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Allah oder Gott in Malaysia

Montagfrüh demonstrierten hunderte Gläubige vor Kuala Lumpurs Appellationsgericht. Ein Plakat lautete: „Allah nur für Muslime“. Viele erwarteten an jenem 14. Oktober das Urteil dreier Richter in der Berufung durch das Innenministerium, das die Erlaubnis des Bundesgerichts von 2009, Christen können das in Malaiisch übliche Wort für Gott, Allah, im katholischen Wochenblatt „The Herald“ verwenden, aufzuheben suchte. Die Richter bejahten dies nun, der „Herald“ darf nicht das Wort „Allah“ nutzen. Was steckt dahinter?

Montagfrüh demonstrierten hunderte Gläubige vor Kuala Lumpurs Appellationsgericht. Ein Plakat lautete: „Allah nur für Muslime“. Viele erwarteten an jenem 14. Oktober das Urteil dreier Richter in der Berufung durch das Innenministerium, das die Erlaubnis des Bundesgerichts von 2009, Christen können das in Malaiisch übliche Wort für Gott, Allah, im katholischen Wochenblatt „The Herald“ verwenden, aufzuheben suchte. Die Richter bejahten dies nun, der „Herald“ darf nicht das Wort „Allah“ nutzen. Was steckt dahinter?

Das südostasiatische Land, entlang von Indonesien halbwegs zwischen Thailand und Australien gelegen, kennt viele Glauben und Ethnien. Als ein Bundesstaat aus Teilen des Britischen Empires 1963 mit Wahlmonarchie gebildet, lebt etwa ein knappes Viertel der 28 Millionen Einwohner auf der Insel Borneo in den Bundesländern Sarawak und Sabah. Deren 1,6 Millionen Christen machen zwei Drittel aller Christen aus, die Malaiisch und Englisch neben ihren Ortssprachen benutzen. Bleibt das Urteil, gegen das die Assoziation der Kirchen von Sarawak und Sabah eine Berufung ansagte, so träfe es diese am meisten.

Eifersucht

Zur Vorgeschichte: seit dem Millennium häufen sich Angriffe der knappen Mehrheit von Sunnimuslimen auf Nichtmuslime unter Malaien wie Christen, darunter Chinesen, Inder und Indigene. Unter letzteren bilden die Tamilen eine Mehrheit. Malaysias Amtssprache, Malaiisch oder Bahasa Melayu, kennt viele Lehnwörter aus dem Arabischen. Seit Ende des 7. Jahrhunderts ließen sich arabische Muslime nieder, die viele Inseln und Indonesien islamisierten. Wie weithin kamen seit Ende der 1960er Jahre Islamisierungswellen auf. In Mittelost, wo Bairuts wie Kairos Christen und Muslime gleichermaßen Allah als ihren Gott anrufen, wandte man sich von US- und Sowjet-Modellen ab: „Weder West noch Ost, der Islam ist die Löung“. So auch jetzt, liberale wandeln sich in orthodoxe Muslime.

In 2002 bannte die islamisch geführte Regierung die malaiische Bibel „al-Kitab“ wegen des Wortes „Allah“. Der damalige Innenminister Abdullah Badawi zog dies bald zurück: ein übereifersüchtiger Bürokrat reagierte falsch. Dies nahm kein Ende. Bundesstaaten wandten sich dagegen, dass Christen in malaiischen Texten „Allah für Gott“ verwandten. Abgesehen von vielen Störungen, erging 2006 noch ein Verbot. Aber das Oberste Gericht kassierte dies am 31. Dezember 2009: die katholische Kirche dürfe in Malaiisch wieder „Allah“ als Gottesbegriff nehmen. In Facebook protestierten 10.000 Muslime gegen die christliche Richterin Lau Bee Lan. Ein Mufti nannte ihre Tat „Beleidigung der Muslime“.

Urteil

Das Berufungsgericht verkehrte es nun. Die Richter Apandi Ali, Abd al-Aziz Rahim und Zawawi Sallah bejahten im Streit um das „Wort Allah“, arabisch wie malaiisch „Kalima Allah“, zwischen neun islamischen Klägern und dem römisch-katholischen Erzbischof Kuala Lumpurs, Murphy Pakiam, den Gebrauch des Namens „Allah“ im „Katholischen Wochenblatt The Herald“ zu verbieten. Dies entspreche der Verfassung. Der Gebrauch des Wortes Allah wäre „kein integraler Teil von Glauben und Praxis im Christentum“. Sollte das Wort in jener Zeitung erlaubt werden, verwirre dies andere. Die Einzelgruppe müsse sich folglich „für den Frieden und die Harmonie“ der Großgemeinschaft beugen.

