Die Datenlecks der vergangenen Jahre aus Steueroasen sind bekannt: Offshore Leaks, Luxemburg Leaks, Swiss Leaks, Panama Papers, Paradise Papers. Eines ist all diesen Datenlecks gemein: Die Beträge, um die es geht, setzte alle in Erstaunen. Dabei sollte niemand erstaunt sein:
Der globale Finanzkapitalismus mit seinen Steueroasen ermöglicht die grenzübergreifende Bewegung von Kapital in Millisekunden und Verschleierungsmöglichkeiten, die Steuerverwaltungen selbst in mühsamsten Ermittlungen auf den vorhandenen rechtlichen und ressourcenmäßigen Grundlagen nicht aufdecken können. Weil, beispielsweise, Steuerparadiese nur dann zur Mitwirkung verpflichtet sind, wenn das Verschieben von Geldern in beiden Jurisdiktionen das Prinzip der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt. Wenn aber die Bermudas oder die Turks und Caicos Inseln ein bestimmtes Firmenkonstrukt, einen bestimmten Trust, eine bestimmte Holding etc. als absolut gesetzeskonform betrachtet, ist die dortige Regierung natürlich nicht zur Kooperation verpflichtet. Und so sind Steuerbehörden eben auf weitere Whistleblower angewiesen, um überhaupt Anfangsverdacht und Anhaltspunkte zu bekommen:
Schwachstellen in der Bekämpfung von Steueroasen
Nehmen wir den Fall der Engelhorn-Schwestern, gegen die aufgrund eines Datenlecks von den Augsburger Behörden wegen Steuerhinterziehung mithilfe von Scheinfirmen in Steueroasen ermittelt wurde – das Schadensausmaß war nicht eindeutig zu ermitteln, aber Beträge von 150 Millionen Euro schienen plausibel. Aufgrund mangelnder Kooperation der involvierten Steueroasen kam es zu einem Vergleich mit den Schwestern: Sie zahlten eine Geldstrafe und der Fall wurde zu den Akten gelegt – bis die Paradise Papers weitere Briefkastenfirmen der Schwestern enthüllten, sodass das Ausmaß von deren Hinterziehung noch höher sein dürfte als angenommen.
Immerhin erzeugte die Summe an Datenlecks einiges an Bewegung bei den in der OECD zusammengeschlossenen Industrieländern. Sie einigten sich auf ein Abkommen, mit dem die Steuertrickserei von Konzernen erschwert werden soll sowie auf ein Abkommen zum Austausch von Finanz- und Steuerdaten, um privater Vermeidung und Hinterziehung beizukommen.
Und was ist mit den Entwicklungsländern? Die blieben erstmal außen vor: Die vorgenannten Abkommen wurden zuerst ausgehandelt, dann wurden Entwicklungsländer eingeladen, an ihrer Umsetzung teilzunehmen. Die waren freilich nicht begeistert, denn auf ihre Interessen wurde bei der Aushandlung wenig Rücksicht genommen.
OECD: Club der Reichen gegen den Rest der Welt
In der Tat gibt es unterschiedliche Auffassungen, welche Rahmenwerke besser für eine globale Finanzarchitektur geeignet sind: Die Industrieländer beharren auf der OECD, die Entwicklungs- und Schwellenländer, China und Indien eingeschlossen, bevorzugen die Vereinten Nationen. Auf der 3. Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 kam es zum Konflikt zwischen beiden Blöcken – die reichen Staaten setzten sich durch. Die Gerüchte, wie sie dies schafften, sind teilweise hässlich.
Zugegebenermaßen sind auch Entwicklungsländer selbst nicht gerade konsequent und solidarisch. Kenia, das eine Partnerland der Studie „Steuergerechtigkeit und Armut“, nimmt an der Umsetzung der OECD Rahmenverträge teil, Sambia kann sich dies aus verschiedenen Gründen nicht leisten. Zugleich untergräbt Kenia eine Reihe von Bemühungen zur Steuertransparenz, indem es das Nairobi International Financial Center als eine eigene Steueroase ins Spiel bringt, um Schwarzgeld aus der süd- und ostafrikanischen Region anzuziehen – zum Schaden u.a. von Sambia.
John Doe, der Whistleblower der Panama Papers, rechtfertigt sein Tun wie folgt und bringt das Problem auf den Punkt: Er hätte so handeln müssen aufgrund des Versagens demokratischer und behördlicher Kontrollmechanismen bei gleichzeitiger wachsender Handlungsnotwendigkeit. Hätte er es nicht getan, wäre ein System weitergewachsen, „das wir noch Kapitalismus nennen, das aber in Wahrheit ökonomisches Sklaventum ist. In diesem System […] wissen die Sklaven weder, dass sie Sklaven sind, noch kennen sie ihre Herren, die in einer Parallelwelt leben und die unsichtbaren Ketten sorgfältig unter einem Haufen unverständlicher Gesetzestexte verstecken. Das weltweite Schadensausmaß sollte uns alle wachrütteln“.
Wachsende Ungleichheit führt NICHT zur Besserstellung aller
Nun haben sicher viele die Beteuerung neoliberaler Propheten im Ohr, dass wachsende Ungleichheit national und global dazu führt, dass im Endeffekt alle materiell besser dastehen – das Argument, dass die steigende Flut alle Boote mitnimmt. Als Beleg wird angeführt, dass das aktuelle sozio-ökonomische System doch die materielle Armut weltweit dramatisch verringert habe. Dagegen soll dreierlei gesagt werden:
Erstens: Oft handelt es sich dabei um Durchschnittswerte, etwa, von „nationalem Pro Kopf Einkommen“. Dabei können beachtliche Beträge erzielt werden, wenn man die Reichsten mit den Ärmsten „verrechnet“, ohne dass sich die Ärmsten tatsächlich mehr kaufen können.
Zweitens: Der Anstieg wachsenden materiellen Wohlstands geht zunehmend auf Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen.
Drittens: Die Reichen werden nicht reicher wegen ihrer harten Arbeit, Risiko- und Verantwortungsbereitschaft. Haupttreiber der wachsenden Vermögensungleichheit sind heutzutage Erbschaften und Schenkungen und dies lässt sich selbst nach liberalen Grundsätzen immer weniger rechtfertigen. Dagegen muss, um Chancengleichheit und Demokratie zu retten, dringend vorgegangen werden, auch und gerade mit drastischen Erbschafts- und Schenkungssteuern. Um diese, ebenso wie generell eine „Besteuerung nach Leistungsfähigkeit“ überhaupt durchsetzen zu können, müssen Vermögende Steuerbehörden gegenüber genauso transparent bezüglich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse sein wie abhängig Beschäftigte und Sozialhilfeempfänger. Eine Gleichbehandlung aller Steuersubjekte hier wäre der Anfangspunkt einer längst überfälligen Wende.
Belege und weiterführende Informationen unter Tax Justice & Poverty
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