(explizit.net) Gegengelesen-Kommentar
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Die EZB hat die Zinsen mal wieder gesenkt und die Wirtschaft läuft, der DAX hat die 10.000er Marke überschritten. Das Sparen lohnt nicht, sind doch Zinsen so niedrig, dass man nachher weniger als vorher hat. Das Sparschwein wurde zur Schlachtbank geführt, wer solche Tiere noch füttert, der ist ein armer Wicht. Alte Regeln sind vorbei, Sparsamkeit ist nicht mehr klug, sondern selten blöd. Ausgeben sollen wir die Moneten und nicht sammeln. Die Konjunktur muss laufen, Kredite sollen wir nehmen, damit die Wirtschaft in Schwung kommt und alle einen Arbeitsplatz haben.
Wer denkt da schon an die nun aussterbende Gattung der Sparschweine? Was gab es da für hinreißende Exemplare? Ein Schwein schöner und voller als das andere. Kinder versuchten das Geld, was hineingeworfen worden war, wieder heraus zu fummeln. Festtage waren es, wenn so ein Schwein geschlachtet wurde. Der Schlitz nahm Münzen und Scheine auf, war Guckloch in die dunklen Sphären künftigen Reichtums. Der Traum ist aus. Das Schwein ist ein schwarzes Loch geworden; Antimaterie oder, in der Sprache der Finanzbranche, Negativzins, frisst alle Taler auf.
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Bücherverbrennung
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Und war das Schwein voll, dann wurde es gekillt und der Schlachter brachte die Innereien zur Bank, um das Sparbuch zu befüllen. Solche Bücher werden heute nicht mehr gern gelesen, die Spannung ist raus und ein Happyend bleibt aus. Das Geld wird abgehoben und ausgegeben, die Bücher verbrannt. Das sichere Sparen liegt auf dem Scheiterhaufen, doch die Propheten des Geldes halten neue Optionen bereit, es wird gewettet auf die Schulden armer Staaten.
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Erst stirbt das Schwein, dann der brave Deutsche
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Der Weltspartag war bisher ein hoher Feiertag, die Schweine wurden geschlachtet und in den Tempeln der Sparkassen geopfert. Das ist jetzt vorbei. Der Gott des sicheren Sparens ist tot. Die Gläubigen werden zwangssäkularisiert und enteignet. Ungläubig stehen sie vor den Altären, kein Kniefall bringt ihnen die Erlösung. Die Welt ist leer und öd, Gott ist tot und die Sparer ziehen wie Lemminge zu den Klippen vergangener Geldberge, um sich hinunter zu stürzen. Der brave Deutsche folgt dem Schwein, wer nicht tüchtig sparen kann, der sieht kein Licht mehr am Ende des Tunnels, der gibt auf.
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Konto macht auch nicht frei
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Als sich das Sparen noch lohnte, hatten die Reichen ihre Konten in der Schweiz, hinterzogen Steuern, hatten Schwein, wenn sie nicht erwischt wurden und belächelten die Sparschweinbesitzer. Jetzt gehen die einen ins Gefängnis und die anderen haben auch kein Geld. Doch die Sparschweinhirten waren ehrlich, sie konnten nicht wissen, wie viel Geld in ihren Schweinen ist. Die anderen kannten ihre Kontostände, auch wenn es geheim war. Alice Schwarzer Bild(ete) sich zwar eine Meinung über ihr Vermögen, doch Meinung macht vielleicht eine Feministin, aber noch keine aufrechte Steuerzahlerin. Sie hat wohl bei ihrer Selbstanzeige nur so ungefähr angegeben, was sie sich hat. Und vielleicht darf sie bald mit Uli Hoeneß eine Zelle teilen.
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Schweine im Himmel?
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Wo sind sie jetzt, die Sparschweine? Frohlocken sie und grunzen zur Harfe auf den himmlischen Wolken? Schauen sie von oben herab und amüsieren sich über die vielen Blasen, die nach ihrem Tod entstanden sind? Hören sie noch die geilen Sprüche aus der Hölle der Kredite und Aktien? Vielleicht sind sie einfach nur froh, dass sie nicht mehr ihren Schlitz herhalten müssen, damit jemand ihnen etwas reinschiebt, um dann nach einiger Zeit doch nur mit dem Hammer zu kommen. Vielleicht wissen sie jetzt mehr, haben erkannt, der Kapitalismus ist am Ende. Sie haben sich geopfert, sie haben den Anfang gemacht, das Geld vermehrt sich nicht mehr durch Geld. Jetzt sind die anderen dran, jetzt darf sich reich nennen, wer Arbeit hat. Arm ist, wer Geld sein eigen nennt. Und Schwein hat, wer immer schon einem anderen Gott diente.
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<emphasize>Kommentar von Thomas Holtbernd</emphasize>
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