Unter den Bescheiden der drei (islamischen) Richter ragte der Text von Zawawi Sallah heraus. Er meinte, Bibeln seien durch Missionare unkorrekt übersetzt worden, die Allah für Gott benutzten. Er holte höchst streitbar aus. Auch erklärten Gerichtsunterlagen, dass das Innenministerium 1986 neben Allah weitere Worte wie al-Kaaba (heiliger Würfelbau Mekkas) und as-Salat (Ritualgebet) in „allen Publikationen anderer Religionen außer dem Islam verboten“ hatte. Andernfalls könne die Zeitung delizensiert werden, was passierte.

Religionspolitik

Innenminister Ahmad Zahid Hamidi lobte, dass der „Herald“ nicht mehr Allah benutzen dürfe, um auf Gott zu verweisen. Der Beamte betonte Sensibilitäten von Muslimen, wolle aber keine Spaltung mit Nichtmuslimen. Andere warnten in der „Jakarta Post“, der Allah-Streit würde in Indonesien Schule machen. Aber niemand könne „Allah“ monopolisieren. Ironischerweise wende sich eine Exklusivität dieses Wortes gegen Kernlehren des Islams. Laut „Malaysian Insider“ sagte der Beamte Datuk Dhu al-Kifli Nur ad-Din, die maliische Bibel dürfe benutzt werden, doch 32 Wörter nicht mehr enthalten, darunter auch „Allah“.

„The Herald“ zufolge verurteilten Vertreter von Sarawak und Sabah Scheinheiligkeit und Extremismus. Man erlaube es nicht, die Gläubigen zu Gesetzesbrechern abzustempeln. Die malaiische Bibel werde weiterhin verwendet, mit „Allah“, wie seit hunderten von Jahren. Malaysia entstand 1963 im gemeinsamen Verständnis, nicht andere Religionen zu stören. Das Urteil breche mit dieser Säule der Religionsfreiheit. Das Staatsdokument „Malaysia und Sawarak“ verbriefte am 4. Januar 1962: zwar werde der Islam offizielle Religion der vergrößerten Föderation, indessen würden andere Religionspraktiken geachtet. Hingegen betonte Pastor Daron Tan, nicht mehr passiv zu sein, wenn der Glauben angetastet werde.

Verwirrung

Der Autor Ravinder Singh erörterte in „The Herald“ die „Konfusion“. Lange hätten die Religionen koexistiert. Muslime, die ihren Kindern gute Erziehung zuteilten, schickten diese auf Missionsschulen der Methodisten und Brüder La Salle. Diese Kinder wurden nicht verwirrt, weder zu ihrem noch zum anderen Glauben, obwohl sie mit den Christen lebten. Einige gelangten in hohe Regierungsposten. Sie kannten keine Verwirrung. Kein Spross konvertierte zum Christentum. Indes sie stets ihre Religion praktizierten, lernten sie den Glauben anderer zu achten. Gelange jemand in Vertrauensstellungen und nutze diese nicht aus, um die Verwirrung über anderer Glauben zu säen, sei niemand verwirrt.

Der Allah-Streit erhelle, wie man die Anschauungen über andere schafft, sich dahinter versteckt und Störaktionen startet. Die Sache könne leicht aus der Welt geschafft werden, finde man religiöse Autoritäten, die aus Koranversen beweisen würden, dass der Prophet festgelegt habe, „Allah“ sei exklusiv für Muslime. Alles ende in der einfachen Frage, ob durch Menschen besetzte Gerichte die Worte überschreiben können, die die Propheten uns lehrten. Und das Wort „Allah“ habe der Prophet nicht eingeführt. Er habe es von all jenen geborgt, die es vor ihm benutzten. Hier gehe es nicht um das Wort oder den Islam, sondern um Politik. Religion sei eine sensible Sache. Werde sie benutzt, um Gefühle zu schüren, entstünden Probleme. Sie stehe über Menschen, sollte nicht politisiert werden.

Wer denkt, das wäre ein fernes Problem, der täuscht sich: es erwächst zügig, und weithin. Ein jüngeres Kind Abrahams verklagt Geschwister nicht nur für ein Copyright auf Allah.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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