(explizit.net) Frankreich stehe im Krieg mit dem radikalen Islam, erklärte Premier Manuel Valls am Samstag in Évry, südlich von Paris. Das sei ein Krieg, erläuterte er am 10. Januar, gegen Terrorismus, Jihadismus, Radikalislam und alles, was gegen Brüderlichkeit, Freiheit und Solidarität gerichtet wäre. Laut Nachrichtenagentur AFP stellten sich am Folgetag bis zu vier Millionen Pariser hinter ihre Regierung und das satirische Wochenmagazin „Charlie Hebdo“, Terrorangriffe von Mittwoch bis Freitag auf die Pressefreiheit, jüdischen Bürger und Demokratie abweisend. Drei Islamisten töteten 17 Franzosen: zehn Redakteure, zwei Polizisten, eine Polizistin und vier jüdische Geiseln. Ganz im satirischen Stil des Journals trug Sonntag ein Pariser sein Plakat mit diesem Text: „Charlie Akbar“, Charlie ist größer.
Wie gewohnt erscheint das Journal am heutigen Montag, das am 8. August 2006 auch die zwölf Muhammad-Karikaturen aus dem dänischen Tageblatt „Jyllands-Posten“ vom 30. September 2005 nachdruckte. Einst wie heute löste dieser „Karikaturenstreit“ weltweite Proteste und gewaltsame Attacken aus. Wie den Brandanschlag am Sonntag gegen die Hamburger Morgenpost, die aus Solidarität mit „Charlie Hebdo“ eine Auswahl von drei Skizzen publiziert hatte. Vielen geht es um die demokratische Pressefreiheit und das Stilmittel der Satire, manchen um die Unversehrtheit des Propheten samt Bilderverbot.
Solidarisch
Durch die machtvolle Pariser Demonstration erhielten die Islamisten eine tiefgreifende Abfuhr. Die Gebrüder Said und Sharif Kuwashi stürmten Mittwoch kurz vor Mittag die Redaktion und exekutierten zehn der bekanntesten Redakteure unter Ausrufung ihrer Namen. Wie das Webvideo der Aktion zeigt, erschossen sie auch kaltblütig einen auf der Straße liegenden verwundeten Polizisten, der seine Hände hochhielt. Die Brüder erklärten sich zu al-Qaida in Arabien. Einer hat wohl in Jemen den Anwerber Anwar al-Aulaqi getroffen. Diesen US-Bürger und Jemeniten tötete am 30. September 2011 eine Drohne.
In einem Bekennervideo erklärte sich der dritte Terrorist Abdullah (Abdi) Kulibali in Kampfweste vor der bekannten schwarzen Fahne zum Bagdader „Kalifen Ibrahim“. Darin meinte er, seine Tat sei völlig gerechtfertigt, da er den Propheten räche. „Wir, der Islamstaat, greifen Euch an.“ Donnerstag nahm er in einem Koscher-Supermarkt Geiseln. Die Geistesgegenwart des dortigen Angestellten Lassana Bathili, einem Muslim aus Mali, ist es zu verdanken, dass sich 15 Leute durch den Gefrierraum im Keller retten konnten. Inzwischen forderte Kulibali, die Brüder freizulassen. Als diese am Freitagabend ihren Zufluchtsort am Rande von Paris verließen, dem Kugelhagel erlagen und die Polizei den Markt stürmte, erschoss Kulibali vier jüdische Geiseln, ehe er selbst getötet wurde. Seine Gefährtin Hayat Bumadyan ist flüchtig und soll aus der Türkei nach Syrien gegangen sein.
Präsident François Hollande bat die Grand Nation, zusammenzuhalten. Trotz der durch Beobachter geäußerten Sorgen über Bürgerkriegs ähnliche Verhältnisse, haben sie dies Sonntag einmalig geleistet. Zu ihnen gesellten sich 40 Führer anderer Nationen, darunter Premier David Cameron, Kanzlerin Angela Merkel, Premier Benjamin Netanjahu und Präsident Mahmud Abbas. Abends nahmen einige am ökumenischen Gottesdienst in der Großen Synagoge von Paris teil. Als es darauf ankam, standen sie den Franzosen und den Grundwerten der freiheitlichen Grundordnung bei. Hierin liegt unendlich viel Symbolik.
