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"Gegengelesen": Pädagogik passé

(explizit.net) Gegengelesen-Kommentar von Thomas Holtbernd

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Die Wirtschaft hat gesprochen, die Ministerpräsidenten folgen und Schule hat sich ruhig zu verhalten, Pädagogik war gestern, heute zählen angebliche 15,6 Milliarden Euro mehr Umsatz und angenommene neue 250.000 Arbeitsplätze in der Tourismusbranche. Der Korridor für die Schulferien im Sommer soll von 75 auf 90 Tage erweitert werden. Und wer es immer noch nicht kapiert hat, der müsste spätestens jetzt verstanden haben, wer in diesem Land regiert und nach wessen Pfeife wir alle tanzen.

(explizit.net) Gegengelesen-Kommentar von Thomas Holtbernd

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Die Wirtschaft hat gesprochen, die Ministerpräsidenten folgen und Schule hat sich ruhig zu verhalten, Pädagogik war gestern, heute zählen angebliche 15,6 Milliarden Euro mehr Umsatz und angenommene neue 250.000 Arbeitsplätze in der Tourismusbranche. Der Korridor für die Schulferien im Sommer soll von 75 auf 90 Tage erweitert werden. Und wer es immer noch nicht kapiert hat, der müsste spätestens jetzt verstanden haben, wer in diesem Land regiert und nach wessen Pfeife wir alle tanzen.

Da greifen Wirtschaftsleute massiv in die Schulpädagogik ein, werden dabei noch nicht einmal rot, sondern stellen eindeutig klar, pädagogische Gesichtspunkte haben in diesem Land nur eine nachgeordnete Bedeutung. Die Bürger sollen nicht denken lernen, sondern arbeiten und konsumieren, ansonsten den Mund halten und den wirtschaftlichen Zielen folgen. Die Ministerpräsidenten üben massiven Druck auf die Kultusministerkonferenz aus, damit diese über Bord werfen, was im Hamburger Abkommen festgelegt wurde, dass nämlich die pädagogischen Gesichtspunkte Vorrang haben.

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Klimakatastrophe

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Sylvia Löhrmann, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, klagt über die Angst in den Schulen und möchte ein freies und glückliches Klima herbeipolitisieren. Ganztagsschule ist da ihr Programm, weniger wirklich freie Zeit für die Kinder, dafür mehr weniger Zeit für die Lehrer. Wann sollen die Lehrer eigentlich Klassenarbeiten korrigieren, Unterricht vorbereiten oder einfach nur mal sich für ihr Fach interessieren? Druck soll von den Kindern genommen werden, denn manche Kinder hätten Angst vor ihren Lehrern. Frau Ministerin, genau so soll es auch sein. Denn vielfach wird von Angst gesprochen, wenn fehlender Respekt gemeint ist. Wer möchte, dass Lehrer ihren Schülern etwas zutrauen und gute Lehrer sind, der muss vor allem in die Lehrer investieren, pädagogische Freiräume lassen, G8 nicht verteidigen, sondern G9 als Chance sehen, mehr Zeit zu haben für die Begleitung heranreifender Menschen.

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Afterparty

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Manchmal haben Schüler keine Angst vor den Lehrern, sondern davor, aufs Klo zu gehen. Die Toiletten sind verschmutzt, Toilettenpapier fehlt, Klinken an den Türen sind abgebrochen und manche Schulen überlegen, den Schülern einen Obulus für eine Toilettenkraft abzunehmen. Eltern und Lehrer gebieten keinen Einhalt, wenn Schüler ihre gigantischen und opulenten Abschlussfeiern planen. Da hantieren 17jährige mit Summen herum, die Angst machen. Aber Hauptsache Party.

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Das Hoeneß-Syndrom

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Die mediale Aufmerksamkeit ist nach München gerichtet, die Gazetten berichten vorwärts und rückwärts über den Prozess. Das Ergebnis ist, dass Uli Hoeneß 3,5 Jahre ins Gefängnis muss, aber nur zum Schlafen und nur wenn der Bundesgerichtshof die Revision ablehnt. Der Mann hat Steuern hinterzogen, gezockt mit Millionen, bezeichnete sich selbst als spielsüchtig, doch wo bleibt die Therapie? § 64 StGB sieht vor, dass jemand, der einen Hang hat, berauschende Mittel in Übermaß zu sich zu nehmen und in diesem Rausch eine rechtswidrige Tat begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden soll, allerdings nur wenn Aussicht auf Heilung besteht. Ein Gefängnis ist aber keine Entziehungsanstalt. Ein Uli Hoeneß wird nur bestraft, aber nicht erzogen. Und warum richtet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nur auf eine Person, die sich schuldig gemacht hat und nicht auf das ganze System? Mit dem gleichen Blitzlichtgewitter könnte doch mal von der Kultusministerkonferenz und ihren Machenschaften berichtet werden.

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Sag mir, wo die Lehrer sind, wo sind sie geblieben?

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Die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern suchen solche Spieler wie Hoeneß, die das Risiko eingehen, in diesen Ländern an den Schulen unterrichten zu wollen. Da gehen Hunderte in Pension und Nachwuchs gibt es nicht ausreichend. Und auch der Lehrer der Nation, Dirty Harry alias Harald Schmidt, ging in dieser Woche von uns mit den Worten: „Ich habe gegen Hoeneß einen Vorteil, ich werde entlassen.“ Wer erklärt uns nun mit Playmobil-Figuren die großen Werke der Weltliteratur? Latenight kommt nicht mehr zu später Stunde, das Format ist eingegangen. Doch Lehrer werden weiterhin gesucht. Geworben wird dafür mit großen Anzeigen in „Die Zeit“. Doch welcher Lehrer, der gerade sein Studium abgeschlossen hat, liest noch „Die Zeit“? "Fuck you Goethe" und Schiller, die Werbepausen bei „Der Bachelor“ sollten zur Akquise genutzt werden. Dann bleiben die Schüler auch nicht mehr sitzen, sie bekommen einfach nur keine Rose. Schule wird kommerzialisiert, dann haben alle Spaß und wer nichts wird, macht ein Casting bei Heidi Klum, Dieter Bohlen oder sonstwem und wird Pappkamerad im Körper eines Pädagogen.

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Nahles schafft nur Fahles

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Die Arbeitsministerin aus der sozialen Partei hat auch vergessen, wo sie herkommt. Die Lehrer sind überfordert, weil sie immer mehr Sozialarbeit leisten müssen. Deshalb gab es Schulsozialarbeit. Die will Frau Nahles nun nicht mehr bezahlen, ganz abgesehen davon, dass auch die schöngelobte Inklusion niemand finanzieren will. Wie wäre es, die eingesparten Millionen im Schulbereich für die Inklusion von Politikern ins reale Leben zu investieren?

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<emphasize>Kommentar von Thomas Holtbernd</emphasize>



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