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Gegengelesen-Kommentar: Früher gab es Unis, heute Bologna

(explizit.net) Die älteste Universität in Europa wurde 1088 in Bologna gegründet. Heute studieren dort 80.000 Bildungswillige. 1999 wurde Bologna als Schlagwort genommen, um einen Prozess anzustoßen, der das Bildungswesen in Europa reformieren und vereinheitlichen sollte: die Bolognaerklärung. Heute nach 15 Jahren fragt man sich, ob es die Abschiedserklärung europäischer Bildung war. Doch Bologna steht nicht nur für Bildung, es steht auch für die Liebe, denn aus Bologna stammen die Tortellinis und die sind gemäß einer Legende dem Nabel der Liebesgöttin Venus nachgebildet. Außerdem stammt die Mortadella aus dieser Stadt und Bologna ist berühmt für seine Lasagne und Tagliatelle aus Eierpasta, das ist wahrlich studentisches Vergnügen und europaweit beliebt in Mensa und Studenten-WG.

(explizit.net) Die älteste Universität in Europa wurde 1088 in Bologna gegründet. Heute studieren dort 80.000 Bildungswillige. 1999 wurde Bologna als Schlagwort genommen, um einen Prozess anzustoßen, der das Bildungswesen in Europa reformieren und vereinheitlichen sollte: die Bolognaerklärung. Heute nach 15 Jahren fragt man sich, ob es die Abschiedserklärung europäischer Bildung war. Doch Bologna steht nicht nur für Bildung, es steht auch für die Liebe, denn aus Bologna stammen die Tortellinis und die sind gemäß einer Legende dem Nabel der Liebesgöttin Venus nachgebildet. Außerdem stammt die Mortadella aus dieser Stadt und Bologna ist berühmt für seine Lasagne und Tagliatelle aus Eierpasta, das ist wahrlich studentisches Vergnügen und europaweit beliebt in Mensa und Studenten-WG.

Ein erklärtes Ziel des Bologna-Prozesses ist die Beschäftigungsfähigkeit, die Studenten sollen also nicht gebildet, sondern gute Arbeitstiere werden. Dieses Ziel wurde bereits mehr als erreicht. Das Studium wurde verschult, der Lehrstoff reduziert auf abfragbare Daten. Die Studenten laufen den Prüfungen hinterher und können das anwenden, was sie bereits auf den weiterführenden Schulen gelernt haben: Man kann eine Prüfung auch schaffen, wenn man kein einziges Buch gelesen hat, sonfern man das richtige Skript auswendig gelernt hat. Und wer sein Studium nur mit dem Bachelor abschließt, der kann für wenig Geld viel arbeiten.

Kompetenz statt Bildung

Die Zahl der möglichen Studienfächer ist ins Unermessliche gestiegen, da kann studiert werden, was dem Papier standhält. Berufsausbildung findet an Universitäten statt, allerdings mit wenig Praxis, dafür hat man keine Zeit. Das duale Berufsausbildungssystem, eine bewährte deutsche Tradition, ist passé. Es handelt sich um einen Etikettenschwindel. Bildung war einmal, heute ist Kompetenz gefragt. Inwieweit jedoch Kompetenz aus einer Entwicklung der Persönlichkeit durch den Umgang mit Wissen und einer Auseinandersetzung damit heraus resultiert, das steht nicht zur Debatte.

Im Supermarkt des Wissens

Man kommt in eine Uni rein und fühlt sich sofort zu Hause, es ist wie bei Aldi, Lidl, Netto usw., die Regale stehen überall auf der Welt in gleicher Ordnung. Die Artikel sind globalisiert vereinheitlicht und welches Wissen gut oder wichtig ist, das entscheiden die Marketingexperten, die Berater von McKinsey und anderen Besserwissern. Die Eigenart einer Universität, die Persönlichkeit der Lehrenden, das Besondere einer Fakultät werden auf ein internationales Einheitsmaß normiert. Und die Elitehochschulen sind da nur konsequenter, mehr Bildung findet auch hier nicht statt, denn dann wären die Studenten nicht mehr wirtschaftskompatibel.

Der andere Bologna-Prozess

Bei allem Gerede vom Wert des heutigen Abiturs, der Hochschulrefom und der schlechten Bildung, fällt gar nicht auf, wie und wo sich Menschen heute bilden. Die Rentner sind rüstig, gesund und munter schreiben sie sich an den Hochschulen ein, machen einen Abschluss, den sie nie mehr für ihren beruflichen Werdegang brauchen. Wenn es für die Hochschule nicht reicht oder der Aufwand zu hoch ist, dann besuchen sie halt die Volkshochschule oder andere Bildungseinrichtungen. Via Internet kann sich jeder und jede bilden, die Zugänge sind frei, wenn man weiß, wie man es macht. Bücher muss man nicht mehr kaufen, die lassen sich ohne Mühe bei der bayrischen Staatsbibliothek o. a. digital lesen. Ein großer Teil der Jugend weiß, dass man an den Universitäten nicht für das Leben lernt, sie reisen durch die Welt und machen ihre Erfahrungen. Schüleraustausch, FSJ, travel and work oder einfach auf eigene Faust andere Länder bereisen, das ist keineswegs exotisch.

Digital statt fatal

Bildungspessimisten beschwören die fatale Lage. Und oft erscheint es sonderbar, was als Bildung verkauft wird und welchem Schmalspurdenken akademisch Gebildete huldigen. Wir leben in Zeiten des Umbruchs, das Internet hat unsere Wirklichkeit verändert und wer behauptet, er könne glasklar feststellen, dass Schul- sowie Hochschulbildung eine reine Katastrophe sind, der beweist nur, dass er humanistische Bildung nicht wirklich verinnerlicht hat. Denn der wahrhaft Gebildete schaut auf das, was sich entwickelt hat, wie dies in einem Gesamtzusammenhang zu bewerten ist, welche Tendenzen und Chancen auszumachen sind und er freut sich sogar, wenn alte Zöpfe, die Bildung mehr verhindert als gefördert haben, endlich abgeschnitten sind, auch wenn Neues noch nicht in Sicht ist. Es gilt daher die Devise: Die Bildung ist tot – es lebe die Bildung!

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<emphasize>Thomas Holtbernd</emphasize>



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