Extremismus
Präsident Obama fehlte in Paris. Er delegierte den Generalbundesanwalt Eric H. Holder. Beide fielen dadurch auf, die Natur des aktuellen Globalkriegs gegen Islamismus nur sehr ungenau bestimmen zu wollen, sondern herunterzuspielen, eigene Kräfte zu schwächen. So verwunderte es auch nicht, dass Holder in Paris lediglich von Terroristen sprach, statt das angebrachtere Adjektiv „islamistisch“ zu benutzen. Schließlich rang er sich dazu durch, dass Amerika im Kriege mit Terroristen stehe, die den Islam korrumpiert hätten.
Im Hinblick auf das Pariser Massaker sprach Barack H. Obama am Mittwoch von der „sinnlosen Gewalt einiger Weniger“. Irgendeine Verbindung zum Islam kam wie immer nicht über seine Lippen. Vor den Vereinten Nationen, deren Sicherheitsrat nicht minder in die Irre führende Formulierungen abgibt, fiel der Präsident im Streit um das angeblich für die Angriffe auf Benghazi und drei Dutzend US-Botschaften in Mittelost maßgebliche Kurzvideo dadurch auf, indem er, anstatt die Werte der Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen, dort im September 2012 erklärte, die Zukunft gehöre nicht jenen, die den Propheten verhöhnen. Damit lenkte er kurz vor den Wahlen vom eigenen Versagen ab.
In der Öffentlichkeit ist dies hochgekocht wie auch die Mankos seiner Mittelostpolitik. Sein Fehlen in Paris spricht Bände, zumal in Amerika viele Defizite erörtert werden: der halbherzige Krieg gegen den „Islamstaat“; das frühe Abziehen aus Irak, das erst dessen Aufstieg ermöglichte; keine Führerschaft in der Bildung von globalen Koalitionen, die über den engen Antiterrorkurs eine Politik des Antiislamismus und der Dejihadisierung verfolgen; Brüche mit Israel, Ägypten und Golfstaaten; Fehler mit Iran, das nach Nukes greifen und Proxys zwischen Libanon, Irak und Jemen anführen kann. Da ruft das Weiße Haus zu einem Anti-Extremismus-Gipfel am 18. Februar auf. Was für eine Bezeichnung.
Ein Winston S. Churchill fehlt. Cameron hat viele no-go zones daheim. Ein unhaltbarer Verlust an Souveränität. Die grünen Inseln sind Rekrutierungsbasen. Wie bei Franzosen oder Deutschen. Bald wird dies sehr drängen. Berlin schafft sich noch ein Problem. Zwar meinte Angela Merkel, es gebe „vereinzelt Kräfte“, die sich Jihadisten anschlossen. Mit der „über-übergroßen Mehrheit der Muslime gebe es ein sehr gutes Verhältnis“. „Alle“ hätten sich gegen die Pariser Terrorangriffe geäußert. Doch sieht ein Volksteil die Lage anders. Jene, die montags dem Banner der Pegida folgen. Ihnen schlägt die Verurteilung durch Medien und Merkel entgegen. Der Punkt liegt weniger in deren Haltung, sondern die Regierung versagt, ihnen klar darzutun, worum es da global, regional und lokal geht.
Wie Obama drückt sich Merkel um stimmige Analysen. Sie schiebt alles auf „Vorurteile, Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen". „Heute rufen manche montags wieder 'Wir sind das Volk'. Aber tatsächlich meinen Sie: Ihr gehört nicht dazu – wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion". Sicher ist Menschen in der Not zu helfen. Aber nicht alle Probleme der Welt kann Deutschland lösen. Merkel fehlt eine effektive Mittelostpolitik. Trottet sie Obama nach? Absehbar folgen nun Wellen aus dem mittelöstlichen Chaos. Da sie nichts vorhersah, nennt sie mögliche Wähler nur Rassisten. Wenigen geht es um Hautfarbe oder Islam. Sondern um Folgen der Ideologie des Islamismus. Wird sie dies endlich erkennen? Vor 25 Jahren begehrte sie noch im Volke auf. Jetzt agiert sie wie einstige Herrscher. Sie mag Kairos Abd al-Fattah as-Sisi fragen, der jene aller Welt feindliche Ideologie verwarf.
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!