(explizit.net) Da regen sich die Leute auf, die Presse ruft wie aus einem Mund, das geht zu weit. Eine kleine Gewerkschaft legt ganz Deutschland lahm. Unverschämtheit, kompromisslos sei dieser Weselsky, der Gewerkschaftsgedanke sei bedroht und überhaupt ginge es der GDL nur um Macht. Politiker mahnen ein bedächtiges Vorgehen an und lassen durchblicken: Weselsky steht schon auf der Liste undemokratischer Personen. Die Presse stimmt mit ein, so etwas darf eine Gewerkschaft nicht machen. Selbst andere Gewerkschaften sehen ihre Seriosität durch diese extravaganten Streiker gefährdet. Die Bahn ruft das Arbeitsgericht in Hessen an und wieder mal ist es nicht die Politik, die ordnend eingreift, eine Richterin entscheidet. Der Streik geht weiter, die Verhältnismäßigkeit sei durchaus gewahrt.
Das Blatt dreht sich und die Journalisten haben sich die ganze Geschichte mal eingehender angeschaut, wissen, mit Draufhauen erzielt man keine Wirkung, jetzt ist man dafür. Es wird verglichen mit früheren Arbeitskämpfen und danach ist Herr Weselsky plötzlich ein Weichei, früher, da waren die Gewerkschaftsbosse noch richtige Kämpfer, da hat der Streik noch Schaden angerichtet. Es gibt sogar Journalisten, die haben inzwischen die Papiere gelesen. Die Bahn ist auch nicht ohne. Einige wenige der Schreiberlinge hatten vorher leise angedeutet, dass Streik doch auch eine Errungenschaft demokratischer Gesellschaften sei.
Mal ehrlich
Der Sinn eines Streiks ist es doch, dass es weh tut. Gewerkschaften kämpfen um Machteinfluss. Die Politik hat dafür gesorgt, dass die Bahn als Staatsunternehmen privatisiert wurde und damit die Mitarbeiter keinen Beamtenstatus mehr haben, also auch streiken dürfen. Die Menschen leiden unter der Macht der großen Konzerne, denen die Dividende oder der Aktienkurs wichtiger sind als das Wohl der Mitarbeiter. Und es sage niemand, das machten nur die multinationalen Konzerne so. Kirchen lassen sich von McKinsey beraten und reden auch in dieser Effizienzsprache, beuten ihre Mitarbeiter genauso aus wie alle anderen. Und die Unternehmensberater liefern gleich die passenden Formulierungen, man habe sozialverträglich gehandelt, man habe im Gegensatz zu anderen den Menschen immer im Mittelpunkt gesehen und blablabla. Menschen mit Herz steigen aus, weil sie es nicht mehr aushalten. Warum sonst schmeißt ein Verantwortlicher im Ruhrbistum das Handtuch, der mal als Manager des Jahres galt? An seinen Fähigkeiten kann es wohl nicht liegen.
Danke GDL
Die Demokraten in diesem Land sind der GDL zum Dank verpflichtet. Endlich nutzt jemand das Recht des Streiks, weckt die eingeschlafenen Gemüter auf, wagt es, sich einem Konzern entgegen zu stellen, riskiert ein Mann wie Weselsky für seine Standfestigkeit von allen Seiten angefeindet zu werden, nimmt in Kauf, dass er beleidigt und bedroht wird. Aber der Mann kommt ja aus dem Osten und da geht die rote Sonne auf. Potsdam ist verloren, da regiert ein Ministerpräsident mit den Roten und in Thüringen wird ein Roter wohl Ministerpräsident werden. Ein kleiner Trost ist nur, dass Bodo Ramelow kein Ossi ist, er stammt aus Marburg. Die GDL nutzt ihre demokratische Macht und kämpft für eine Gesellschaft, in der Gewerkschaften, Konzerne und Politik nicht um des Profit willens in Eintracht dem Bürger vorgaukeln, man tue alles für das Wohl des arbeitenden Volkes.
„Mehr Demokratie wagen“
Die Genossen zitieren gerne ihren großen Meister Willy Brandt, verstanden haben sie anscheinend nur wenig. Sie fühlen sich geehrt, dass ein Flughafen nach ihm benannt wird und dort eine Statue für viel Geld aufgestellt werden soll. Mehr Demokratie wagen könnte aber auch bedeuten, sich dagegen zu wehren, dass ein ehemaliger Mann der Bahn, der Herr Mehdorn, dort im Größenwahn den weisen Meister Brandt missbraucht. Mehr Demokratie wagen könnte doch auch bedeuten, genauer hinzuschauen, nicht mit dem Strom zu schwimmen, Menschen zu unterstützen, die sich für andere einsetzen und eine gerechtere Gesellschaft anstreben, dafür zu sorgen, dass die GDL oder Herr Weselsky nicht in eine Situationen getrieben werden, wo sie mit dem Rücken zur Wand stehen und die Dynamik gar nicht mehr beeinflussen können. Doch vielleicht hilft Herr Weselsky, dass die Mauer zwischen Politikern und Bürgern fällt, Demokratie ist mehr als ein einvernehmliches Handeln der Politiker, das die Wähler abnicken oder murrend in Kauf nehmen.
<emphasize>Thomas Holtbernd</emphasize>
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