Duft für die Seele
Es geht immer gleich steil bergauf. Nicht wie im Hochgebirge, aber die fünfzig Hügel, die sich auf der rechten Seite des Rheintals bis immerhin 460m erheben, sind schon immer eine kleine sportliche Leistung. Unsere Route führt uns 10 km auf befestigten Wanderwegen. Nach starkem Regen kann es allerdings auch schon mal richtig matschig werden, wenn die Waldarbeiter mit ihren schweren Geräten die Strecken vorher durchwühlt haben. Rechts und links der Pfade ist bereits viel Holz aufgeschichtet. Manchmal halten wir an, um diesen besonderen Geruch von frisch gefällten Bäumen durch unsere Nasen zu ziehen. Da kommen Kindheitserinnerungen auf. Wir kennen diesen Geruch beide aus jungen Jahren, als die Öfen noch mit selbst geschlagenem Holz befeuert wurden. Die Sonne, die noch nicht hochsteht, schickt ihre Strahlen durch das helle Grün der Hainbuchen. Durch die lichten Stellen können wir den blauen Himmel erkennen. Das tut unserer Seele gut. Auf den braunen Waldflächen mit den Stümpfen der gefällten Bäume zeigt sich bereits neues Grün. Der Fingerhut steht schon bereit, um in ein paar Wochen das „tote“ Land in ein Farbenmeer von lila Kerzen zu tauchen. Die Blaubeerbüsche haben jetzt genügend Licht, um sich zu entwickeln, die Veilchen und das Immergrün blühen bereits. Auch die kleinen Bäumchen der Neuaufforstung sind schon ausgeschlagen. Es wurden Kirschbäume gepflanzt. Das Umfeld hat sich in nur drei Wochen so verändert, dass es sich wieder lebendig anfühlt.
Auge Gottes
Auf halber Strecke erreichen wir das „Auge Gottes“. Ein kleiner Bildstock im Schutze einer hoch gewachsenen Buche, die gerade ihr grünes Frühlingskleid entwickelt. In diesem Bilderstock ist Platz für Kerzen. Bei Wikipedia wird folgende Geschichte erzählt.
Der Bildstock wurde vermutlich zwischen 1870 und 1880 durch den Gastwirt Johann Wilhelm Menden erbaut. Dieser besaß das Grundstück an einer Kreuzung des damals bedeutenden Verbindungswegs vom Westerwald zum Rhein und hatte zunächst geplant, dort ein Gasthaus zu erbauen. Der entsprechende Bauantrag an die Gemeindeverwaltung Rheinbreitbach wurde jedoch abgelehnt. Mendens Grundbesitz wurde häufig Opfer von Holzdiebstählen, die er nicht verhindern konnte, solange er dort nicht regelmäßig anwesend war. Als Mahnung an die Diebe errichtete Menden stattdessen den Bildstock, in dessen Giebel eine Darstellung von Gottes Auge der Vorsehung angebracht ist, dem als „allessehendes Auge“ keine Sünde entgeht.
Wikipedia: Auge Gottes, Rheinbreitbach
Heute ist das Auge Gottes auch eine Station der Wallfahrt von Bad Honnef nach Bruchhausen. Manchmal treffen wir auf Wanderer, die auf dem Rheinsteig automatisch am „Auge Gottes“ vorbei kommen.
Rast zum Beten
Wie selbstverständlich zünden wir zwei Teelichter an, danken aus vollem Herzen mit dem Blick zum Himmel für den Tag, das Wetter, das Zwitschern der Vögel, den Wind, der auf diesem Platz immer weht, den blauen Himmel, den zurückgelegten Weg, für die Gemeinschaft unter uns.
In unseren Bitten denken wir an die Kranken, an diejenigen, die diesen Weg nicht mehr gehen können, an die, die gerade in dieser Pandemie Menschen verlieren oder in Existenznöten stecken und auch an unsere eigenen Kinder und Enkelkinder, dass sie auf ihre Gesundheit achten, sich in dieser Gesellschaft mit ihren Gaben und Talenten aktiv einbringen, um dazu beizutragen, dass unsere Welt sich zum Guten entwickelt. Denn sie müssen so manches in den Blick nehmen, was unsere Generation unbeachtet ließ. Mit dem Vaterunser und der Anrufung des Segens schließen wir.
Manchmal sitzen, wenn wir ankommen, bereits Menschen auf den Bänken um den Bilderstock herum, die unseren Gebeten lauschen oder es gesellen sich junge wie alte Wanderer zu uns. Sie bleiben zwar eher zurückhaltend im Hintergrund, sind jedoch andächtig dabei. Niemand kennt den anderen und fühlt sich doch mit ihm verbunden. Beten schafft Gemeinsamkeit und innere Verbindung.
Der Heimweg
Mit viel Schwung, neuen Energien kehren wir dem Auge Gottes den Rücken. Der Weg führt in einem großen Bogen zurück in heimatliche Gefilde. Wir wissen uns aufgehoben und getragen, nicht zu verstehen als ständig vom „Auge Gottes“ beobachtet, sondern zu diesem großen Ganzen des Kosmos zugehörig, wahrgenommen und in ihm beheimatet. Ein gutes Gefühl, das uns meist leichtfüßig heimwärts trägt.
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