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Blair und der Islamismus

Mittwoch hielt Tony Blair eine Schlüsselrede im Londoner Office von Bloomberg TV. Der Mann, der seit 1997 eine Dekade britischer Premier war und danach offen römisch-katholisch konvertierte, ist seither Mittelost-Sondergesandter des Quartetts aus Amerika, Rußland, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen. In der Ansprache am 23. April behauptete er dreierlei: eine radikalisierte Ideologie des Islams, die dessen wahre Botschaft verdrehe, liege im Herzen der heutigen Mittelostkrise. Die Bedrohung durch den radikalen Islam wachse global, destabilisiere Gemeinden, gar Nationen, und zerstöre Potenzen der friedlichen Koexistenz in der Ära der Globalisierung. Schließlich zögere der Westen, die Gefahr anzuerkennen und erscheine machtlos, ihr effektiv zu begegnen. Mit dem Text vom selben Tag im „The Spectator“ erhelle ich Blairs ungewöhnlichen Ansatz.

Mittwoch hielt Tony Blair eine Schlüsselrede im Londoner Office von Bloomberg TV. Der Mann, der seit 1997 eine Dekade britischer Premier war und danach offen römisch-katholisch konvertierte, ist seither Mittelost-Sondergesandter des Quartetts aus Amerika, Rußland, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen. In der Ansprache am 23. April behauptete er dreierlei: eine radikalisierte Ideologie des Islams, die dessen wahre Botschaft verdrehe, liege im Herzen der heutigen Mittelostkrise. Die Bedrohung durch den radikalen Islam wachse global, destabilisiere Gemeinden, gar Nationen, und zerstöre Potenzen der friedlichen Koexistenz in der Ära der Globalisierung. Schließlich zögere der Westen, die Gefahr anzuerkennen und erscheine machtlos, ihr effektiv zu begegnen. Mit dem Text vom selben Tag im „The Spectator“ erhelle ich Blairs ungewöhnlichen Ansatz.

Vorausgeschickt sei, daß Blair als Politiker auffiel. Zum einen bildete er sich selbst zu Kernthemen. Zum anderen zögerte er nicht, Fehler offen einzugestehen. Zwei Qualitäten samt einem brillanten Rednertalent, die sonst selten sind. Als Premier verteidigte er oft „Muslime und den Islam“, obwohl die Inseln eine Schockserie ereilte. Dazu zählten die Islamistenrevolte in Iran 1979, Todesfatwas zu Salman Rushdis „Satanische Verse“, Iraks Einfall in Kuwait Mitte 1990, eine Dekade später der 11. September 2001, die Invasion in Afghanistan und Irak sowie am 7. Juli 2005 die Anschläge in der Londoner U-Bahn mit 52 Toten und hunderten Verletzten (der Mord am Soldaten Lee Rigby in London am 22. Mai 2013 durch zwei Islamisten gehört dazu). Dennoch erklärte Blair, Gewalt entspringe „nicht dem Islam an sich.“ In seinen Memoiren meinte er hingegen 2010, zuerst nicht die Tiefe der Herausforderung begriffen zu haben. In der Tat rückt er ihr in jener Rede näher.

Mittelost

Unter dieser weiten Region vesteht Blair alle islamisch geprägten Länder von Pakistan und Afghanistan im Osten über Iran und Arabien in Westasien bis ganz Nordafrika im Maghrib. Er meint, in der Rede aufzuzeigen, wie der Westen wirksam dem Islamismus begegnen und dabei mit Ländern im Osten, etwa Rußland und China, kooperieren könne. Heute gäbe es Streit, ob Mittelost noch wichtig sei. Wegen neuer Erdöltechnologien in Amerika falle die Region als Versorger ab. Auch gäbe es andere Probleme wie Rußland. Zwar sei Mittelost wichtig, aber unregierbar. Man möge es daher sich selbst überlassen.

Einspruch

Dem hält Blair vier Punkte entgegen. Selbst wenn es in Amerika eine Energierevolution gäbe, bleibe Mittelost für alle Länder wichtig, da sie von Energie dort abhängen und der Ölpreis sowohl Stabilität und Gedeihen der Globalwirtschaft bestimme. Die Region liege vor der Haustür Europas und tangiere dessen Stabilität auch nahe Spaniens und Italiens.Zudem gehe es um Israel als westliche Demokratie: werde es in einen Regionalkonflikt verwickelt, werde alle Welt hineingezogen. Zwar schaffte es Israel, sich aus dem Sturm herauszuhalten, doch lehrten uns die jüngsten Jahre, dort „das Unerwartete zu erwarten“. Schließlich entscheide sich in Mittelost die Zukunft des Islams und seiner Rolle in der Politik. Dies sei kontrovers, da man „in der Politik nicht über Religion spreche“. Zudemlebten die meisten Muslime nicht in Mittelost, sondern halt außerhalb dieses Großraums.

