Foto: Mathias Wosczyna

Die Rente macht die Reichen reicher

Wer arm ist, stirbt früher. Er verbraucht also von seiner Rente sehr viel weniger als der besser Gestellte. Eigentlich stünde dem Armen eine höhere Rente zu. Berechnungen der Höhe der Renten fließt die Lebenserwartung nicht mit ein. Diese Ungerechtigkeit wird also in den sozialen Sicherungssystemen verschwiegen.

Wer arm ist, stirbt früher. Er verbraucht also von seiner Rente sehr viel weniger als der besser Gestellte. Eigentlich stünde dem Armen eine höhere Rente zu. Berechnungen der Höhe der Renten fließt die Lebenserwartung nicht mit ein. Diese Ungerechtigkeit wird also in den sozialen Sicherungssystemen verschwiegen.

Versicherungen: Tarifgestaltung und das Finden der Risikofaktoren

Um Versicherungstarife zu berechnen, müssen die Parameter erhoben werde, die das Risiko des Versicherungsvertrags beeinflussen. Fast immer sind mehrere Parameter verantwortlich. Diese können sich auch wechselseitig beeinflussen. Aus der Vielzahl möglicher Parameter sind die mit der größten Folgewirkung zu finden. Die Parameter hängen auch von der Größe der Gesamtheit ab, für die die spätere Versicherungsleistung zur Verfügung stehen muss. Manche Parameter können in der Regel immer verwendet werden, manche sind sehr gruppenspezifisch. Auch können manche Faktoren für die Tarifberechnung politisch opportun oder nicht erlaubt sein. Ein Beispiel dafür ist das Thema Unisex, also Tarife ohne Unterscheidung der Geschlechter.

Parameter der Lebens-, Unfall- und Pensionsversicherungen

Für Lebens- Unfall- und Pensionsversicherungen haben die Versicherer seit dem 19. Jh. Daten der Bevölkerung gesammelt, entsprechende Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten gebildet und diese als Parameter verwendet:

  • <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Das Alter. Die Wahrscheinlichkeit zu sterben oder invalide zu werden, hängt vom Lebensalter ab.</paragraph>
  • <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Das Geschlecht. Wahrscheinlichkeiten für Tod, Invalidität etc. sind nach Geschlechtern differenziert. In der Regel ist in den Industrieländern das erreichte Alter der Frauen einige Jahre höher als das der Männer. </paragraph>
  • <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Das Land. Gesellschaftliches Umfeld, Klima, die Krankenversorgung etc. beeinflussen das erreichte Alter.</paragraph>
  • <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Berufsgruppe (Angestellter oder Arbeiter). Das Risiko der Invalidität war für Arbeiter viel höher als für Angestellte.</paragraph>
  • <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Geburtsjahr. Die Lebenserwartung änderte sich. Ein 30jährigen hatte z.B. im Jahr 1986 eine höhere Lebenserwartung als im Jahr 1956. Letzteres ist der Kern der Aussage, dass alle immer länger leben.</paragraph>

Der Oberbegriff für diese Parameter ist die Sterbe- oder Rententafen. Sie unterliegen aber auch gesellschaftlicher Veränderung und politischer Gesetzgebung. So verliert der Unterschied Arbeiter und Angestellter an Bedeutung und die Differenzierung nach Geschlecht ist teilweise gesetzlich untersagt. Gibt es noch weitere Parameter? Wenn es solche gibt, warum werden sie bei Lebens- oder Krankenversicherung nicht explizit verwendet?

Armut und Reichtum bestimmen wesentlich die Lebenserwartung

Ein wichtiger Parameter, der unbedingt in die Rententafel eingearbeitet werden müsste, ist das Vermögen oder Einkommen des Versicherten. In den angelsächsischen Ländern über einkommensabhängige Sterbetafeln seit langem diskutiert. Dagegen ist diese Diskussion in Deutschland sehr verhalten. In manchen Medien wird behauptet, dass eine höhere Lebenserwartung der Reichen durch deren besseres Wissen, nicht durch höheres Vermögen bedingt sei. Die einheimische Finanzindustrie verwendet aber den sozialen Status zur Modellierung, wenn Bankkunden mittels Wohnort und dessen Sozialstatus „geratet“ werden. Für die Renten-, Pensions- oder Lebensversicherung wird diese unterschiedliche Lebenserwartung in Deutschland aber nicht angewandt.

In Deutschland korreliert das Vermögen mit der Lebenserwartung. Dies ist vielfach untersucht und festgestellt. So hat das Max-Plank-Institut in Rostock in einem sehr groben Filter und nur mit Daten der gesetzlichen Rentenbezieher die Lebenserwartung als Funktion des Vermögens analysiert (4 Gruppen gemäß der Rentenhöhe). Bei 65jährigen Männern war die Lebenserwartung zwischen 15 und 20 Jahren. Differenziert man die Einkommen noch weiter und nimmt andere Einkommensgruppen für die Berechnung hinzu, also nicht nur Angestellte und Beamte, wird der Unterschied noch größer

Die Diskussion, ob Armut die Lebenserwartung verkürzt, ist auch eine Frage nach der Kausalität bzw. Korrelation. Der Parameter „Einkommen“ oder „Vermögen“ zeigt, wie Parameter Geburtsjahr, Land, Geschlecht… in Korrelation mit der Lebenserwartung stehen. Das ist erst einmal ein statistischer Zusammenhang. Es ist aber nach den Gründen zu suchen. Die Frage, ob die Armen wegen der Armut oder wegen anderer Gründe kürzer leben, ist bereits eine Frage der Kausalität. Diese Fragen werden oft politisch vereinnahmt. Es gibt weitere Beispiele für den schnellen Übergang von der Korrelation zur Kausalität:

  • <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Mann und Frau. Diese wird mit besserem Verhalten der Frauen begründet, statt nur festzuhalten, dass es diese Korrelation gibt.</paragraph>
  • <paragraph xmlns:tmp="http://ez.no/namespaces/ezpublish3/temporary/">Arme kinderlose und vermögende kinderreiche Männer. In Deutschland korreliert bei Männern Vermögen sehr stark mit der Anzahl der Kinder. Dies wird mit dem Sozialverhalten der Frauen begründet, dass nämlich Frauen mehr Kinder bekommen, wenn sie sich wirtschaftlich abgesichert fühlen. </paragraph>

In diesen Beispielen können die Fragen genauso gut entgegengesetzt gestellt werden: Warum wollen arme Männer keine Kinder? Warum ist unser Gesundheitssystem für Frauen optimiert? Warum macht Krankheit arm? Je nachdem, wie die Frage gestellt wird, lässt sich der gesellschaftliche Diskurs bestimmen.

Rentenhöhe in Abhängigkeit vom Einkommen

Nimmt man die niedrigere Lebenserwartung der Armen zur Kenntnis, müsste dies in die Rentenberechnung Eingang finden. Die Rentenhöhe berechnet sich grob aus dem Vermögen geteilt durch den Barwert der Rente. Bei einem niedrigen Zins wie heute oder einem Nullzins, entspricht der Barwert ungefähr der Lebenserwartung. Nimmt man einen 65-jährigen und die o.g. Daten, so ergibt sich: Statt durch einen Mittelwert von 17,5 müsste man durch 15 bzw. 20 teilen. Die Rente der ärmsten Gruppe müsste also um 17% steigen und die der reichsten Gruppe um 12% fallen. Das erfolgt aber nicht.



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