(explizit.net)
Der gütige Beichtvater: Leopold Mandic - Tag 27 der Fastenimpulse "barmherzig" von Pater Erich Purk
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Am 16. Oktober 2013 waren es dreißig Jahre her, dass in Rom ein kleiner Ordensmann heilig gesprochen wurde – und zwar während der Bischofssynode zum Thema „Buße und Versöhnung im Leben der Kirche“. So kam es, dass an der Heiligsprechung über hundert Bischöfe teilnahmen, dazu viele Priester und Laien, vor allem aus Italien und Kroatien.
Der neue Heilige stammte nämlich aus Herzog Novi, wo er am 12. Mai 1866 als zwölftes Kind einer Fischerfamilie geboren worden war. Die wenigen Katholiken dort wurden von Kapuzinern aus Padua betreut. Sie nahmen den jungen Mandic in ihr Seminar in Udine auf; später studierte er dann Philosophie und Theologie in Padua, wo er 1890 zum Priester geweiht wurde. Sein Wunsch war, als Missionar in seine Heimat zurückzukehren und für die Einheit der orthodoxen Christen mit der katholischen Kirche zu arbeiten.Doch die Oberen hielten ihn für ungeeignet, weil er seit der Kindheit einen Sprechfehler hatte, schüchtern war und klein von Gestalt. Er wurde in verschiedenen Klöstern eingesetzt,bis er 1909 Rektor der Studenten in Padua wurde, denen er die Lehre der Kirchenväter nahebrachte, denn Leopold war durch seinen Eifer im Studium aufgefallen und liebte es, die Heilige Schrift und Augustinus zu lesen.
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Wie gerne hätte er gepredigt! Doch es fehlte ihm die Erlaubnis. Er durfte nur Beichte hören, Kranke besuchen, die Messefeiern. Und dies tat er mit großer Hingabe. Den Studenten brachte er etwas Kroatisch bei, in der Hoffnung, dass einige einmal Missionare in seiner Heimat würden. Er selber nahm nie die italienische Staatsbürgerschaft an, sodass er im Ersten Weltkrieg, als Österreich-Ungarn mit Italien im Krieg lag, in Süditalien von Konvent zu Konvent flüchtete.
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Nach dem Krieg war er ununterbrochen Beichtvater im Hl.Kreuz-Kloster in Padua. Selbst noch am 29. Juli 1942 hört er wie die meisten Tage zuvor acht Stunden Beichte und stirbt dann in der Frühe des folgenden Tages. Heute noch ist seine kleine Beichtzelle zu sehen, in der er Tausende von Beichtwilligen empfangen hat: Kinder, Frauen, Männer jeglichen Standes, Priester und Bischöfe. Der 5,50 mal 4,30 Meter große Raum ist das Einzige, was beim Luftangriff vom 14.Mai 1944 vom Kloster stehen geblieben ist – Wahrzeichen der Barmherzigkeit, die sich in diesem Raum über unzählige Sünder ergossen hat.
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„Dieser Raum ist mein Orient“
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Was ist das Große an Leopold Mandic? Dass er sich selbst und die Entscheidung anderer angenommen hat. Klein und gekrümmt von Gestalt, war er keine Schönheit, aber er hat sich deswegen nicht versteckt; er ging auf die Leute zu. In jungen Jahren litt er an seinem Stottern, übte sich im Sprechen und schämte sich, wenn er vor anderen keinen Satz vollständig herausbrachte. Mit der Zeit nahm er auch dieses Gebrechen an und scherzte sogar darüber. Dass er nicht predigen durfte, verbitterte ihn nicht; er sprach dafür umso mehr mit Gott, betete viel und intensiv, auch nachts. Sein Herzensanliegen war es, zu seinen Landsleuten zurückzukehren nach Dalmatien und Istrien, wo die meisten Christen nicht der katholischen Kirche angehörten.
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Lange vor dem II. Vatikanischen Konzil machte er sich die letzte Bitte Jesu zu eigen: „Dass alle eins seien“ (Joh 17,21). In diesem Sinn wollte P. Leopold im Orient wirken; er äußerte mehrmals die Bitte, aber seine Oberen erfüllten sie nicht. Statt nun zu resignieren oder zu protestieren, verwandelte er die ihm zugewiesene Beichtzelle in seine Mission: „Das ist mein Orient“, pflegte er zu sagen.
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Im Halbdunkel der Beichtzelle in Padua gewann er mehr Katholiken zurück oder bestärkte sie im Glauben, als er Orthodoxe auf der anderen Seite der Adria hätte gewinnen können. Die Zeit war dafür nicht reif und ist es wohl auch heute noch nicht. Wichtig aber ist, dass das Anliegen bei ihm lebendig war, wie Feuer in seinem Herzen brannte. Für die Einheit der Kirche blutete sein Herz: Dafür betete und opferte er; und wen er traf, lud er ein, ebenfalls in diesem Anliegen zu beten und zu wirken.
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Geistliche Ökumene
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Als im Oktober 2013 in Erinnerung an den vor 30 Jahren heiliggesprochenen Kapuziner an dessen Grab in Padua ein Symposium stattfand, war auch Kardinal Walter Kasper dabei, lange Jahre Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Wovon sprach der weitgereiste Kardinal, der mit den praktischen Problemen auf dem Weg zur Einheit vertraut ist? Von der geistlichen Ökumene! Sie habe Vorrang vor Konferenzen, Debatten und Papieren. Von P. Leopold sagte er: „Sein ökumenisches Forum waren nicht Kongresse zum Thema Ökumene; sein ökumenisches Forum war überraschend und doch vielsagend der Beichtstuhl. So lehrt uns der Hl. Leopold, dass der ökumenische Weg ein Weg der Bekehrung und Buße ist.“
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Das Gespür für die Sünde
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Ein solcher Weg der Buße setzt aber ein Gespür für die Sünde voraus. Das ist uns heute weithin abhanden gekommen. P. Leopold könnte uns helfen, es wieder zu gewinnen. Die meisten seiner Pönitenten wussten nichts von seiner Sehnsucht nach dem Orient. Sie sahen ihn nur Tag für Tag bereit, die Sünden und Sorgen der anderen anzuhören. Er tat dies bescheiden und ehrlich, in dem Bewusstsein, selbst ein Sünder zu sein. Er selber ging regelmäßig beichten und hatte seinen geistlichen Begleiter.
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Das stundenlange Anhören von kleinen und schweren Sünden hat ihn nicht abgestumpft, taub gemacht für tiefer liegende Sehnsüchte. Wie Zeugen im Heiligsprechungsprozess aussagten, hat er sie nicht beschämt, sondern aufgerichtet.Mit wenigen Worten gab er den richtigen Rat. Er nahm jede und jeden ernst und bewahrte sich das heilsame Gespür für die Sünde – heilsam, weil damit das Gespür für Gott verbunden ist, der allein die Erlösung schenkt.
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Dieses Gespür half P. Leopold, für die Beichtenden Verständnis zu haben. Einer erzählt, dass er viele schwere Sünden auf dem Gewissen hatte und sich schämte, sie zu bekennen. Um ihm Mut zu machen, habe der Kapuziner gesagt: „Wir beide hier sind Sünder. Gott soll sich unser beider erbarmen!“ Die Art, wie er das sagte, habe ihn derart gerührt, dass er keine Angst mehr hatte, seine Sünden zu bekennen. Die Angst, über eigene Schwächen und Niederlagen zu reden, ist in dem Moment gewichen, als er sich dessen bewusst geworden ist, dass auch der, dem er die Sünden beichtet, ein schwacher Mensch ist.
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Nur selten verweigerte P. Leopold die Lossprechung, er wollte lieber barmherzig als streng sein. Wenn Mitbrüder ihm eine übertriebene Güte vorwarfen, pflegte er zu sagen: „Würde mich der Gekreuzigte wegen meiner zu großen Barmherzigkeit rügen, würde ich ihm antworten: Dieses Beispiel hast du mir selbst gegeben, Herr. Ich bin noch nicht so verrückt geworden, dass ich für die Seelen sterbe!“
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Durch eine solche Haltung half er den Beichtenden, die Beichte als eine Begegnung mit dem guten und barmherzigen Vater zu erleben. Denn das ist im Wesen das Sakramentder Versöhnung: Eine Begegnung mit dem barmherzigen und gütigen Vater (vgl. Lk 15,17-24).
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Für heute: Denn auch der Mensch voll Trotz muss dich preisenund der Rest der Völker dich feiern. (Ps 76,11)
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<emphasize>Leonhard Lehmann</emphasize>
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