Antimoderne

Laut Tony Blair liege hinter jüngsten Tumulten und Revolten ein klarer Kampf zwischen jenen, die moderne Ansichten der Region mit pluralistischen Gesellschaften und offenen Märkten hegen. Dagegen sind jene, die allen eine Ideologie aus dem Glauben auferlegen wollen, die wahre und einzig richtige Auslegung des Islam zu hegen, was ausschließlich die Natur der Gesellschaft und Wirtschaft bestimme. Blair nennt diese Islamisten. Dabei gesteht er Debatten um die Richtigkeit des Begriffs ein, so daß im Wort „Islamist“ nicht allein die islamistischen Ideologen, sondern auch alle Muslime getroffen werden könnten.

Doch wohin man auch blicke, der Hauptkampf gehe um den rechten Platz der Religion, des Islams in der Politik. Das meine nicht Religiosität. Viele, die gegen die islamistische Ideologie sind, wären treue Muslime. Der echte Kampf richte sich gegen Extremismus, ob bei Sunniten oder Schiiten, sofern sie exklusiv den „wahren“ Islam verfechten. Eine Ideologie werde in alle Welt exportiert. Mittelost sei noch das Epizentrum von Denken und Theologie des Islams. Jedoch von dort entspringe seit 50 Jahren eine sehr enge und gefährliche Ansicht des Islams. Der Westen erscheine als blind gegen diese Globalität.

Inkompatibel

In Mittelost daselbst, so Blair weiter, ist das Ergebnis schrecklich. Leute müssen sich oft zwischen einer religiös toleranteren autoritären Regierung oder einer religiös intoleranten Quasitheokratie entscheiden. Außer Südamerika, abgesehen von der dortigen Hizb Allah, gebe es keine Erdregion mehr, die nicht negativ durch den Islamismus gefährdet sei. Und diese Ideologie greife weiter aus. Terror gehe um in Nigeria, Mali, Zentralafrika, Tschad und im subsaharischen Afrika. Religiöser Extremismus sei die größte Bedrohung, um die Entwicklungsprobleme zu lösen. Terror treffe regelmäßig Rußand - 15 Prozent Muslime - und Chinas Westprovinz Xinjang. In den Philippinen starben 100.000 Menschen in der jüngsten Dekade. Interreligiöse Konflikte toben in Thailand, Myanmar und Bangladesch. In Indonesien erhielten Islamparteien in jüngsten Wahlen ein Drittel der Wählerstimmen.

In Europa leben 40 Millionen Muslime, Tendenz steigend. Die Muslimbrüder und andere Organisationen sind aktiver. Sie operieren ohne Überprüfung oder Grenzen. Birmingham wie Frankreich sind besorgt wegen der Penetration durch Islamisten. Beobachter meinten, so Blair, es gehe nicht um Islam oder Religion: sie treibe fast absichtlich der Wunsch um, diesen offenkundigen gemeinsamen Faktor auszuklammern. Doch überall gehe es um die gewisse religiöse Weltsicht. Zudem gebe es den Willen, die Ideologie von Gruppen wie den Muslimbrüdern von den Aktionen der Extremisten samt Terror zu trennen. Doch die Ideologie sei gefährlich und aushölend. Sie bilde den Boden des Extremismus. Zwar gebe es im Spektrum auch Differenzen, wie die Ziele des Islamismus zu erreichen wären. Aber es wäre eine Interpretation des Islams, nicht der Islam selbst, der diese Ideologie schaffe.

Islamismus sei inkompatibel mit der Moderne, die verbunden und pluralistisch ist: offene Demokratien, kreativ verknüpft. Islamismus zeige sich in seinen Dogmen unveränderlich. Der Westen müsse Partei ergreifen, sich von Augenwischerei und Ignoranz lösen, global Koalitionen bilden. Ägypten sei zu fördern wie religiöse Freiheit und offene Ordnungen. Blair trennt die Religion des Islams; und Muslime von Ideologen als Islamisten und von der Ideologie des Islamismus. Jetzt ruft er zum Kampf weltweit gegen die Ideologie auf.



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