Wahl des Präsidenten Österreichs. Norbert Hofer, für die freiheitlichen Partei im Präsidium des Nationalrates, tritt gegen Prof. Alexander van der Bellen an. Letzterer als nominell unabhängiger Kandidat war lange Jahre Bundessprecher der Grünen Alternative. Für eine Stichwahl ist die politische Herkunft der Kandidaten sehr ungewöhnlich. Die beiden großen Parteien brachten ihre Kandidaten nicht auf einen vorderen Platz. Vieles ist in Bewegung im politischen System Österreichs. Manche Ähnlichkeiten zur Staatskrise 1934 drängen sich auf. Die SPÖ, aber noch mehr die ÖVP und die katholische Kirche Österreich sind von der Entwicklung überrollt.
Der Amtsvorgänger Heinz Fischer
Heinz Fischer von der SPÖ wurde zweimal zum Bundespräsidenten gewählt. Beim ersten Mal gewann er einen sehr engen Wahlkampf gegen die Kandidatin der ÖVP , Außenministerin und dann EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner. Beim zweiten Mal hatte er keine nennenswerten Gegenkandidaten, da die ÖVP auf eigenen Kandidaten verzichtete. E gewann bereits in der ersten Runde der Wahl.
Heinz Fischer symbolisiert die Hoch-Zeit der Republik Österreich, vor allem was die außenpolitische Wirkung betrifft, vor allem in den 70ern unter dem SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky. Heinz Fischer ging bei ihm in die „Lehre“. Fischer war in der damaligen Zeit ein deutlich linker Politiker, der sich nicht scheute, auch einen Simon Wiesenthal zu attackieren. Aus dieser Zeit ist er für Teile der ÖVP immer noch ein großes Feindbild.
Bruno Kreisky sagte über Heinz Fischer: „Immer wenn man ihn braucht ist er am Klo. Dieser Satz hat in Österreich fast schon den Status eines „tu felix austria“ erreicht. Hintergrund des Ärgers Kreiskys war, dass sich Heinz Fischer einer wichtigen und für ihn unangenehmen Abstimmung entzog. Heinz Fischer hatte also die letzten Feinheiten des großen Politikers Kreiskys gelernt.
Er setzte auch in seiner Amtszeit deutliche politische Zeichen und war ähnlich wie Kreisky außenpolitisch geschätzt und aktiv. Seine Amtsführung als Bundespräsident wird rückblickend von der Politik außer der FPÖ als vorbildlich eingeordnet.
Die Kandidaten für die Wahl 2016
Die Findung der Kandidaten für den Nachfolger war ungewöhnlich. Zum einen traten viele Kandidaten an, auch unabhängige und überraschende. Vor allem führten die ÖVP und SPÖ nicht den oder die besten der eigenen Kandidaten an.
So trat für die ÖVP der Kandidat überraschend nicht an, der erwartet wurde und dem man gute Siegchancen zuschrieb; Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich und mächtigster Politiker in der ÖVP. An seiner Stelle kandidierte Andreas Khol, ein sehr honoriger und kluger Politiker. Aber er war ein Symbol der Regierung Schüssel Anfang der 2000er und von daher unbeliebt.
Für die SPÖ trat Rudolf Hundstorfer an, Sozialminister und langgedienter SPÖ-Funktionär. Hundstorfer, ein integrer und kluger Politiker, war aber zu farblos und kampagnenschwach, um gewinnen zu können.
Als unabhängige Kandidatin trat Irmgard Griss an. Sie war vormals Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Vorsitzende der Untersuchungskommission zur Hypo Alpe Adria Bank. Durch letzteres glaubte sie trotz fehlender politischer Erfahrung kandidieren zu sollen. Die neu gegründete Partei der Neos, eine moderne Abspaltung der ÖVP, unterstützte sie.
Als unabhängiger Kandidat trat wie schon 2004 Richard Lugner an. Einer der großen Bauunternehmer Österreichs, „bunter Hund“ der Society – Opernball. Seine aktuelle Ehefrau hat das Alter seiner Enkelkinder. Lugner führte er einen sehr klugen aber auch satirischen oder vielleicht sogar anarchischen Wahlkampf. Unvergessen seine erste Pressekonferenz, in der er sich eine Kritik aufnehmend, als Kasperl darstellte. Die anderen Kandidaten bekamen die Rollen des Krokodils etc. zugewiesen.
