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Gegengelesen: Jedem seinen Panzer

(explizit.net) Gegengelesen-Kolumne

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Detroit, da fahren die Schlitten vor. Die neuen Autos der Saison werden vorgestellt und scheinen eine prompte Reaktion auf den fallenden Ölpreis zu sein. Vernunft oder ein wenig Bescheidenheit sind hier Fehlanzeige. Die Autoindustrie als ein wichtiger und führender Teil der Wirtschaft trumpft so richtig auf. Da bekennt man Farbe, da wird nicht gekleckert, da werden Fahrzeuge vor die Garage gestellt, die niemand braucht, außer er hat ein geringes Selbstwertgefühl und muss dies durch noch mehr PS kompensieren.

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Detroit, da fahren die Schlitten vor. Die neuen Autos der Saison werden vorgestellt und scheinen eine prompte Reaktion auf den fallenden Ölpreis zu sein. Vernunft oder ein wenig Bescheidenheit sind hier Fehlanzeige. Die Autoindustrie als ein wichtiger und führender Teil der Wirtschaft trumpft so richtig auf. Da bekennt man Farbe, da wird nicht gekleckert, da werden Fahrzeuge vor die Garage gestellt, die niemand braucht, außer er hat ein geringes Selbstwertgefühl und muss dies durch noch mehr PS kompensieren.

Ein kurzer Blick nach draußen könnte den flotten Autofahrer darauf aufmerksam machen, dass er auf deutschen Straßen sein ps-geschwängertes Ungetüm eh nicht ausfahren kann. Und in den USA darf man sowieso nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Was also sollen diese Autos von Porsche, BMW, Mercedes und Volkswagen?

Der Terror auf den Straßen

Was dem Salafisten sein Attentat auf Vertreter dieser gottlosen Gesellschaft, das ist dem Autofahrer sein Rasen mit dem SUV auf kaputten Straßen. Die Autoindustrie terrorisiert mit ihren Protzkisten den kleinen Mann auf der Straße. Wer hat, der fährt so einen Panzer gegen die soziale Wirklichkeit in dieser Gesellschaft. Und wer etwas leisten würde, hätte auch das Geld dafür. Das ist Terror, der sich in die Seelen brennt.

Seelenpflaster

Das Volk ist ruhig, träumt sich selig und schaut fern. Kleine Mädchen schwärmen vom Bachelor. Die Kandidatinnen übertrumpfen sich mit ihrer Blödheit. Wer noch bei Verstand geblieben ist und nur kurz beim Zappen auf diesen seelenlosen Müll gestoßen ist, wünscht sich einen großen SUV, um diese Herberge der geistig zu kurz Gekommenen in Schutt und Asche zu fahren. Doch es sind ja nur irregeleitete Seelen, die nicht wissen, was sie tun und zur Verdummung der Zuschauer missbraucht werden. Und weil man gerade beim Zappen ist, schaltet man auf einen Nachrichtenkanal und sieht statt Bachelor die Kanzlerin. Das Niveau ist gleich geblieben, die Unterschiede im intellektuellen Anspruch ähneln sich. Ob Bachelor, Dschungelcamp oder Kanzlerin, der Informationswert ist gleich Null.

Mit 26 PS in die Idylle

Was waren das für Zeiten, als es noch Spaß machen durfte, beim Fahren nebenbei Blümchen pflücken zu können? Den Berg hinauf, das war eine Unendlichkeitserfahrung, den Berg hinunter, das war raketengleiches Tempo. Stand am Straßenrand ein Tramper, wurde er gleich hinzugeladen. Seine Geschichten waren das Fernsehprogramm aus dem richtigen Leben. Zwar gab es auch ein falsches Leben im richtigen, doch war es nicht gefälscht. Die Fälscherbanden oder Macher dieser SUVs und Angeberkisten täuschen vor, was ehemals reale Erfahrung war, sie bauen noch ein paar PS in den Motor ein und lassen die Fahrer glauben, so wären sie schneller im wirklichen Leben. Einen Kolbenfresser wünscht man denen oder einfach nur einen kleinen Fehler in der Elektronik.

<emphasize>Thomas Holtbernd</emphasize>



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