(explizit.net) Führer der al-Qaida und ihrer Ableger möchten den August zum Terrormonat machen, indem sie in Mittelost westliche Einrichtungen angreifen. Das war am Freitag das Fazit aus Lausch- und Webaktionen am Potomac. Sonntag wurden gefährdete US-Vertretungenin 22 Islamländern bis zu einer Woche geschlossen. London, Paris und Berlin zogen nach, indem sie Repräsentationen im Jemen schlossen. Al-Qaidachef Aiman az-Zawahiri rief am Dienstag in Websites auf, auch als Antwort auf Drohnen in Pakistan und Jemen anzugreifen. Als Auftakt gelang es al-Qaida im Juli, ihre Jihadis aus den Gefängnissen zuholen, darunter hunderte im Irak und Pakistan sowie über 1.000 im libyschen Benghazi.
Mittwochabend endet der Fastenmonat Ramadan. Muslime begehen das Fest Id al-Fitr im Fastenbrechen. Sie treffen ihre Familien und tafeln. Anderntags gehen zumeist Männer in Moscheen. Dort beten sie, hören Festpredigten und treffen dann ihre Verwandten. Je nach Tradition, ist es ein Tag, an dem man der Toten gedenkt, darunter auf dem Friedhof al-Qarafa am Ostrand Kairos. Zugleich gedenken viele ihrer 224 in Darassalam und Nairobi durch al-Qaida 1998 Getöteten: durch Bombenanschläge auf die beiden US-Botschaften.
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Krisen
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Laut Warnung des Statedepartment sind Touristen in Eisenbahnen, Metros, Fliegern und auf Schiffen gefährdet. Schnelle Reaktionskräfte des Afrika-Kommandos sind in Djibuti, im spanischen Morón und im italienischen Sigonella, um Krisen angehen zu können. Am 19. Februar erging bereits eine Warnung, daß al-Qaida multiregionale Anschläge plane. Die beschränken sich also nicht auf Mittelost. Doch läßt diese Botschaftsschließung nach der Geschichte solcher Aktionen und nach den aktuellen islamistischen Verlusten fragen.
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Botschaften sind als staatliche Außenposten Angriffspunkte. In Mittelost folgte dies oft dem arabisch-israelischen Konflikt. Im Sueskrieg 1956 wurde Personal am Nil evakuiert: Westdeutsche über Alexandria mit Schiffen, Ostdeutsche mit der Bahn über Luxor nach Khartum 2.000 Kilometer durch die Wüste, dann mit Schiffen. Notbesetzungen blieben.
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Anders war es 1967 im Junikrieg. Im Folgejahr rief das linksradikale Blatt „Al-Hadaf“ in Kuwait auf, 14 Fidaiyun samt Geldgebern zu finden, um in einst 14 arabischen Ländern alle US-Botschaften in die Luft zu sprengen, sollte Amerika Israel Waffen liefern. Indes im Krieg Westdeutsche evakuierten, wies Ostberlin am dritten Kriegstag an, dies nicht zu tun: Ägypter könnten es als Panik ansehen und es würde bei eigenen Bürgern zersetzend wirken. Ähnlich geriet ein Zwist am zwölften Jahrestag der 9/11-Angriffe in Benghazi. Der ermordete Botschafter J. Christopher Stevens als auch Washingtons Beamte wollten postrevolutionären Libyern eine „Normalität“ auch durch verminderte Sicherheit anzeigen.
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Die mit der al-Qaida liierte Ansar ash-Sharia erkannte dies und schlug zu. Jemand befahl stand-down, keine Rettung der Amerikaner durch Militärs. Hinzu kam eine Verwirrung. Denn diese Angriffe, die an dem Abend in drei Dutzend Ländern ihren Lauf nahmen, sind mit einem Webvideo begründet worden. Doch kamen die Übergriffe auf Botschaften nicht zufällig am zwölften Jahrestag von 9/11 auf. Daher mag die Administration ungewöhnlich mit Schließungen reagiert haben, um jeden Schaden zu vermeiden. Dies wirft Fragen auf.