All diese Kandidaten schieden in der ersten Runde am 17.4 aus. Die Kandidaten der Volksparteien ÖVP und SPÖ erreichten dabei jeweils nur gut 10% der Stimmen. Die Ergebnisse der Stichwahl waren für die Großparteien ÖVP und SPÖ überraschend und verheerend schlecht. Bisher schien es selbstverständlich, den eigenen Kandidaten in die Stichwahl zu bringen, war äußerst selten. Im Vorfeld der Wahl hatte die Regierung ihre Flüchtlingspolitik geändert, weg von der Willkommenskultur hin zu Obergrenzen. Gerade die SPÖ zerriss dieser Wechsel fast. In Folge trat Werner Faymann als Kanzler zurück. Seit einigen Tagen ist der Chef der Österreichischen Bahn, Christian Kern, Kanzler.
Die zwei Kandidaten für die Stichwahl
Nach der ersten Runde der Wahl verblieben die Kandidaten Alexander van der Bellen (21% der Stimmen) und Norbert Hofer (35% der Stimmen).
Alexander van der Bellen, Professor für Wirtschaft, war lange Zeit Vorsitzender der Partei der Grünen. Ihm gelang, die die Wählerschichten der Grünen ins bürgerliche Umfeld zu erweitern. Was ihm nicht gelang, war eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene, insbesondere die mögliche schwarz-grüne Koalition nach der Nationalratswahl 2002.
Norbert Hofer ehemals Flugzeugtechniker ist, entsprechend dem aktuellen Stimmenverhältnis, dritter Nationalratspräsident. Er ist Mitglied der FPÖ und einer der Verfasser des Parteiprogramms.
Das Selbstverständnis der FPÖ
Die FPÖ ist vor allem eine Partei des 19 Jahrhunderts. Ihre Kernaussagen sind großdeutsche Nation – die Nation Österreich wurde oder wird bestritten. Weiter gehört zu dem liberalen Erbe ein Antiklerikalismus. Führende Protagonisten kommen aus den schlagenden Verbindungen wie z.B. der Olympia. Auch entstammen viele dem großbürgerlichen Milieu v.a. Gegenden wie Kärnten, die als eine der wenigen Österreichs nicht rekatholisiert wurden. Es spielen einige FPÖ Politiker mit rechten Positionen, insbesondere mit der Nähe des Nationalsozialismus. Aber das ist eher als Rabulistik anzusehen.
Die Positionierung der SPÖ und ÖVP zur FPÖ
Die ÖVP ist zumindest in einigen Teilen noch eine Nachfolgepartei des Ständestaates, der bis zum sog. Anschluss Österreichs 1938 bestand, an das Deutsche Reich. Ein Bild des 1934 ermordeten Regierungschefs Dolfuß steht im Parlamentsklub der Partei. Dieses Dilemma zeigt sich auch im Verhältnis zur FPÖ. Man hat gemeinsame wirtschaftliche Interesse gegen linke Parteien wie die SPÖ. Gleichzeitig widerspricht der Antiklerikalismus in der FPÖ stark einer ÖVP, die sich auch durch Protagonisten in katholischen Studentenverbindungen kirchlich verortet sieht.
Die SPÖ hat gemeinsame Interessen mit der FPÖ vor allem aus der Historie eines Kampfes gegen den Ständestaat und ähnlicher Ideen, wenn sie sich in der ÖVP noch finden. Auch Verteilungsfragen gegen die wirtschaftlich monopolartige Macht des ÖVP-Umfeldes wie Raiffeisenkonzern verbünden SPÖ und FPÖ.
Aussichten für die Stichwahl
Hofer hat einen großen Vorsprung. Dieser wird schmelzen. Ob er gewinnt, hängt aber davon ab, wie sich vor allem die ÖVP zur Stichwahl aufstellt. Ist der Kampf gegen linke Positionen oder aber der gegen demokratiefeindliche Positionen wichtiger. Das ist fast die Gemengelage des Jahres 1934 oder 1938. Wird die ÖVP sich notfalls bereit ist mit den linken gegen rechte Parteien zu verbinden?
Uli Spreitzer
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