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Abbas und Netanyahu: Mehr als „Ja-Nein“ ?

(explizit.net) Israelis und Palästinenser stimmten jüngst einer Grundlage zu, in Direktgespräche über mögliche Friedensverhandlungen einzutreten. Dies verkündete am Freitag Amerikas Außenminister John Kerry, der in seiner emsigen Reisediplomatie in vier Monaten von einer Seite zu anderen pendelte. Laufe alles wie geplant, würden sich Beteiligte in einer Woche oder so in Washington DC treffen. Das galt als Wink zur geforderten Freilassung von Palästinensern in israelischen Gefängnissen. Weitere Forderungen: Grenzen vor dem Krieg vom Juni 1967 gelten wie ein Siedlungsstopp als Verhandlungsbasis. Auf beiden Seiten mehren sich die Kritiker und der gesamte Plan hängt noch an einem Seidenfaden.

(explizit.net) Israelis und Palästinenser stimmten jüngst einer Grundlage zu, in Direktgespräche über mögliche Friedensverhandlungen einzutreten. Dies verkündete am Freitag Amerikas Außenminister John Kerry, der in seiner emsigen Reisediplomatie in vier Monaten von einer Seite zu anderen pendelte. Laufe alles wie geplant, würden sich Beteiligte in einer Woche oder so in Washington DC treffen. Das galt als Wink zur geforderten Freilassung von Palästinensern in israelischen Gefängnissen. Weitere Forderungen: Grenzen vor dem Krieg vom Juni 1967 gelten wie ein Siedlungsstopp als Verhandlungsbasis. Auf beiden Seiten mehren sich die Kritiker und der gesamte Plan hängt noch an einem Seidenfaden.

Premier Benjamin Netanyahu meinte dazu, er trete wieder in Verhandlungen ein, um die Bildung eines binationalen Staats zwischen Mittelmeer und Jordan zu vermeiden und die Entstehung eines weiteren, von Iran geförderten terroristischen Staats an Israels Grenzen zu verhindern. Damit spielte er auf Gaza und dessen islamistische Hamas-Führung sowie auf das Westjordangebiet unter dem Autonomiebehördenchef Mahmud Abbas an. Dessen voherige Direktgespräche mit Netanyahu brachen 2010 rasch zusammen. Auch damals waren Amerikaner die Initiatoren dieses Dialogs, der freilich zu keinem Resultat führte.

Palästinenser sind tief gespalten

Offenbar tagte das Exekutivkomitee der Palästinensischen Befreiungsorganisation am Donnerstag. Formell ist sie noch immer das Hauptorgan, Stimmung und Tendenzen unter den palästinensischen Fraktionen zu prüfen. Laut Pressberichten habe es heftige Debatten gegeben. Der langjährige palästinensische Unterhändler Saib Uraiqat zeigte sich nicht so pessimistisch wie üblich: er habe John Kerry versprochen, 48 Stunden zu schweigen, bis dann alles unter Dach und Fach sei. Die Aussichten wären gut, diesmal möge es klappen.

Erst wenn er und seine Gegenüber sich in einer Initialphase geinigt haben, sollen Abbas und Netanyahu zusammentreffen. Angesichts der vielen Zweifler auf allen Seiten kann im Moment nur aus dem Kaffeesatz gelesen werden. Die Stellung von Mahmud Abbas ist schwach. Seit 2003 Premier, dann seit 2005 Chef der Autonomiebehörde, fehlt ihm die weitere demokratische Legitimation durch Neuwahlen, die stets verschoben worden sind. Statt dessen ließ er sich im Mai 2011 mit Hamaschef Ismail Haniyya auf die fragwürdige Versöhnung ein. Der eine Führer erklärte öffentlich, Israel beseitigen zu wollen und löste auf dem Wege dahin Ende 2012 den jüngsten Raketenkrieg aus. Der andere Führer dieser ideologisch so tief gespalteten Palästinenser wich allen Direktgesprächen mit Israelis aus, um sich, sogar mit Teilerfolgen, die weltweite Anerkennung über die UN zu beschaffen.

Der unruhige Gaza-Streifen

Der kleine Erfolg John Kerrys hätte früher allein schon eine freudige Erregung ausgelöst. Heute agieren alle als gebrannte Kinder, nachdem es so wenig Fortschritte gegeben hat. Israelis wenden oft ein, durch ihren Abzug aus Gaza 2005 guten Willen gezeigt, aber sich als Lohn eine grenznahe islamistische Basis des Terrors und der Raketen eingehandelt zu haben. Acht Tage des Raketenkriegs aus dem Gazaland ab 14. November 2012 schienen ihnen voll recht zu geben. Denn was war es sonst, wenn nicht der reine Terror gegen die Zivilisten der andere Seite, was konnten die Geschosse denn noch anderes bewirken? So hat Netanyahu auch nur wenig Spielraum und seine Koalition kann sehr leicht platzen.

