Jesus unter den Jüngern, Goslar, F: explizit.net E.B.

Pics or it didn’t happen

Der Jünger Thomas ist der Prototyp des modernen Christen: der bezwungene Skeptiker. Skepsis wird im Christentum großgeschrieben. Doch im österlichen Licht verwandelt sich die Vorsicht. Der Weg zur Verwandlung ist ganz anders als das, was man landläufig meint. Jesus zeigt einen anderen Weg.

Der Herr geht durch verschlossene Türen.

 

Ein Sinnbild für den gesamten Menschen. Oft haben wir «zugemacht», mit anderen «abgeschlossen». Die Kommunikation haben wir «dicht gemacht» und lassen ja nichts durch. Die Tür ist zu. Was bei uns zu großem Frust und mancher Träne führt, ist bei Jesus kein Problem. Er geht durch die verschlossenen Türen, selbst wenn da ein Securitydienst Wache schieben würde. Er hat Mittel, die wir nicht haben.

Das sollte uns ermutigen: Selbst wenn wir vor verschlossenen Türen stehen, sollten wir nicht die Flinte ins Korn werfen und uns abwenden. Wir sollten uns an Jesus wenden. Wir kommen nicht mehr weiter; er aber schon! Diese Hinwendung nennen wir Gebet und die Bitte, Jesus möchte durch die Mauern gehen, Fürbittgebet.

 

Dann betritt Thomas die Bühne, oder besser gesagt: er glänzt mit seiner Abwesenheit. Auch das ist typisch für den modernen Christen! Jesus zieht ein in das eigene Leben, aber man ist leider gerade nicht zuhause. Man war mit seinem Herzen irgendwo anders, nur nicht bei sich.

Aber – Gott sei Dank! – bekommt Thomas noch einen zweiten Besuch gewährt. Und der ist sehr interessant. Was er beim ersten nicht erlebt hat und wovon die anderen ihm erzählt haben, das will er nicht glauben. Er stellt Bedingungen auf: rationaler Diskurs würde man heute sagen. «Ich will die Fakten sehen!» oder wie man im Internet sagt: «Pics or it didn’t happen!» Der Skeptiker Thomas hat sich einen Vorsatz gefasst. Das Beweisverfahren ist gewählt. Das geht uns häufig auch so: Gott muss „liefern“, wenn er Gott sein will. Wir stellen das Beweisverfahren auf. «Ja dann, und nur dann, glaube ich.»

 

Doch die Story geht anders. Thomas hat sich sein theoretisches Gebäude entworfen. Und wie so oft schmeißt die Praxis dieses Gebäude um. Letztlich lässt Thomas seinen Vorsatz fallen: Er wollte den «Finger in die Wunde legen». Doch er weiß auch ohne Lackmustest, wen er vor sich hat.

Zwei Dinge fallen ins Auge: das wirkliche Beweisverfahren und der Umgang mit der «skeptischen Dogmatik».

Jesus überzeugt mit seinen Wunden. Er redet sich nicht den Mund fusselig. Er hält keine Predigt. Er spricht nur: «Du darfst mich berühren!» Was eine verrückte Aussage. «Du darfst Gott berühren!» An seiner empfindlichsten Stelle! So erkennen wir Gott: an seinen Wunden. Es ist nicht seine niederdrückende Majestät. Es ist nicht seine Wunderfähigkeit. Am Ende, wenn wir die Palette der skeptischen Methoden angewandt haben, bleiben nur noch seine Wunden. Das überzeugt uns, wenn weder Wort noch Tat Gottes uns überzeugen.
Das andere ist das harte Herz des Skeptikers, der alles bezweifelt außer seinen eigenen Skeptizismus. Er würde sich ja ad absurdum führen. Der Widerspruch ergibt sich von selbst. Er sagt zwar, es gäbe ein Beweisverfahren, was ihn überzeugen würde. Nur: Er glaubt selbst nicht daran. Wäre der Beweis erbracht, würde er es klein reden und ein neues Beweisverfahren aufstellen. Immer so weiter. Jesus bezwingt den Skeptizismus, indem er ihn nicht beachtet. Es kommt nicht auf unsere Meinung über die Dinge an, sondern auf die Dinge selbst. Wie oft haben wir eine Meinung über jemanden! Wie oft haben wir unwohl-gesonnene Gedanken und misstrauen jemandem! Jesus ignoriert das. Es zählt allein die Begegnung mit ihm. In der Begegnung fällt der Skeptizismus, nicht beim Lesen eines Buches oder beim Hören eines Vortrages. So ist es nicht nur im Glauben, sondern auch im gesamten Leben. Mein Vorurteil, meine Skepsis über eine Person schmilzt in der Begegnung mit ihr. Die Begegnung entscheidet, nicht die Meinung darüber.


Kategorie: Religion

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