Himmelfahrt Jesu, Maria im Kapitol, Köln, F: explizit.net

Das Gebet Jesu – eine Herausforderung

Beten ist eine zarte Pflanze, die zu einem großen Gewächs herangezüchtet werden will. Ein Kind betet anders als ein erwachsener Mensch. Und ein Mensch betet anders als Gott betet. Die Bibel ist eine Schule des Gebetes, die vom Kinde an bis zum Erwachsenen führt und darüber hinaus: wie Gott selbst betet. Wir sind vielleicht beim erwachsenen Gebet angekommen. Aber Jesus übersteigt das erwachsene Gebet. Sein Gebet ist das Gebet Gottes. Sein Gebet ist der Gipfel allen Betens.

Gerne fällt der mündige Christ in die Falle: «Ich weiß, wie das mit dem Beten geht.» Er fühlt sich vertraut und gereift. Er fühlt sich erfahren und ausgelernt. Das Gebet Jesu erscheint ihm nicht fremd. Und doch muss es ihm fremd sein. Denn Jesus betet nicht wie Menschen beten, sondern wie Gott betet. Und Gott ist der große Unbekannte der Welt. Gott ist ein Rätsel, der ganz Andere.
Interessanterweise hört man oft, dass die Gebete während der Liturgie, die der Priester spricht, unverständlich sind. Jugendliche sagen das, aber auch sehr viele Erwachsene. Doch es sollte nicht verwundern: Der Priester spricht mit der Stimme Christi. Er betet nicht wie Menschen beten, sondern wie Christus betet. Daher ist das Gebet nicht leicht zu verstehen. Es fordert viel. Es fordert heraus.

Das Einfache kann das Wachsen im Gebet behindern

Wie geht man mit dem Problem um? Viele sagen: Lasst uns einfachere, verständlichere Gebete formulieren. Dann würden wir das Beten der Liturgie besser verstehen und es würde uns mehr mitnehmen. Wir könnten damit mehr anfangen. Andere sagen: Auch wenn ich es vielleicht nicht verstehe, so ist da doch etwas am Werk, was größer ist als mein Beten, mein Verstand. Geben wir doch dem Beten Jesu mehr Raum. Vielleicht entfaltet es sich in mir, wenn ich geduldig daran festhalte.
Der erste Weg führt zurück zum bloß erwachsenen Beten. Er führt nicht herauf zum göttlichen Gebet, sondern fällt herab zum rein menschlichen Gebet. Er nimmt die Spannung und die Fremdheit Gottes. Der zweite Weg zieht hinauf zum Gebet Gottes. Er bleibt in der Spannung und Fremdheit. Die Jünger Jesu standen ständig in dieser Situation. Jesus führte sie auf einen Berg und es passierten Dinge, die sie nicht verstanden. Erst nach vielen Monaten der Wanderschaft mit Jesus und schließlich nach seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung begannen sie zu verstehen. Es ist ein langer Weg zum Gebet Jesu. Die Jünger hielten daran fest und lernten so zu beten, wie Jesus sie zu beten lehrte.

Im Beten Gott Raum geben

Der Apostel Paulus berichtet auch von dieser Spannung. Ihm selbst fehlen oft die Worte, die Richtung, wonach er sich orientieren soll. Sein Nachvollziehen, was zweifelsohne sehr groß ist, kommt an ein Ende im Gebet:  «Der Heilige Geist tritt für uns ein und redet in uns, wenn wir nicht wissen, worum wir bitten sollen.»
Das Problem liegt nicht im Verstand. Wir sollen mit Verstand beten. Das Problem liegt im Überlassen. Paulus gibt dem Heiligen Geist Raum, dass er sich entfalten kann. Er überlässt Gott die Führung und die Worte. Seine Wünsche treten in den Hintergrund. Selbst seine Sorgen und Nöte verlieren an Druck und Gewicht. Denn Gott kennt seine Kinder und weiß, was sie brauchen. Er weiß es viel besser als jeder Mensch. Das Hindernis des erwachsenen Betens liegt in der Engstirnigkeit des Menschen. Er möchte Gott diktieren, was er zu tun hat. Er bietet Gott nicht den Raum an, sich zu entfalten.
Der Mensch ist wie ein Raum, in dem Platz ist für seine Seele und auch Platz für die Seele Gottes, den Heiligen Geist. Bei Paulus ist genug Raum, damit sowohl er selbst als auch der Heilige Geist darin wohnen können. Er wohnt mit Gott zusammen. Das göttliche Beten lebt im gemeinsamen Wohnraum.

Der Heilige Geist lebt mit dem Selbst zusammen

Das rein menschliche Beten macht Gott klein. Da ist kein Platz für den Heiligen Geist. Der Raum ist ganz angefüllt vom eigenen Selbst. Wie soll da jemand anderes Platz finden?
Der Heilige Geist ist ein Gentleman: Wenn das Selbst den Raum nicht gewähren will, dann nimmt er sich ihn nicht. Er ist kein Einbrecher und auch kein Tyrann. Er lässt den Raum für das Selbst zu. Er will gefragt werden. Nur dann nimmt er auch Wohnung und lebt mit dem Selbst zusammen. Dann kann es ein gutes Gespräch miteinander werden.
Das wichtigste am göttlichen Beten ist daher: Gottes Geist einladen, Wohnung zu nehmen. Er nimmt sie an und verwandelt dann das erwachsene Gebet in das göttliche Gebet. Wie die Jünger Jesu führt er uns nach und nach ein in das Beten Jesu. Dann wird das Gebet des Priesters in der Liturgie auch immer verständlicher. Denn das Beten nimmt uns mit. Nicht weil wir es vielleicht besser verstehen, sondern weil er uns mitnimmt: Wir beten zusammen mit dem Heiligen Geist.



Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang