(explizit.net) Michelle Obama platzte der Kragen. Sonst politsch zurückhaltend, erklärte sie Samstag, den 10. Mai: „Barack und ich sehen in diesen Mädchen unsere eigenen Töchter.“ Sie wandte sich gegen das böse Treiben der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram – in Hausa „[West-]Bücher verboten“. Ihr Chef erklärte sich auf Video verantwortlich, 200 [276] Schulmädchen im April entführt zu haben und nun als Sklavinnen zu verkaufen. “#BringBackOurGirls”, ließ sich daher die Präsidentengattin für einen Tweet ablichten.
In ihrer Radiorede legte sie nach: diese Terroristen wollen verhindern, dass Mädchen eine Schulausbildung erhalten. Das Kidnappen sei kein isolierter Terrorakt, sondern es gebe ein globales Muster, wobei die Töchter missbraucht werden. Sie hält Amerikaner an, zu handeln, auf die junge Pakistanerin Malala Yousafzai verweisend, der ein Taliban in den Kopf schoss. Aber was können, was sollen Politiker tun, was lehren ihre Reaktionen? Das soll ein Unterhauskomitee seit dem 2. Mai zu Benghazis Botschaftermord untersuchen. Das Schicksal der nigerianischen Schulmädchen, so wieder Michelle Obama, möge die Amerikaner inspirieren, aufzustehen für das, was richtig ist, und nicht nur in den Zeiten von Tragödien oder Krisen, sondern auf lange Hinsicht. Die betroffenen Familien ringen (seit dem 14. April) um ihre Kinder. Alle mögen einen Teil von deren Mut aufbringen und dafür kämpfen, dass jedes Mädchen auf dieser Erde eine Erziehung als sein Geburtsrecht erhalte.
Überfordert
In diesem Sinne sandte der Präsident ein Expertenteam nach Abuja, wo sein Amtskollege Goodluck Jonathan Nigeria unter dem Angriff von Islamisten darstellt und schwor, dieses Kidnappen sei der Anfang vom Ende des Terrorismus in seinem Land. Aber er sagte vor dem Weltökonomischen Forum am 8. Mai nicht, wie er dies denn bewerkstelligen wolle. Indessen hört man aus seinem Staat, dass Boko Haram an der Grenze zu Kamerun über 100 „Ungläubige“ getötet habe. Laut Jonathan sei der Extremismus ein relativ neues und fremdes Phänomen. Er würde eine Sicherheitsstruktur aufbauen. Vieles von dem, was Nigerias Präsident sagt, zeigt an, dass er und seine Leute überfordert oder unfähig sind.
Der Chef von Boko Haram, Abu Bakr Shikau, erklärte ihm in einem Video am 19. April: „Jonathan, Du bist zu klein für uns. Daher wenden wir uns Deinen Meistern wie Obama zu.“ Abermals mordeten sie am 7. Mai. Dutzende Terroristen in Tarnuniformen und mit Maschinengewehren AK-47 fielen in das Dorf Gamboru Ngala ein, riefen laut Texten der New York Times „Allah ist groß“ und ermordeten alle, die ihnen nur in den Weg kamen.
Sie verwüsteten den Ort mit 3.000 Einwohnern. Dort, an der Grenze zu Kamerun, zählte man 336 Tote, darunter 18 Polizeioffiziere. In Webseiten wenden sich angeblich sogar Islamisten al-Qaidas davon ab. Andere behaupten, einer von Boko Haram, so wieder die Times, meinte, „wie der laufende Koran auf Erden zu wirken“. Studenten bildeten Boko Haram kurz nach dem Millennium. Ihr Gründer Muhammad Yusuf habe sie radikalisiert, westliche Bücher verboten und Zweckehen mit Islamistengruppen wie al-Qaida in ganz Afrika angestrebt. Im Juli 2009 traten sie durch ihren Anschlag auf die Moschee von Bauchi hervor – 55 Tote. Anderntags erzeugte die staatliche Reaktion mehr als 700 Tote. Yusuf wurde dort vor laufenden Kameras exekutiert, „wofür sich seine Leute rächen.“
Was tun?
Überall bietet sich ein Bild, wie es Tony Blair am 23. April darstellte. Eine radikalisierte Ideologie, der Islamismus, der des Islams wahre Botschaft verdrehe, liege im Herzen der Mittelostkrise. Die Bedrohung durch diesen radikalen Islam wachse global, destabilisiere Gemeinden, Nationen – wie Nigeria – und zerstöre Potenzen der friedlichen Koexistenz in der Globalära. Der Westen zögere, die Gefahr anzuerkennen und erscheine machtlos, ihr effektiv zu begegnen. Hinzu kommen versagende Staaten, Revolten und Sektenkriege.
In der Tat, westliche Politiker reagierten entweder aggressiv durch Krieg, defensiv durch Beschwichtigung oder irgendwo in der Mitte durch eine Mischung aus Verlockungen und Druck. Viele erkennen nicht die Natur der Bedrohung. Oder diese ideologische Medaille mit zwei Seiten: Terror und Islamismus. Andere wandten sich nur gegen Terroristen, aber nicht gegen die sie tragende Weltsicht. Doch ist das ideologische Ringen von Vertretern der Moderne und der Antimoderne der springende Punkt. Andere Politiker glauben, dem durch Stillschweigen oder den „Dialog mit dem Islam“ zu entgehen, darunter in Berlin.
Weitere wirken so besänftigend, dass sie als Chefs von Administrationen einfach Begriffe wie „islamische Terroristen, radikale Islamisten oder Jihadis“ unter der argen Maßgabe verboten haben, dies würde „alle Muslime beleidigen“. Dabei sind es viele Muslime, die durch die Ideologen und ihren Aktivisten böse betroffen werden, siehe Malala Yousafzai. Aber Muslime sind es, die den Löwenanteil dieser Auseinandersetzung gegen ihre ewig Gestrigen auszufechten haben. Demokratische Politiker können ihnen allein helfen oder auch im Wege stehen, was heute sicher als besonders enttäuschend und nachteilig wirkt.
Benghazi
Michelle Obama jedenfalls hat diesen Weg nicht gewählt. Sie ist aufgestanden und hat Terroristen als solche benannt wie die globalen Dimensionen dieser Auseinandersetzung. Sie geht ihren eigenen Weg. Denn ihr Mann hatte allen in seiner Administration völlig unsinnige Sprachregelungen auferlegt, die er am Ende nicht durchzuhalten vermochte. Plötzlich, wenn noch verdeckt, sprach er nach dem Anschlag auf die Mission in Benghazi vom Terrorismus. Dies war am 12. September 2012, einen Tag nach dem Anschlag und 56 Tage vor seiner erhofften Wiederwahl. Aber er erklärte parallel als seine Wahllosung, „Usama Bin Ladin ist tot und al-Qaida dezimiert“. Wie passte da der Anschlag der liierten Ansar ash-Sharia ins Bild? Wider besseren Wissens galt ein „anitiislamisches Video“ am elften Jahrestag von 9/11 als schuldig, wie UN-Botschafterin Susan E. Rice allen erklärte.
Die Sprachregelungen, wo man Hinweise auf vorab geplante Terrorakte durch Islamisten ansagte und dann registrierte, wurden nun „Video frisiert“. Dies erhellten fünf Komitees im Unterhaus und eines im Oberhaus. Voll scheint das Licht noch nicht durch, was davor, dabei und danach lief. Kein Terrorist wurde gefasst. Angeblich wies es Obamas einstige Außenministerin Hillary R. Clinton auf der Verhüllungsspur ab, Boko Haram als Verein des Terrors einzustufen. Mike Morell, Ex-Vizechef der CIA, erklärte am 2. April, aus den
<emphasize>talking points</emphasize>
beim Wort „Terror“ das Adjektiv „islamisch“ gestrichen zu haben. Er und Clinton lagen auf Obamas Linie. Mit Folgen in Benghazis Botschaftermord und bei Boko Haram. Am 30. April kam die gezielte Irreführung heraus. Nun wirkt das siebte Komitee. Lernte der Präsident daraus? Am 28. Mai erklärt er seine neue Linen in der Außenpolitik.
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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