Foto: dpa / picture-alliance

Gegengelesen: Ein Hoch auf Kinder

(explizit.net) Ein Kommentar von Thomas Holtbernd

.

In Deutschland wird ein Politiker verdächtigt, Kinderpornos angeschaut zu haben und in Belgien dürfen Kinder bestimmen, wann sie sterben wollen. Kindern werden Rechte gegeben und Kinder dienen der Befriedigung Erwachsener. Man möchte darüber keinen Witz machen, es bleibt allenfalls ein bitterer Zynismus.

(explizit.net) Ein Kommentar von Thomas Holtbernd

.

In Deutschland wird ein Politiker verdächtigt, Kinderpornos angeschaut zu haben und in Belgien dürfen Kinder bestimmen, wann sie sterben wollen. Kindern werden Rechte gegeben und Kinder dienen der Befriedigung Erwachsener. Man möchte darüber keinen Witz machen, es bleibt allenfalls ein bitterer Zynismus.

Was wird nicht alles getan, damit Eltern ein Kind bekommen können? Hormonkuren, tolle Geburten, die nicht weh tun, Kinderhort, Kindergärten, Schulen, viel Spielzeug und ein Kind ist genug, denn es soll dem Kind ja gut gehen, so ein Kind ist teuer, da kann man sich nur eines leisten. Kinder bereichern das Leben, machen aber auch Stress. Und wie Forscher herausfanden, ist man mit Kind auch nicht glücklicher als Menschen ohne Kinder.

.

Lasset das Kindliche zu mir kommen!

.

Psychologen und Soziologen stellen eine Infantilisierung der Gesellschaft fest und man stimmt dem zu, nimmt sich selber natürlich aus. Kindliche Sehnsüchte finden sich überall, die Eltern mögen groß und mächtig sein, Papa solle alles regeln und Mama nehme einen auch dann noch in den Arm, wenn man etwas angestellt hat. Die eigene Kindheit wird verklärt, da gab es noch Freiheiten, doch jetzt hat einen die moderne Welt gefangen genommen mit Arbeit und Freizeitstress. Das Kind im Manne hat sich versteckt, dafür verhält sich der Mann infantil, wünscht sich eine Frau, die Mama und Vamp zugleich ist, die Frau sucht einen Mann, der richtiger Kerl und Frauenversteher ist. Das Kindliche ist vertrieben, das Infantile geblieben. Wozu brauchen wir noch Kinder, wenn wir selber kindlich sind?

.

Wie putzig?

.

Kinderpornos sind nicht putzig. Kinder mögen eine erotisch unschuldige Ausstrahlung haben, doch sie können sich noch nicht zum Lustobjekt machen, ebenso wenig können Kinder das Subjekt von Entscheidungen sein, wie sich das die Belgier vorstellen. Nur wer sich entwickelt hat, weiß, dass die Fähigkeit zur Unterscheidung von Objekt und Subjekt das Ergebnis einer langen Erfahrung und Reifung ist. Ein Erwachsener mag sich als Objekt anbieten, es ist ein Deal. Ein Kind ist noch nicht geschäftsfähig und das nicht ohne Grund. Da ist es keine Geschäftsbeziehung, sondern entweder Fürsorge oder brutales Ausnutzen.

.

Kinder, unsere Zukunft?

.

Da beschweren sich die Älteren, dass sie zu wenig beachtet werden in dieser Gesellschaft, sehen jedoch nicht, welche Belastungen bei der Generation liegen, die noch keine sichere Rente hat. Kinder stillen die großmütterlichen und großväterlichen Gefühle; weil sie keine Geschwister haben, müssen sie diese „Liebe“ ganz alleine aushalten. Kinder werden gern als kleine Damen und kleine Männer gesehen, denn es ist ja so niedlich, wenn Kinder versuchen, sich wie Große zu benehmen. Unbeschwert wie so ein Kinderleben auf der einen Seite aussieht, wird anderseits immer mehr den Kleinen aufgeladen. Anstatt Kinder zu schützen vor Übergriffen, blüht der Handel mit Kinderpornografie. Eltern bereichern sich mit den Nacktbildern und –filmen. Anstatt Kinder in ihrer Krankheit und ihrem Leid zu begleiten, dürfen sie sich jetzt für ihren Tod entscheiden. Was ist das für eine Erwachsenenwelt, die ihre Verantwortung nicht wahrnimmt? Wollen Kinder in eine solch absurde Welt hineinwachsen oder doch lieber Kind bleiben?

.

Kritik der zynischen Vernunft

.

Der Philosoph Peter Sloterdijk ist mit seiner Schrift „Kritik der zynischen Vernunft“ bekannt geworden. Es scheint, seine Thesen sind moderner denn je. „Weil alles problematisch wurde, ist auch alles irgendwo egal.“ Das Unbehagen in der Kultur hat inzwischen in seiner zynischen Dimension den Schmerz überwunden, die Anästhesie durch Medien und Beschwörungen wie Überkomplexität oder Bürokratisierung hat gewirkt. Das Denken ist rein strategisch, die Liebe, etwas zu erkunden und zu durchdenken, ist verblasst. Da wird lieber geregelt oder gekungelt, die Vernunft unterliegt der Ratio des Funktionalen und ein Lernen, durch das vielleicht in Zukunft Probleme gelöst werden könnten, mutet man den Kindern nicht mehr zu, denn man glaubt, dass Lernen nur neue Probleme schafft. Lernen wir nicht von den Kindern, sondern von Erwachsenen und stützen wir Kinder, dass sie lernen können. Das ist der beste Schutz gegen die Überforderung der Kinder durch die Erwachsenen.

.

<emphasize>Ein Kommentar von Thomas Holtbernd.</emphasize>

.

explizit.net möchte zum Diskurs anregen und bietet dabei in der Kolumne "Gegengelesen" Autorinnnen und Autoren die Gelegenheit zu Meinungsbeiträge, die zur Diskussion anregen. Die Kommentare geben dabei nicht unbedingt die Meinung der explizit.net-Redaktion wieder.


Schlagworte: #Gegengelesen #Holtbernd

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang