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Angriffe auf Kremlbotschaft, Libyens Erdöl und Jihadis

(explizit.net) Anders als die US-Botschaft vor einem Jahr, so ist diesmal die Moskauer Botschaft in Tripolis angegriffen – und geschlossen worden. Am Mittwoch drangen Bewaffnete in das Gelände ein, zumal die Russin Ekaterina Ustjuzhaninowa am Vortage einen libyschen Offizier tötete. Botschafter und Personal flohen in sichere Räume. Bald wandten sie sich nach Tunis und flogen gen Moskau heim, indes Libyer diese Rachetat zwei Tote kostete.

Angeblich habe Ustjuzhaninowa mit dem Blut des Pilotoffiziers „Tod den Ratten“ an die Wand gemalt. Sie, die in Tripolis einsitzt, wandte sich gegen die Rebellen, die 2011 nach acht Monaten Bürgerkrieg mit Nato-Hilfe den Autokraten Muammar al-Qaddafi stürzten, der Rebellen „Ratten“ nannte. Die Regierung von Premier Ali Zaidan und Außenminister Muhammad Abd al-Aziz ist da machtlos. All dies lässt nach den alten Verbündeten fragen und wie sich Bewegungen entfalten, die über Libyens Öl an die Macht gelangen wollen.

(explizit.net) Anders als die US-Botschaft vor einem Jahr, so ist diesmal die Moskauer Botschaft in Tripolis angegriffen – und geschlossen worden. Am Mittwoch drangen Bewaffnete in das Gelände ein, zumal die Russin Ekaterina Ustjuzhaninowa am Vortage einen libyschen Offizier tötete. Botschafter und Personal flohen in sichere Räume. Bald wandten sie sich nach Tunis und flogen gen Moskau heim, indes Libyer diese Rachetat zwei Tote kostete.

Angeblich habe Ustjuzhaninowa mit dem Blut des Pilotoffiziers „Tod den Ratten“ an die Wand gemalt. Sie, die in Tripolis einsitzt, wandte sich gegen die Rebellen, die 2011 nach acht Monaten Bürgerkrieg mit Nato-Hilfe den Autokraten Muammar al-Qaddafi stürzten, der Rebellen „Ratten“ nannte. Die Regierung von Premier Ali Zaidan und Außenminister Muhammad Abd al-Aziz ist da machtlos. All dies lässt nach den alten Verbündeten fragen und wie sich Bewegungen entfalten, die über Libyens Öl an die Macht gelangen wollen.

Rotlichter

Nach dem Zweiten Weltkrieg lieferte das Muster auch für den libyschen Zickzack sein Nachbar. Denn wie in Kairo, regierte in Tripolis ein nazifreundlicher König. Beidesmalig wurden diese Monarchen, Faruq I. und Idris I. as-Sanusi, durch revoltierende Offiziere gestürzt. Abd an-Nasirs und Muammar al-Qaddafis Kreise hoben die royale Ordnung aus den Angeln. An dieser Stelle installierten sie ab 1952 und 1969 linke Systeme nach dem Sowjetmuster, sprichwörtlich: sie verboten alle Parteien, drängten Oppositionelle in eine Rätebewegung und etablierten Autokratien in den Farben ihres Arabischen Sozialismus.

Beide Länder lösten britische und amerikanische Basen auf. Erstmals importierten sie nur Sowjetwaffen. In ihrem linksradikalen und linksislamistischen Lager sammelten sich im Kalten Krieg zudem Algerier, Sudanesen, Syrer, Iraker, Palästinenser und Südjemeniten.

Mittelostrivalen

Am Beginn der Globalära verfiel der Sowjetorbit. Zwei Dekaden später stürzten Revolten 2011 auch die beiden Langzeitherrscher al-Qaddafi und Husni Mubarak. Beide verfolgten ihre Islamisten. Indes diese am Nil durch Muhammad Mursi das Präsidialamt gewannen, den aber am 3. Juli eine Coupvolte nach einjähriger Macht hinwegfegte, bilden Islamisten in vielen rivalisierenden Gruppen Libyens spontane Kräfte, die in drei Dutzend Stämmen wurzeln. Und Militärbeziehungen zu Russland – Jagdbomber Suchoi 22 – blieben wie das Gefühl, gegen Amerika und den Westen in Moskau oder Bejing „Ausgleiche“ zu finden.

