Die Muttergottes, die sonst mit Krone und Zepter dargestellt wird, wirkt hier auf eine andere Weise menschlich. Der Anblick der schwangeren Maria ruft in besonderer Weise in Erinnerung, dass die Geburt des Gottessohns gleichzeitig auch die Geburt eines kleinen Menschenkindes ist, hilflos, klein, zerbrechlich. Liebevoll hat Maria die Hand auf ihren Bauch gelegt, wie eine schwangere Frau, die den Kontakt mit ihrem Kind sucht.
Mit Christus schwanger gehen
Die Redewendung „Mit einem Gedanken schwanger gehen“ ist uns heute noch bekannt. Sie bedeutetet: Eine Überlegung so zu verinnerlichen, sie längere Zeit mitzutragen, bis eine fertiger Gedanke geboren wird. Die gleiche Dynamik hat die Adventszeit, in der sich Christen auf die Ankunft Jesu vorbereiten, der an Weihnachten geboren wird. Im 17. Jahrhundert schreibt Angelus Silesius in seinem Cherubinischem Wandersmann die mahnenden Worte: „Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir; du bliebest noch ewiglich verloren.“ Es geht darum, das Weihnachtsgeschehen mit der eigenen Person in Verbindung zu bringen und so zu verinnerlichen.
Maria als Vorbild für die Adventszeit
Beispielhaft wird dies an der Fuldaer Mariendarstellung deutlich. Mit ihrer anderen Hand hält Maria einen Rosenkranz. Eine anachronistische Darstellung mit starker Aussage. So ist es doch der Rosenkranz, der das Leben Jesu meditiert, erst nach der Auferstehung Jesu möglich. Maria ist im Gebet versunken. Dabei ist sie ganz mit ihrem Sohn verbunden, physisch durch die wohl innigste Bindung zwischen Mutter und Kind in der Schwangerschaft, geistlich im Gebet.
Wie dafür gemacht
Das Gemälde stammt aus dem romanischen Vorgängerbau des Fuldaer Doms. Im Zuge des Umbaumaßnahmen kam es ins Benediktiner Kloster Fulda, in dem heute das Priesterseminar Fulda zuhause ist. In der modernen Seminarkapelle aus den 1960er-Jahren ist es das einzige bildlich realistische Gemälde. Es wirkt so, als hätte der Architekt, Sep Ruf, das Gemälde gekannt und für seinen heutigen Platz in der Kapelle vorgesehen. Obwohl das Bild erst später in die Kapelle kam. Das blaue Gewand von Maria fügt sich in das Gesamtbild der Kapelle ein. Es harmoniert farblich mit dem Altarbild, das auf abstrakte Weise das himmlische Jerusalem darstellt, wie es die Offenbarung des Johannes beschreibt.
Die Farbe Blau
Trotz der roten Backsteinwände bestimmt die Farbe Blau den Raum. Nicht nur hier, sondern auch sonst wird Maria in blauen Gewändern dargestellt, da Blau die traditionelle Farbe des Glaubens ist. Mit den beiden Bildern von Maria und der himmlischen Stadt eröffnet sich ein Spannungsfeld des Glaubens. Das sich zwischen dem bereits Begonnenen und der noch ausstehenden Erwartung entfaltet. In diesem Raum beten die Seminaristen, die sich auf das Priesteramt vorbereiten und vertiefen ihren Glauben.
Einladung, in das Geheimnis einzutauchen
Die Architektur stützt den Prozess der Glaubensvertiefung. Der Zugang in die Kapelle verläuft durch den barocken Kreuzgang des Priesterseminars und eine moderne Glasschleuse. Der Weg gehört bereits zur Kapelle. Von außen wirkt der Bau wie ein monolithischer Block, der im Sonnenschein golden glänzt. Die Geschlossenheit des Steins wirkt dabei keineswegs exkludierend, sondern lädt dazu ein, sich in den Bau hinein zu begeben und das Geheimnis des Glaubens zu erkunden.
Nach oben hin offen
Die Lichtverhältnisse in der Kapelle werden von Fenster-Nischen bestimmt, durch die indirekt Licht in die Kapelle fällt. Ein großes Fenster in der Decke direkt über dem Altar öffnet die Kapelle nach oben hin. Ein Symbol für die Offenheit des Glaubens auf Gott hin. Die auch in Marias Ja zu Gottes Willen enthalten ist. Eine Haltung, die in der Adventszeit eingeübt wird: Gottes Durchbruch im eigenen Leben zu erwarten.
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