Regionalkrieg

Allerdings gehen beide Seiten aufeinander zu, weil sich unwägbare Faktoren häufen. Da ist vor allem der Bürgerkrieg in Syrien, der jeden Moment zum Flächenbrand eskalieren kann. Washingtons Rote Linien beim Chemiewaffeneinsatz bedeuteten wenig und seine Waffenhilfe hat bislang zu keinem sichtbaren Ergebnis zugunsten der Rebellen geführt.

Praktisch ist der Bürger- bereits zum Regionalkrieg ausgeufert, indem nun die Hizballah aus dem Libanon unverhüllt ihre Kämpfer zugunsten des al-Asad-Regimes an die Fronten geschickt hat. Da auch Iran mitmischt, wird es schon als Krieg entlang uralter Linien von Schiiten gegen Sunniten angesehen. Israel wäre aus dieser Sicht immer ein lohnenswertes Ziel. Denn in dem Falle könnte davon abgelenkt, diese Reihe wieder geschlossen werden.

Dabei erlebt Bashshar al-Asad eine vage Stabilisierung, den weiter die Russen, Chinesen und Iraner abstützen. Präsident Wladimir P. Putin tanzte den G8-Staaten in diesem Punkt auf der Nase herum. Er schaffte es sogar, dass führende Länder kein negatives Urteil über das al-Asad-Regime im Abschlußtext verankert. Was für ein Tiefpunkt in der Geschichte nach zweieinhalb Jahren Bürgerkrieg und 100.000 Toten. Nicht nur das. Zudem drängt die Flüchtlingsfrage. Was das vor Ort bedeutet, erlebte John Kerry am Donnerstag als er das jordanische Flüchtlingslager Zaatari besuchte, wohin sich 115.000 Syrer gerettet haben. Niemand redet mehr von der Syrienkonferenz mit Amerika und Rußland als Sponsoren

Es gibt auch Lichtblicke

Ganz so düster sieht der mittelöstliche Horizont nicht mehr aus, seitdem auch Liberale die Islamisten Muhammad Mursis abgesetzt haben. Zwar deuten die Straßenschlachten am Nil auf den qualvollen Prozeß mit Rückschlägen hin. Doch beginnt die Zivilregierung mit ihren drei Dutzend Technokraten zu wirken. Die Muslimbrüder haben zu ihrem alten Terrorrezept gegriffen. Vielleicht werden sie nicht nur Ägypten, sondern in koordinierten Aktionen weitere Länder treffen. Dies mag man auch in Amerika und Europa bedenken.

Aber diese Taktik findet Grenzen. Es kann der Punkt kommen, wo sie nicht einmal mehr in den eigenen Reihen vollen Zuspruch findet. Jüngere Generationen der Muslimbrüder haben selbst in Kairo Parlamente und Wahlen erlebt. Sie sind eher bereit, Schlüsse aus einem völlig verfehlten Extrem gegenüber möglichen Partnern in der Politik zu ziehen. Das bedeutet, dass sie nicht mehr in Israel „alles Übel“ wähnen, sondern im Mangel an Demokratie in den eigenen Reihen und in Ägypten daselbst. Dazu gab es lange Debatten.

Sollte es zu einer gewissen Beruhigung am Nil kommen, erwachsen auch Chancen, daß Ägypten wieder seine konstruktive Rolle im Prozeß spielt, den John Kerry anzubahnen versucht. Nötig wäre es. Denn nur mit den nächsten Nachbarn können Probleme in Gaza und in der Westbank überwunden werden. Unterhändler Uraiqat wird dies im Hinterkopf haben wie ebenso seine israelischen Gegenüber, darunter die Ministerin Tzipi Livni und Netanyahus Sondergesandter Isaac Molho. Sollten sie sich alsbald am Potomac treffen, so läuft dies unter unsteten Umständen in Mittelost ab, die sich rasch verändern können. Aber darin liegt sicher auch eine gewisse Chance, die es zu testen gilt. Die gewünschten Direktgespräche wären ein kleiner Forschritt, obzwar der eigentlich zu begehende Weg ungemein steinig bleiben wird: noch immer schwelt der Konflikt um den Iran mit Nukes.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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