Das bestätigte sich, als sich Präsident Obama am 14. September entschied, Wladimir W. Putin den Trumpf im Großmachtpoker um Syrien zuzuspielen. Das alte Gefüge erwächst abermals, zunächst um Chemiewaffen zu entsorgen. Der Kreml agiert sichtlich wieder im Mittelostklub. Er hat Dekaden an Riesenschaden in der Region angerichtet und ist durch seinen raschen Wegfall kaum ernsthaft zur Verantwortung gezogen worden. Anders der Prügelknabe Amerika, dem oft einseitig Schäden angelastet werden. Immerhin, gelänge es beiden Antagonisten, Syrien von C-Waffen zu befreien, wäre das gut. Nach Saddam Husains Sturz gab al-Qaddafi hastig seine C-Waffen auf, behielt aber Geheimbestände, wie 2011 enthüllt. Indes fielen nicht wenige russische und US-Waffen an die Islamisten.

Goldfluss

Wieviel Militärgerät davon Ibrahim al-Jathran zukam, steht dahin. Der 33-Jährige, den al-Qaddafi ins Gefängnis warf, sollte nach dessen Sturz einige Schutztruppen für Ölanlagen befehligen. Dann geriet er mit Regierenden in Streit – und Streik. Er, der eine Miliz von 20.000 Mann hat, drehte im Juli Exporthähne der Terminals Zuwaitina ab. Er fordert laut Londons al-Majalla Autonomie im Landesosten (Cyrenaika, heute Barqa). Geboren in der dortigen Hafenstadt Ajabiyya, ist er populär, könnte ein neuer al-Qaddafi werden, zumal Bewacher der Ölanlagen im Westen, in Tripolitanien und Fizzan, ihn jetzt nachahmten.

Doch fiel der Erdölverkauf um die Hälfte. Damit ist es auch für die Regierung finanziell enger geworden. Nicht so für den Milizführer al-Jathran, der seinen Leuten eintausend Dollar im Monat zahlt. Zur Jahresmitte schaffte er sich seinen TV-Satellitenkanal an. Er will mit an der Verfassung arbeiten, die Zentralregierung und Regionen föderativ wie die US-Verfassung verbriefen soll. Er nennt die Ideen seine Ras-Lanuf-Erklärung; nach dem Ort mit Raffinerien und Terminals, die März bis August 2011 mehrfach erobert wurden.

Richtungskämpfe

Diesmal sind also die Sowjets keine Vorbilder, eher Amerikas Gründungsväter. Offenbar ist al-Jathran nicht offen ein Islamist. Laut Libya Herald meinte er am 17. August, Libyen vor einer schleichenden Übernahme durch die Muslimbruderschaft zu retten. „Wir fragen nach der Freiheit und Würde und nach dem Recht, unsere Sachen selbst zu bestimmen.“

Aber al-Jathran möchte an die Verfassung von 1951 anknüpfen, die noch König Idris as-Sanusi mit geprägt hat. Erst eine Dekade darauf begann dort das kommerzielle Erdöl zu sprudeln, das mehr Fluch als Segen für den Staat war. Vor allem geriet dieser Goldfluss in die falschen Hände eines Tyrannen, der völlig willkürlich herrschte und seine Terroristen global eingesetzt hat. Im Innern jagte er die As-Sanusi Bruderschaft, die mit Berlin und Rom in beiden Weltkriegen kooperiert hat. Ziel: die Islamisten gegen Allierte zu stellen. Seit dem Mord an 140 Juden im Pogrom von Tripolis, 4. bis 7. November 1945, gab es in phönizischen Meerstädten Libyens kaum Juden mehr. Ihre Letzten vertrieb al-Qaddafi.

Freilich bilden die blutigen Graffiti ein „Zeichen an der Wand“ aus al-Qaddafis Ära, als der Kreml ab 1975 in den libyschen Belangen sein Wort mitsprach. Wohin sich Libyer auch ausrichten mögen, mit kleiner Bevölkerungszahl und hohen Öleinnahmen haben sie Chancen, unterliegen jedoch extremen Gefährdungen, sollten Radikale alles usurpieren.

Das innere und äußere Gewebe wird neu geknüpft. Welche Mächte führen, deutet sich an. Mit Amerika gibt es Zwiste, seit in Benghazi Jihadis des al-Qaida-Ablegers „Ansar ash-Sharia“ in der Nacht des 11. Septembers 2012 Botschafter J. Christopher Stevens und drei Mitarbeiter im Terroranschlag ermordeten. Samstagfrüh haben US-Sondertruppen in Tripolis den vermuteten al-Qaida-Führer Nazih Abd al-Hamid ar-Ruqai ergriffen. Dieser war als Abu Anas al-Libi ab 2000 in New York mit angeklagt für Bombenanschläge 1998 auf Botschaften in Kenia und Tanzania mit 224 Toten. Damals erklärte Usama Bin Ladin „Juden und Christen den Globalkrieg“. Auch am Samstag töteten Amerikaner Jihadis der „ash-Shabab“ (und „al-Hijra“) in Barawe, Südsomalia. Ihr Führer, Mukhtar Abu Zubair, erklärte sich verantwortlich für den Angriff auf Nairobis Westgate Mall mit 67 Toten.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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