Foto: Wolfgang G. Schwanitz

Amerika, Iran und Afghanistan

(explizit.net) Am Freitag stellte Präsident Obama seinen Kandidaten für den Verteidigungsminister vor. Bis der Kongress Ashton Carter bestätigt, amtiert Chuck Hagel noch, der in Kabul ansagte, bis zu 10.800 Soldaten - 1.000 mehr als geplant - zu behalten. Carter kommt aus dem Pentagon. Obama versprach er ein klares Bild der Kriegslage - und nötigen Taktik. Das wollte Hagel auch, aber er entzweite sich mit seinen Chef, wie man den „Islamstaat“ angehe. Überdies kollidierte Hagel mit Leuten des Nationalen Sicherheitsrats um Obama. Dass Carter froh Sicherheitsberaterin Susan E. Rice umarmte, zeigte, dass das Kriegsbeil zwischen dem Weißen Haus und Pentagon begraben wurde. Hoffentlich hat er sich auch gemerkt, wo. Er könnte es bald wieder schwingen: die Ära ist herausfordernd wie selten.

(explizit.net) Am Freitag stellte Präsident Obama seinen Kandidaten für den Verteidigungsminister vor. Bis der Kongress Ashton Carter bestätigt, amtiert Chuck Hagel noch, der in Kabul ansagte, bis zu 10.800 Soldaten - 1.000 mehr als geplant - zu behalten. Carter kommt aus dem Pentagon. Obama versprach er ein klares Bild der Kriegslage - und nötigen Taktik. Das wollte Hagel auch, aber er entzweite sich mit seinen Chef, wie man den „Islamstaat“ angehe. Überdies kollidierte Hagel mit Leuten des Nationalen Sicherheitsrats um Obama. Dass Carter froh Sicherheitsberaterin Susan E. Rice umarmte, zeigte, dass das Kriegsbeil zwischen dem Weißen Haus und Pentagon begraben wurde. Hoffentlich hat er sich auch gemerkt, wo. Er könnte es bald wieder schwingen: die Ära ist herausfordernd wie selten.

Die Lage ist in Amerika angespannt. Proteste gegen die Urteile von Grand Jurys halten seit einer Woche an, die zweimal Betroffene entlasteten. Nicht Polizisten Darren Wilson sowie Daniel Pantaleo anzuklagen, befürworten bis 5. Dezember nach einer Bloomberg-Politik-Umfrage unter 1.001 Erwachsenen in Ferguson, Missouri, 52 Prozent sowie in Staten Island, New York, 40 Prozent. Allerdings befragt nach „Hautfarben“, stimmten in Prozenten Weiße und Schwarze sehr diametral 64-4 und 32-6 zu. Eine Riesenkluft. Doch meinen in Prozent 53, unter Obama hätten sich solche Beziehungen verschlechtert, 36 es sei gleich geblieben und neun sehen keine Verbesserung. Dessen linker Wirtschaftskurs traf Mittelschichten und Minoritäten, so Afro-Amerikaner - 13 Prozent aller Einwohner. Und seine arm-reich-Reden beflügeln keine Selbstkritik: stets tragen Andere die Schuld.

Die Umgangskultur zwischen Polizei und Zivilisten muss verbessert werden. Darum wird landesweit gestritten, was höchst nützlich ist. Es gibt keine einfachen Ansätze: weder ist es allein Rassismus, wie New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio behauptet, noch nur die Kultur von Afro-Amerikanern und Polizisten. Das ist komplexer. Momente kommen aus den 1960er Jahren auf, als beschleunigt die üblichen Familien zerfielen. Wenn im Schnitt mehr als die Hälfte der Kinder - bei Schwarzen wachsen gar drei Viertel ohne Väter auf - außerhalb von Ehen geboren werden, so ist das nicht nur ein Weg in die Armut, sondern auch für antiautoritäres Widersetzen gegen Polizei wie bei Michael Brown in Ferguson und Eric Garner in Staten Island. Aber Garner hätte sehr human arretiert werden können.

Krisen

Obama wählte mit seiner Immigrationsorder den Konfliktkurs. Der gewählte Gouverneur von Texas, Greg Abbott, sieht darin einen „Angriff auf die Verfassung“. Mit weiteren 16 Staaten, meist aus dem Süden, hat er das Weiße Haus verklagt. Täglich kamen über 1.000 Menschen illegal an, wofür seine Steuerzahler 100 Millionen Dollar extra aufbringen. Da soeben, Samstag, den 6. Dezember, in Louisianas Stichwahl Bill Cassidy mit 56 Prozent gegen Mary L. Landrieu siegte, geht der 54. Senatssitz aus den Wahlen an Republikaner (Zuwachs neun). Dienstag wird der Konsultant Jonathan Gruber zur Gesundheitsreform vor dem Kongress befragt, der öfter prahlte, wie dumm Amerikas Wähler, wie trickreich die Reform und wie undurchschaubar die darin versteckten Steuern gewesen wären. Die Wahlen wirken auch auswärtig. Teherans Regime muss mit Boykotten rechnen, greift es weiter nach Nukes, Raketen und blockiert es wirksame Kontrollen. Manche hoffen, durch beiderseits 67 Senatoren ein Veto Obamas gegen die Sanktionen überstimmen zu können. Sein Iran-Kurs verfehlte. Dass er Teheran den „Islamstaat“ bombardieren lässt, ist falsch.

