St. Lorenz Nürnberg, F: explizit.net E.B.

Das Brotwunder: Einführung in das Leben in Fülle

Im Zentrum der Liturgie steht das eucharistische Brot: das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. So wie das Brot des Abendmahls ein Geheimnis ist, und daher uns immer unverständlicher als verständlich bleibt, so ist auch das Brot der Brotvermehrung ein Geheimnis.

Manches kann man entschlüsseln, manches bleibt verschlossen. Mit jeder Lektüre taucht man tiefer hinab in das Geheimnis und man kann neue, wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Wir wollen einige dieser Geheimnisse entschlüsseln: das Paschafest, Philipp und Andreas, der Kaufpreis des Brotes, der Überfluss, die Körbe und das Königtum.
Jesus nimmt die Gaben des Volkes, segnet sie und teilt sie aus, damit das Volk satt wird. Dabei werden die Menschen Zeugen eines Wunders: Die wenigen Brote und Fische reichen, um eine große Menge zu speisen. Wenn die Gemeinde sich versammelt, bringen sie auch ihre Gaben ein und Jesus vermehrt sie, damit alle daran teilhaben. Doch es geht um mehr: Jesus selbst bereitet das geistliche Leben aus der Eucharistie.

Brotvermehrung und Paschafest

Die Evangelisten kommen aus einer Kultur des gesprochenen Wortes. Geschichten erzählen ist die große Kunst des Orients. Jeder Satz ist voller Bedeutung und nicht einfach Ausschmückung. Der Evangelist berichtet daher genau über Ort und Zeit: Das Brotwunder findet auf einem Berg statt und der Text weist auf das nahende Paschafest hin, das große Gedenken des Auszuges aus Ägypten und die Feier des Paschamahls, bei der das Lamm geschlachtet, zerteilt und verzehrt wird, ist nahe. Zeit und Ort verweisen auf ein ähnliches Ereignis: das neue Pascha. Das ist der Leidensweg Jesu auf dem Kalvarienberg.
Dieses Ereignis soll der Leser im Hinterkopf haben. Zwar werden auch die Evangelien von links nach rechts gelesen und folgen einem zeitlichen Ablauf. Doch die Szene des Lebens Jesu werden nur richtig verstanden, wenn man von rechts nach links liest. Von Leiden, Tod und Auferstehung her erhalten die Berichte eine andere Bedeutung. So auch das Brotwunder.

Philipp und Andreas

In den meisten Szenen aus dem Leben Jesu tritt ein Jünger besonders hervor: Petrus. Diesmal aber tritt er in den Hintergrund. Er fehlt auffällig. Dagegen fängt Jesus ein Gespräch mit Philippus und Andreas an. Warum gerade mit diesen beiden? Beim Einzug in Jerusalem (Joh 12,20ff) tauchen sie noch einmal gemeinsam auf. Auch dort war das Pascha nahe und es kommen Heiden, also Menschen, die sich auf Griechisch verständigen, nach Jerusalem, um sich das Fest anzuschauen und Gott anzubeten. Sie wollen Jesus sehen und wenden sich an Philippus und Andreas, denn sie sind die beiden Jünger mit griechischen Namen.
Uns Lesern will das sagen: „Lest das Brotwunder bitte im Kontext vom Einzug in Jerusalem.“ Diese beiden Stellen erhellen sich gegenseitig.
Philipp und Andreas entgegnen Jesus mit Einwänden: Ein Jahresgehalt würde nicht reichen, um Brot zu kaufen und die Leute satt zu kriegen. Fünf Brote, zwei Fische –  nichts für diese Menge. Es sind vernünftige Einwände; Einwände der griechischen Philosophen. Philipp und Andreas lernen, dass ihre Entgegnung vor Jesus scheitert. Sie hätten ja Recht, wenn Jesus nur ein Mensch wäre. Doch Jesus ist nicht nur ein Mensch. So wie sich Philipp und Andreas bei der Brotvermehrung irren, so irren sich die griechischen Weisheitslehrer, wenn sie vor Jesus stehen.
So ist der Weg des Brotes, die Eucharistie, ein Weg aus dem Irrtum. Wer vor dem Brote kniet, der darf alle seine vernünftigen Einwände vor Jesus tragen. Und er wird ähnliches erleben, wie Philipp und Andreas: ein Brotwunder.

