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Franziskanische Spiritualität - Tag 13 der Fastenimpulse "barmherzig" von Pater Erich Purk
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Gott ist barmherzig. Dieser Satz ist von hoher Bedeutung für das Selbstverständnis jedes Christen. Papst Franziskus betont immer wieder: „Wenn der Mensch das Geheimnis der Barmherzigkeit Gottes begreift, verliert er alle Angst vor Gott.“ Darin gipfelt die franziskanische Spiritualität: Man muss von Gott sprechen. Gott selber ist mit jedem Menschen barmherzig.Wer Barmherzigkeit erfahren hat, der kann auch mit dem Menschen barmherzig sein. Deshalb mahnt uns die Heilige Schrift: Seid alle eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und demütig! (1 Petr 3,8 und Röm 12,5;Eph 4,2f.)
Die Theologen aller Zeiten verkünden „deus semper major“: Gott ist immer größer, als wir ihn denken können. Franziskus würde sagen: „deus semper minor.“ Gott ist immer kleiner,als wir ihn fassen können. Franziskus liebt es, in der Meditation Christus als Kind in der Krippe zu betrachten oder in seiner Knechtsgestalt am Kreuz. Krippe, Kreuz, Altar sind die Meditationsbilder der franziskanischen Gemeinschaften. Franziskus zitiert gern aus einem Paulusbrief: Christus hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein, er entäußerte sich, er nahm Knechtsgestalt an. (Phil 2,5-7) Das ist das Paradox franziskanischer Spiritualität: Gott ist der Demütige und nurso der Allmächtige. Er ist der immer noch Kleinere und nurso der Größere. Er ist der Schwache und nur so der Starke. Der heruntergekommene Gott, nicht nur in der Niederkunft bei der Geburt, sondern hinabgestiegen bis in die Schattenreiche unseres Lebens.
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Am eindrücklichsten scheint mir die Bedeutung der Barmherzigkeit in einem Brief des heiligen Franziskus an einen Guardian ausgesprochen, der schwer an seinem Amt trug und sich daher in eine Einsiedelei zurückziehen wollte.Ihm antwortet Franziskus: „So gut ich kann, sage ich dir zudem Anliegen deiner Seele: Alles, was dich hindert, Gott den Herrn zu lieben, und wer immer dir Schwierigkeiten machen mag, entweder Brüder oder andere, auch wenn sie dich schlagen sollten, alles musst du für Gnade halten … Liebe jene, die dir solches antun. Und dies soll dir mehr sein als eine Einsiedelei. Das Heil liegt nicht darin, für sich einen Schonraum zu suchen.“
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Und so beschreibt Franziskus die grenzenlose Barmherzigkeit: „Es darf keinen Bruder auf der Welt geben, mag er auch gesündigt haben, soviel er nur sündigen konnte, der deine Augen gesehen hat und dann von dir fortgehen müsste ohne dein Erbarmen, wenn er Erbarmen sucht. Und sollte er nicht Erbarmen suchen, dann frage du ihn, ob er Erbarmen will. Und würde er danach auch noch tausendmal vor deinen Augen sündigen, mit solchen habe immer Erbarmen."
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Die Barmherzigkeit kennt keine Grenzen. Wer an sich und andere hohe Forderungen stellt, läuft Gefahr, unmenschlich und fanatisch zu werden. Dieser Gefahr ist Franziskus nicht erlegen. Im Scheitern bleibt Franz immer barmherzig.
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Barmherzig sein. Nicht die Ideale kleinreden, aber Erbarmen haben mit den anderen und mit sich selbst. Er nennt es: Mütterlich miteinander umgehen – wie eine Mutter ihrem Sohn zugetan ist. Die Brüder sollen so einander zugetansein, dass man „vertrauensvoll einander die Not offenbaren kann“.
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Als ein Bruder in der Fastenzeit nachts weint, weil er das strenge Fasten nicht aushalten kann, geht Franz am nächsten Tag in die Stadt Assisi und bettelt Fleisch und Brot für die Brüder. Als ein kranker Bruder sich ein paar Trauben wünscht, geht er mit dem Bruder in einen fremden Weingarten und pflückt Trauben und isst selber mit, um den Bruder nicht zu beschämen. Die Brüder sind eine Alternativgesellschaft mit dem Evangelium als Grundlage.
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Ein Bericht aus den Quellenschriften, den ich besonders liebe: Als eines Tages eine notleidende Frau zu Franziskus kommt, haben die Brüder kein Brot mehr im Haus. Das Einzige, was sie geben können, ist die kostbare, handgeschriebene Bibel, die die Brüder jeden Tag für ihr gemeinsames Gebet brauchen. Franziskus sagt: „Gebt ihr die Bibel, sie soll sie verkaufen und so ihre Not mildern, denn in diesem Buch steht, dass man den Armen helfen soll. Es gefällt Gott mehr, wenn wir sie verschenken und tun, was darin geschrieben steht, als wenn wir sie nur lesen.“ So wurde die erste Bibel, die im Orden vorhanden war, verschenkt.
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Für heute: Nicht im Vertrauen auf unsere guten Taten legen wirdir unsere Bitten vor, sondern im Vertrauen auf dein großes Erbarmen. (Dan 9,18
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<emphasize>Pater Erich Purk</emphasize>
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