Wegmarken

Iran, das Sonntag das 2015-Budget mit einer 1/3 Mittelerhöhung für die Republikanische Garde anschob, ist nur ein Punkt nächster Zwiste, wenn auch der explosivste. Politiker ignorieren oft den Charakter der Macht und ihrer Destabilisierung der Region. In Jemen gelang es Teheran, durch Schiiten ganze Landesteile zu beherrschen. In Libanon wie in Syrien agiert die Hizballah ähnlich und gefährdet gleichwohl Israel. Dort stehen am 17. März Parlamentswahlen an. Die Beziehungen zwischen Premier Netanjahu und Präsident Obama könnten auf Zerreisproben hindeuten. Dem US-Parlament wächst eine besonders verantwortliche Rolle als Ausgleich gegenüber Obamas fraglichem Kurs in Mittelost zu. Europäer sind angehalten, ihre Position dazu auch zwischen Parlamenten einzubringen.

Das betrifft ebenso mit Afghanistan ein Land, dessen Werdegang noch immer fragil ist.

Nachhaltig

Am 5. Dezember nahm Außenminister Frank-Walter Steinmeier kein Blatt vor den Mund, als er seinen Kurs gegenüber dem Land am Hindukusch bilanzierte, zumal der Einsatz von etwa 5.500 Soldaten der Bundeswehr zum Jahreswechsel endet. Sicher ist ihnen sehr zu danken. Positiv fällt dort zudem auf, dass mehr Jugendliche und Mädchen zur Schule gehen, 200.000 Studierende an den Universitäten eingeschrieben sind, relativ unabhängige Medien agieren und asphaltierte Straßen da sind sowie Strom, Handys und Autos. Nach 13 Jahren des deutschen Engagements in Afghanistan meinte er: „Wir haben dieses Land nicht im Chaos versinken lassen. Wir haben es von einer terroristischen Herrschaft befreit, und heute geht keine terroristische Gefahr mehr von Afghanistan aus.“

Zwar kann man noch nicht sagen, dass vor dort keine Terrorgefahr mehr ausgehe. Jedoch ist viel auf den Wegen dahin. Steinmeier sprach auch an, dass 55 deutsche Soldaten in Afghanistan ihr Leben ließen. Andere erlitten seelische und körperliche Wunden. Ab 2015 beginnt das neue Kapitel mit „Resolute Support“, wo es um jährlich 430 Millionen Euro für die zivile Aufbauhilfe gehe. „Aber wenn Afghanistan jemals vollständig auf eigenen Füßen stehen will, dann braucht es gerade jetzt nachhaltige Entwicklung. Wir alle haben lernen müssen, dass wir dafür einen verdammt langen Atem brauchen.“ Berlin fokussiere sich auf die Armee und Polizei nach dem demokratischen Präsidentenwechsel.

Drehscheibe

In Berlin empfing die Kanzlerin Präsident Muhammad Ashraf Ghani und Regierungschef Abdullah Abdullah. Während Angela Merkel am Freitag, den 5. Dezember, auf die erste Debatte zum neuen Afghanistanmandat für „Resolute Support“ verwies, erklärte Ashraf Ghani, es gehe ihm um ein Afghanistan, das stabil im Wohlstand und ohne Korruption lebe, wo Rechtsstaatlichkeit herrsche und Frauen, Jugendliche und die Armen an der Gesellschaft teilhaben können. Das Land möge zum regionalen Drehpunkt werden, wobei er Probleme wie Drogenanbau und –handel nicht kleinrede. Dann teilte er mit, dass sein Großvater der erste afghanische Botschafter in Deutschland gewesen sei. Freilich sprach er wie die Kanzlerin von 100 Jahre Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan. Das bezieht sich auf das Freundschaftsabkommen Berlin-Kabul vom 24. Januar 1916. Die Wirtschaftskontakte gab es seit 1903, neue Beziehungen seit 1919 und Diplomatie ab 1922/23: Gulam Siddiq Khan in Berlin und Fritz Grobba in Kabul. Feiern sicher, auch Lernen aus der deutsch-osmanischen Jihadisierung des Islam am Hindukusch seit 1915.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang