Moskauer Familie Foto: hinsehen.net E.B.

100 Milliarden schützen nicht vor Atomraketen

Der Ukrainekrieg stockt. Eigentlich könnte man aufhören. Dann wären aber die tausenden russischen Soldaten umsonst gestorben. Aber was kommt danach: der Zweite Ukrainekrieg mit Atomraketen?

Es ist nicht einfach, einen Krieg so zu beenden, dass nicht der nächste entsteht. Als Hindenburg und Ludendorff den Waffenstillstand anboten, während die deutschen Truppen noch in Frankreich standen, haben große Teile der Bevölkerung das als Verrat empfunden. Später wurde dazu die "Dolchstoßlegende" erfunden. Die Heimat habe die kämpfenden Truppen nicht mehr genügend unterstützt, "dem Heer den Dolch in den Rücken gestoßen". Erst mit der totalen Niederlage 1945 konnten sich die Deutschen mit der Niederlage 1918 abfinden. Übertragen auf heute heißt das: Wenn die russische Bevölkerung die Niederlage nicht akzeptiert, kann ein neuer Putin den Zweiten Ukrainekrieg vorbereiten. Die russische Bevölkerung, nicht nur die Staatsführung will die Ukraine zurück.

Wofür die Ukraine kämpft

Krieg, ob im Kleinen oder Großen, heißt immer, dem anderen etwas wegnehmen, was er nicht freiwillig hergeben will. In dem Krieg will die Bevölkerung der Ukraine zwei Dinge nicht hergeben
Den Landstrich im Osten und noch weniger ihre politische Ordnung, sie wollen nicht unter einer autoritären Staatsmacht leben, sondern unter einer vom Volk gewählten Regierung, in Rechtssicherheit, mit Medienfreiheit, als Mitglied der EU und nicht in der von der russischen Bevölkerung gewollten Abgrenzung gegenüber dem Westen. Diese Abgrenzung wollen nicht zuletzt die orthodoxen Bischöfe Russlands. Nach dem Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill 2016 auf Kuba stellte eine Zusammenkunft der Bischöfe fest, dass dieses Treffen der Orthodoxie geschadet habe. Wie die Staatsführung geht die Kirche Russlands davon aus, dass sie bestimmen kann, was die Russen denken. Es ist also auch eine religiöse Herausforderung. Aber wie denken wir über die Russen:

Russland muss nicht autoritär regiert werden

Gibt es nicht bei uns die Meinung, dieses riesengroße Land könne nur "mit starker Hand" zusammengehalten werden? Wir haben uns mit dem Regiment von Putin abgefunden. Europa, nicht die USA, ist eher unterwürfig aufgetreten. Man orientierte sich an diesem einen Russen, suchte ihn zu besänftigen und ließ seine Oligarchen ihr Geld in den Westen bringen, Geld, das sie von den Einnahmen aus den Gas, Nickel- und Ölexporten abgezweigt haben. Beim Doping war man härter. Hier traf es die Vertreter Russlands, auf die die Menschen stolz sein wollen. Auch die jetzigen Sanktionen empfinden die Russen als westliche Aggression. Die Zustimmungswerte für Putin sind deshalb gestiegen. Nichtbeachtung beantworten die Russen mit der These, dass ihr Land dem Westen moralisch überlegen sei, da dieser wegen seiner Dekadenz keine Überlebenschance habe. Wir haben das einfach hingenommen und den Oligarchen für ihre Yachten Liegeplätze zur Verfügung gestellt. Die Russen, die Bevölkerung, spielten im politischen Denken keine Rolle. Sie werden doch von uns als eher rückständig eingeschätzt. Bleibt das so, werden sie in einem nächsten Krieg dem Westen zeigen, dass man sie ernst nehmen muss. Am einfachsten geht das mit atomarer Aufrüstung. Der Westen hätte preiswertere Investitionen als militärische Aufrüstung, u den nächsten Ukrainekrieg zu verhindern.

100 Milliarden zähmen keine Atomwaffen

Wir sprechen von Putins Krieg und nehmen die Russen wieder nicht ernst. Putin kann für seine „militärische Intervention“ mit der Unterstützung der Mehrheit der Russen rechnen. Dabei geht der Krieg gegen eine mehrheitlich russische Bevölkerung. Denn der Osten der Ukraine spricht nicht nur russisch, viele Russen sind in das Industriegebiet des Donbass gekommen. Man konnte sogar eine Lagerstrafe durch Arbeit in einem Kohlebergwerk des Donbass kompensieren. Auch der Moskauer Patriarch unterstützt einen Krieg gegen die eigenen Gläubigen. Die orthodoxen Gemeinden der Ukraine, die einmal alle dem Moskauer Patriarchen unterstanden, sind zwar weniger geworden, aber gerade im Osten sind sie beim Moskauer Patriarchat geblieben. Das liegt in einer jahrhundertelangen Verbindung begründet. Nach orthodoxer Konzeption soll jeder Staat ein eigenes Kirchenoberhaupt haben, am besten einen Pariarchen. Seit dem Austritt der Ukraine aus der Sowjetunion gibt es diese Bestrebungen, 2018 hat der Patriarch von Konstantinopel/Istanbul eine eigenständige ukrainische Kirche anerkannt. Da diesem Patriarchen der erste Platz in der Orthodoxie gebührt, ist seine Anerkennung entscheidend. Zudem ging die Christianisierung der Ostslawen von Konstantinopel aus und Kiew war bis zum Mongoleneinfall im 13. Jahrhundert kirchlicher Mittelpunkt der Rus. Als dann im 16. Jahrhundert von Moskau aus die Mongolenherrschaft langsam abgeschüttelt wurde, wurde die Stadt auch das kirchliche Zentrum der Ostslawen. Der Patriarch unterstützt nicht zuletzt deshalb den Krieg, um die neue ukrainische Kirche wieder aufzulösen und seine Gemeinden zurückzugewinnen.