Kaufpreis für das Brot

Jesus fragt Philippus, wo man Brot kaufen könnte. Dieser antwortet: 200 Denare - das ist ein Jahreslohn - würden nicht ausreichen. Das Brot, um das es in der Brotvermehrung geht, hat also einen Preis. Ein Jahreslohn wäre zu wenig. Welcher Preis wäre denn nötig, um die Menge zu speisen? Beim Einzug in Jerusalem spricht Jesus auch von einem Preis: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein.“ Der Kaufpreis für das Brot Jesu ist nicht ein Jahreslohn. Sein Preisschild: ein ganzes Leben, nämlich das Leben Jesu.
Dieser Aspekt der Eucharistie ist den wenigsten bekannt. Es macht einen Unterschied: eine Backoblate für ein paar Cent oder der Leib Christi für ein ganzes Leben. Und das sagt auch: Was auch immer du dir kaufst, Kleidung, Häuser, Kreuzfahrten, ein ruhiges Gewissen durch Almosen – es reicht nicht. Kein Jahreslohn, wie auch immer du ihn verwendest, er macht dich nicht satt. Was dich glücklich und zufrieden und erfüllt macht, hat einen Preis, den niemand zahlen kann: das Leben Jesu.

Unvergänglicher Überfluss

Eigentlich könnte nach der Speisung der Bericht enden. Es sind ja alle satt geworden. Doch Jesus weist die Jünger an, den Rest aufzusammeln. Warum tut er das? Damit es nicht vergeht. Alle Dinge dieser Welt vergehen. Nichts hat Bestand, nichts bleibt. Nur dieses Brot vergeht nicht. Es überdauert die Zeit, es geht durch die Zeit.
Die Eucharistie ist kein Brot, das vergeht. Der Priester konsekriert nicht hier und jetzt irgendeine Oblate. Sonst wäre es ein Brot, was vergeht. Es hätte einen Anfang und auch ein Ende. Doch nein: Es ist der gleiche Christus, der das Eine Brot und den Einen Wein zu seinem Einen Leib und seinem Einen Blut verwandelt. Es ist Ein unvergängliches Brot. Es ist Ein Abendmahl. Was auf dem Altar liegt, lag – wenn man es bildlich sagen will – bereits beim letzten Abendmahl Jesu auf dem Tisch und ging durch seine Hände.

Die 12 Körbe

Daher sammeln die Jünger die Brotstücke in Körben. Es sind zwölf Körbe wie die Jünger zwölf an der Zahl sind. So Jesus das Brot austeilen lässt, wie er sein Leben austeilen lässt, so sammeln die Jünger das Leben Jesu, wie die Körbe das Brot aufnehmen. Die Jünger sind lebendige Körbe des Lebens Jesu. Sie sind die Gefäße, aus denen Jesus austeilt. Das ist der Sinn der Kirche. Die Kirche beruht auf den Aposteln, auf den Körben des Lebens Jesu. Die Kirche teilt daher nicht ihr eigenes Leben aus. Sie hat nichts aus sich heraus. Nur das Leben Jesu, das Brot des Lebens, hat sie empfangen und davon gibt sie ohne Maß.

Flucht vor dem Königtum

Am Ende des Brotwunders sind die Leute so begeistert, dass sie in Jesus den verheißenen König für Israel sehen. Sie wollen ihn daher krönen. Am Ende des Leidensweges - die Stunde der Herrlichkeit Jesu ist gekommen – wird Jesus wirklich gekrönt. Sie setzen ihm die Dornenkrone auf. Doch sein Königtum ist nicht von dieser Welt. Bei dem Einzug in Jerusalem sagt er: „Wo ich bin, da wird auch mein Diener sein.“ Jesus herrscht über die Körbe. Sein Leben liegt in den Aposteln verborgen. Wer das Brot des Lebens isst, der wird zu einem solchen Korb wie die Apostel. Der Jünger wird durch Jesus zum Tempel und zum Thronsaal Gottes.


Kategorie: Kirche

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang