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"barmherzig" - Fastenimpulse 2014 - Tag 23

(explizit.net) Selig sind die Barmherzigen - Tag 23 der Fastenimpulse "barmherzig" von Pater Erich Purk

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Ich hatte alles so gut vorbereitet für meine anstehende Prüfung. Vor allem: Die Kinderbetreuung organisiert. Denn wie soll man als Ärztin, Ehefrau und Mutter mit zwei quirligen Kindern im Grundschulalter neben der Arbeit sonst ein examensähnliches Lernpensum bewältigen? Aber jetzt war ich an einen Punkt gelangt, an dem es nicht mehr nach meinem Willen lief.

(explizit.net) Selig sind die Barmherzigen - Tag 23 der Fastenimpulse "barmherzig" von Pater Erich Purk

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Ich hatte alles so gut vorbereitet für meine anstehende Prüfung. Vor allem: Die Kinderbetreuung organisiert. Denn wie soll man als Ärztin, Ehefrau und Mutter mit zwei quirligen Kindern im Grundschulalter neben der Arbeit sonst ein examensähnliches Lernpensum bewältigen? Aber jetzt war ich an einen Punkt gelangt, an dem es nicht mehr nach meinem Willen lief.

Denn ausgerechnet jetzt hatte sich meine Mutter die Wirbelsäule gebrochen und musste operiert werden. Meine Hauptstütze war auf einmal weg! Mein Mann, ebenfalls Arzt, bekam gleich zwei langfristige und aufwendige Sonderaufgaben in der Klinik dazu. Und die eingeplanten Freundinnen und

Bekannten konnten plötzlich auch nicht helfen. Ja, hatten sich denn alle gegen mich verschworen? Ich war sauer, dann trotzig – ich schaffe das auch so! Die nächsten Tage waren schrecklich, und der Druck nahm zu. Ich war ständig gereizt, schimpfte bei jeder Kleinigkeit, der Haussegen hing schief. Jeder Tropfen konnte das Fass zum Überlaufen bringen. Ich aß und schlief nicht mehr richtig, hatte ständig Kopfschmerzen.

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In einer dieser wachen Frühstunden bilanzierte ich: Nicht nur, dass ich panische Angst hatte und keine Chance zum Lernen und Bestehen sah – sondern, was hatte das alles mit meinem Glauben zu tun, den ich doch seit fast vierzig Jahren als die Richtschnur meines Lebens betrachtete? War ich so ein glaubensresistenter Mensch, dass alle Bibelverse, Gebote und Gebete in dieser Not nicht helfen konnten? Gab es überhaupt irgendetwas, das ich an meinem Verhalten „christlich“ nennen könnte?

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Ich dachte nach: Nun, ich hatte mich zumindest nicht grundlos krankschreiben lassen und somit Kollegen und Klienten belastet. Ich hatte mit den Kindern trotz allem – wenn auch teilweise etwas widerwillig – viel Zeit verbracht, hatte es öfter nicht übers Herz gebracht, meinem berufsgebeutelten Mann seine häuslichen Abendpflichten abzufordern, … und natürlich – das wollte ich ja gar nicht rechnen – regelmäßig meine Mutter besucht. Mir kam ein Vers aus der Bergpredigt im Matthäusevangelium in den Sinn: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“

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Dieser Vers aus den Seligpreisungen leuchtete in meinen Gedanken plötzlich auf wie draußen der Sonnenaufgang. Ich steckte tief im Leistungsdenken drin, aber diese Zusage kam ja von Gott selbst! Die Vorstellung, zumindest einen kleinen Teil zur Erfüllung der Verheißung beitragen zu können, half mir dabei, den Vers auf mich zu beziehen. Gott meinte mich persönlich! Schlagartig merkte ich, dass ich ruhiger wurde. Ich konnte sogar noch den Rest meiner bis zum Aufstehen verbleibenden Zeit eindösen.

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Am nächsten Tag dachte ich noch einmal über mein Erlebnis nach. Wie schwer fiel mir die Rollenumkehr! Ich hatte Klienten immer zugesprochen, dass es nicht auf unsere Leistung ankommt, sondern auf den Menschen: Jeder muss besonders bewertet werden. Jetzt sollte ich plötzlich selber in dieser Situation sein – und schwach …? Zum anderen – ich war eine gute Studentin gewesen, und jetzt sollte ich plötzlich nicht durch vermehrtes Lernen, sondern nur durch Gnade bestehen? Ich argumentierte: „Gott, du weißt, dass ich die Klienten später mit dem Wissen viel besser versorgen kann. Es ist doch nur noch für kurze Zeit, dass ich so viel zusätzlich lernen muss …“

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„Ich will, dass mein Reich AUF DER STELLE gebaut wird“, hörte ich die leise Stimme. Dazu fiel mir noch ein Vers aus dem Römerbrief ein: „Das Reich Gottes besteht in Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“ Also nicht gerade das, was sich bei uns in letzter Zeit abgespielt hatte. „Auf der Stelle“, das konnte man zeitlich verstehen, aber ursprünglich natürlich örtlich. Hier und jetzt in meiner Familie, mit den engsten Freunden. Nicht irgendwann später im Beruf oder irgendwo.

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In der kommenden Nacht schlief ich erstmals wieder hervorragend. Ich beschloss, nicht mehr zu sagen: „Wenn ich bestehe“, sondern „Ich werde bestehen“. Ab jetzt würde ich versuchen, ohne Widerstand das zu tun, was der Moment forderte. Ansonsten wollte ich lernen, so gut es ging – ohne die anderen oder mich zu überfordern. Den Rest müsste Gott machen.

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Es war erstaunlich, wie sich die Lage beruhigte. Der Friede hielt an. Meine Wutausbrüche wurden kürzer und seltener. Die Kinder wurden zufriedener, mein Mann genoss die entspannte Atmosphäre. Mein verbesserter Schlaf bescherte mir wieder mehr Merkfähigkeit. Nein, ganz wurde ich meine Ängste bis zur Prüfung nicht los. Aber es war die normale Spannung.

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In der Prüfung wurde der Stoff abgefragt, auf den ich mich besonders gründlich vorbereitet hatte. Am Schluss der Prüfung erhielt ich sogar ein Lob.

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Die Erfahrung dieser unerwarteten Rettung aus meiner schlimmen Bedrängnis wirkt bis heute in mir nach. Letztlich habe ich zwei Prüfungen bestanden – und etwas Wichtiges fürs Leben gelernt: Gottes Barmherzigkeit dankbar anzunehmen und weiterzuschenken.

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Für heute: Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. (Mt 5,7)

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<emphasize>Ruth Jeutner</emphasize>



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