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Hydra
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Welche Bedrohungslage rechtfertigt einen solchen Schritt? Wird der Tod gesagte Feind dies mißverstehen, sich ermutigt fühlen? Resultiert dies ebenso aus der Innenpolitik, wo Bürger wohl immer weniger bereit sind, Lausch- und Webangriffe zu ertragen? Umgekehrt, wäre das Aufdecken eines verheerenden Angriffs ein Argument zugunsten der starken Überwachung?
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Befindet sich der Mittelostkurs in einer Sackgasse, wo Drohnen zwar vermutete Terroristen treffen, jedoch weniger die dahinter steckende Ideologie, so daß es ein Köpfen der Hydra bleibt? Sollte es nicht weit über den Antiterrorkampf Programme gegen eine Ideologie geben, die stets weitere Jihadis erezugt? Wie heißt denn die Ideologie, gibt es eine nationale Agenda dagegen, die regionale und globale Allliierte vereint? Sie tragen die Hauptlast von innen, also Nichtislamisten wie Liberalmuslime und all die Andersdenkenden im mittelöstlichen Raum.
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Im Westen fallen gegenüber der Region zwei Fehler auf. Zum einen, in den Islamisten ganz normale Muslime zu sehen. Das sind sie nicht. Zwar zerfallen sie in diverse Lager, von den Salafisten über Moderate bis hin zu Anarchisten. Doch verkörpern sie laut Selbstdefinitionen den antimodernen Willen, allen ihren wahren Islam und Gottestaat von früher aufzuerlegen. Und sie unterscheiden sich in der Wahl ihrer Mittel und Taktik, um an dies Ziel zu kommen.
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Zum Beispiel gibt es jüngst Islamisten, die in Wahlen und Demokratie den Hebel sehen, um erst einmal an die Macht zu gelangen, die sie sicher nicht auf demselben Wahlweg verlassen würden. Dies verträgt sich nicht mit ihrer göttlichen Mission. Insofern erlitt in Bangladesch, wo gleichwohl die amerikanische Botschaft geschlossen worden war, ein Parallelverein der Muslimbrüder einen herben Schlag. Am Donnerstag verwehrte das Oberste Gericht Dhakas der größten Islamistenpartei Jamaat-e-Islami, sich an den Parlamentswahlen im Januar zu beteiligen. Abu al-Aala al-Maududi gründete die Jamaat Mitte 1941. Dieser Islamist trat bereits 1927 mit seiner Schrift Jihad im Islam hervor, die den Gottsstaat auch durch Jihad und Revolte propagiert hatte. Die Jamaat erkennt nicht das Volk als Souverän an, allein Gott, verwirft die säkulare Verfassung, die Unabhänigkeit und Gewählte als Gesetzgeber. Sechs ihrer Führer sind wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Krieg 1971 um die Unabhänigigkeit verurteilt worden. Die Jamaat griff zudem Hindus und Buddisten an.
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Umbewertung
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Prüft man, wie Ägypter in ihrer „Coupvolte“ Präsident Mursi als Mann der Muslimbrüder entmachteten, so hat der Islamismus zwischen Dhaka und Kairo viel verloren. Daher nun auch der Sturmlauf der al-Qaida. Jetzt zum zweiten westlichen Manko: Muslimbrüder als normale Gruppe zu sehen. Wie die Jamaat sind sie das nicht. Beide, Nachkriegskinder der Jihadisierung des Islam im Ersten Weltkrieg, sind Extreme. Trotz mancher Versuche und Dekaden, blieben sie Radikale. In Bangladesch wie in Ägypten fanden Einwohner wenig Probleme, deren Terror zu erkennen. Daß sie weit voran kamen, folgt aus vielen Punkten, nicht zuletzt das westliche Argument von der „Inklusion aller“ und von Wahlen, wo wie in Gaza die Umstände noch unreif waren. Deutsche mögen an ihre Weimarer Ära denken.
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Aus beiden Defiziten folgte ein Fehlansatz: Jamaat und Muslimbrüder wären repräsentativ, letztere an der Macht auf dem Weg zur Demokratie, also finanziell zu fördern. Umgekehrt, als Völker sie beschränkten, sprach man im Westen vom „Coup“. Außenminister John Kerry kehrte es um: Millionen baten das Militär, am Nil Demokratie wiederherzustellen. Zwar gab es dort davor keine Demokratie, doch ist dies ein Ansatz zur Neubewertung. Höchste Zeit.
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<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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