Es geht um die Russen

Die Politik wie auch die westlichen Kirchen, ob Katholiken oder Protestanten, können es sich nicht mehr so einfach machen, indem sie mit dem Präsidenten bzw. Patriarchen verhandeln, um damit auch gleich alle Russen "mit im Sack zu haben". Ob Politiker oder Kirchenleute, sie müssen die Menschen überzeugen. Dafür müssen sich die Russen erst einmal als Partner ernst genommen fühlen. Wer nur mit der Staatsführung bzw. der Kirchenleitung verhandelt, verstärkt die Abhängigkeit der Bürger von ihrem Diktator bzw. Patriarchen. Sich nicht für die Menschen interessiert zu haben, hat die autoritären Strukturen gestärkt. Wenn jedoch eine Kirchengemeinde, eine Kommune, ein Sportverein Besuch von einer Pfarrei, einem hiesigen Sportclub, einer Gewerkschaftsgruppe, einer Kommune erhält, werden die Menschen anders über den Westen denken. 

Deutschland müsste vor allem aktiv werden

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, hatte Deutschland ein Vielfaches an Gräueltaten zu verantworten als Russland jetzt. Deshalb ist es unerträglich, wie Deutsche über die Russen reden. Auch wenn die Russen vergewaltigt, Zivilisten erschossen, das Konzentrationslager wie Buchenwald und Sachsenhausen weitergeführt haben, sie waren nicht auf eine so tiefe Stufe wie die Deutschen abgesunken. Deshalb wäre Deutschland in der Lage, sich in die Situation der russischen Bevölkerung hineinzuversetzen und deren Wunsch zu unterstützen, als Volk mit einer eigenen Kultur akzeptiert zu werden. Das sollte der gegenüber den Ostdeutschen überhebliche Westen finanzieren, aber das Knowhow und die Kontakte der Menschen in den Neuen Bundesländern nutzen. Wie es ein Deutsch-Französisches Jugendwerk gibt, braucht es ein solches sowohl mit der Ukraine wie mit Russland. Es braucht 100.000 Studienplätze sowohl für junge Ukrainer wie für junge Russen und genauso viele Partnerschaften. Das kostet keine 100 Milliarden, würde aber effektiver Deutschland vor einem Atomanschlag schützen. Das Deutsch-Französische Jugendwerk hat einen Jahresetat von 29,5 Millionen Euro.

Beiträge über Beziehung Russlands zum Westen

Der Bruch geht auf das 13.Jahrhundert zurück
Russland fürchtet, wenn es vom Osten bedrängt ,der Westenangreifen wird,nicht erst Napoleon und Hitler, sondern seit dem13.Jahrhundert, als die Mongolen die Großfürtsten der Rus tributpflichtig machten und der Deutsche Orden von Westen herangriff. Hier zum Beitrag von Vladimir Pachkov

Russland - von der Nato eingkreist?
Was 2014 schon absehbar war: Putin und mit ihm die Mehrheit der Russen wollen die Gebiete der früheren Sowjetuion, die baltischen Staaten, die Ukraine, die zentrasiatischene Republiken wieder zurückholen. Trotz dieser Expanionspolitk fühlt sich Russland bedroht. Wie dieses Gefühl zustandekommt, hat Vladimir Pashkov bereits 2016 beschrieben: Russland - von der NATO eingekreist?

Der Westen fühlt sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges von Russland bedroht. Die Russen umgekehrt von der Nato, die ihre Raketen auf Russland gerichtet hat. In der Logik nicht nur der politischen Führung muss Russland die Nato fernhalten. Hier zum Beitrag Russland fühlt sich bedroht

Orthodoxie und Staat in Russland
Nach dem Zerfall der Sowjetunion war auch das Wertegerüst des Staates abgeräumt. Wie die zentralasiatischen Staaten orientierte sich Russland an der Religion. Daher die enge Verbindung von Staat und Religion. Hier zum Weiterlesen  

Weitere Beiträge sind hier zusammengestellt: Russland und der Westen

 

 



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