrauch des Wortes Überregulierung regulieren, denn wenn die FDP davon spricht, meint sie Freiheit für die Arbeitgeber und weniger Lohn für die Arbeitnehmer. Die CSU dagegen kommt zum Schluss: „Wir brauchen eine Entzugstherapie für Kommissare im Regulierungsrausch.“

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Größer, schöner, geregelter

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Die Bürosophen sind durch die Regeln regelrecht verregelt. Mehr Statistik, mehr Zahlen, mehr Daten, immer größer und weiter, damit es immer mehr notwendige Regeln gibt, um den Anschein zu erwecken, dass alles seinen geregelten Lauf nimmt. Dafür braucht man immer mehr Bürokraten, die in immer größeren Büros sitzen. Doch wer Menschen in Großraumbüros setzt, der hat mehr Krankmeldungen, wie eine schwedische Forschergruppe jetzt herausfand. Und wenn der Bürokrat krank ist, dann kann nichts geregelt werden und der Bürger muss seine Sachen selber regeln. Sitzt der Bürokrat dann wieder an seinem Arbeitsplatz, wird der Bürger abgemahnt, weil er sich nicht exakt an die Regeln gehalten hat. Und handelt es sich beim Bürokraten um einen Finanzbeamten, dann kann es sein, dass man von ihm angemahnt wird für Forderungen eines anderen Steuerzahlers, der zufällig das gleiche Geburtsdatum hat. Bei der Vergabe der neuen Steueridentifikationsnummern gab es ein geregltes Durcheinander. Ein Datenwirrwarr, Kompetenzdschungel und jede Menge Ärger für die, die zu viele Steuern zahlen, wenn sie es überhaupt merken, denn manche Bürger haben zwei Steueridentifizierungsnummern bekommen oder zwei Bürger haben dieselbe Nummer bekommen.

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Selbst denken

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Statt mehr Regeln, sollte mehr gedacht werden. Der Soziologe Harald Welzer fordert „Selbst denken!“ und schrieb dazu einen Bestseller. Die wahren Helden unserer Tage sind die, die die Regeln Regeln sein lassen und einfach die Sache in die Hand nehmen. Und man hört schon die besorgten Fragen, wie das geregelt werden könnte, wenn die Menschen selbst denken. Die Zyniker werden rufen: Ich lasse denken! Die Zaghaften werden sagen, ich kann gar nicht mehr denken und die Überschlauen behaupten, nur ich kann denken. Die Altvorderen stöhnen, früher gab es noch Denkverbote, da wusste man, was man denken und nicht denken darf. Vielleicht guckt man erst einmal hin, verzichtet bewusst auf das eigene Denken und spürt dann, wie das gedemütigte und ans Kreuz geschlagene Denkorgan zu neuem Leben erwacht.

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<emphasize>Kommentar von Thomas Holtbernd</emphasize>



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