Das wuselige Treiben und die Staus auf den Straßen von Betlehem können nicht darüber hinwegtäuschen, dass seit der Corona-Pandemie und verschärft durch die jüngsten Gewaltausbrüche in der Region, auch dieses Jahr an Weihnachten weniger Pilger:innen und Tourist:innen im Geburtsort Jesu Christi erwartet werden. In einer Stadt, in der rund zehn Prozent Christ:innen leben, aber nahezu 100 Prozent der Bevölkerung direkt oder indirekt vom Tourismus rund um die Geburtskirche und die Hirtenfelder lebt, ist dies existenzbedrohend. Denn Corona und die Inflation haben die Kosten nach oben getrieben, ohne dass genügend Einnahmen da sind. Und die „klamme“ palästinensische Autonomiebehörde hat kein Geld, um Firmen und Betriebe finanziell zu unterstützen.
Dazu kommt ein zweites Problem: Die „jungen“ und „gebildeten“ Betlehemer:innen verlassen die Stadt, um in Israel und im Ausland (beliebt sind deutsche Universitäten) zu studieren. Doch nach ihrem Studium kehren Viele - wegen der schlechten Arbeitssituation - nicht zurück. Zurückbleiben viele junge und alte Menschen. Ein Großteil der medizinischen Versorgung läuft über das Caritas Babyhospital, welches nicht nur Säuglinge und Kinder aus Betlehem, sondern aus dem ganzen Westjordanland, behandelt.
Und da ist dann noch das dritte und größte Problem: Die Mauer. Die in Israel als „Sperranlage“ bezeichnete Grenzanlage, die nicht nur Jerusalem und Betlehem, sondern über 759 Kilometer auch Israel vom Westjordanland voneinander trennt. Und auch wenn Jerusalem nur wenige Kilometer entfernt ist, kann dennoch nicht Jede:r aus Betlehem und seinen Vororten wie Beit Jala und Beit Sahur dort arbeiten oder in Israel reisen.
Die einen Bewohner:innen sprechen negativ von „Gefängnis“, die anderen hoffnungsvoll vom Beginn eines eigenen Staates. (Selbst-) verwaltet wird die Stadt durch die palästinensische Autonomiebehörde, die militärische Kontrolle an der „Sperranlage“ und bei der Ein- und Ausreise hat der israelische Staat. Beide sind voneinander abhängig, besonders wirtschaftlich. Aber der Weg zu einer Zwei-Staaten-Regelung scheint dennoch weit.
Mauerkunst gegen Beton und Stacheldraht
Aber es gibt auch Hoffnungszeichen, auf beiden Seiten der Mauern. Und diese sind an der Mauer selbst zu finden. Bewohner:innen und Künstler:innen nutzen die Betonmauer als Leinwand, um der Hoffnung nach Frieden und Freiheit künstlerisch Ausdruck zu geben. Von einfachen Parolen über Graffitis bis hin zu aufwändig gestalteten Wandbildern ist alles dabei. Umrahmt von Stacheldraht und im Schatten der Wachtürme.
Bekannt geworden sind die „Mauerbilder“ vor allem durch den Künstler „Bansky“. Die Bilder („Murals“) und Kunstinstallationen des - laut Wikipedia - (britischen) Street Art – Künstlers oder Künstlerin, dessen / deren Identität nicht bekannt ist, nutzt die Mittel der Kommunikationsguerilla, um auf Missstände aufmerksam zu machen.
Aber es sind die vor allem die vielen kleinen Zeichnungen und Bilder, die dazu beitragen, aus dem Trennenden der Betonmauer etwas Verbindendes zu schaffen. Und die Mauerkunst ist – ähnlich wie an der Berliner Mauer – auch ein Zeichen der Hoffnung. Und diese stirbt ja bekanntlich (besonders an Weihnachten im Fernsehen) nur langsam.
„Über Mauer kann man fliegen, wenn man seinen Feind vergibt.“
(Unbekannt - Spruch an der Mauer zwischen Betlehem und Jerusalem)
Christian Schnaubelt
(der Autor ist Redaktionsleiter von explizit.net und besucht seit 1995 regelmäßig das Heilige Land)
P.S.: Der Autor verwendet in diesem Artikel die arabische Schreibweise für die Ortsbezeichnung Betlehem, die auch in der Einheitsübersetzung der Bibel verwendet wird.
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