Zum Foto: Jesus hat bereits Gruppenarbeit eingeführt. Er hat viel Zeit auf die Schulung der Jünger gelegt und außer Judas Iskariot keinen verloren. Ihre Leitungskompetenz war ausreichend, um die Kirche auf die Beine zu bringen. Sie hatten keine Verwaltung, aber einen Blick für die Begabungen und ließen sich vom Geist Jesu leiten. Die Leitlinien für Leitung stehen in der Bibel. Wer leitet soll dienen, das lateinische Wort für Diener ist Minister.
Leitung kann man lernen
Jeder, dem eine verantwortliche Position in einem Unternehmen oder einer Einrichtung übertragen wird, erhält diese Position, weil man ihm besondere Qualitäten in dem geforderten Fachgebiet zutraut. Mit dieser Aufgabe übernimmt er meist auch die Verantwortung für die Führung der Mitarbeitenden. Die Fachkompetenz beinhaltet allerdings keine Verfahren für die Leitung von Teams und Gruppen. Kompetenz für Leitung braucht ebenso wie andere Kompetenzen Verfahren, mit denen Leitung konkret umgesetzt wird, um Mitarbeitende so zu führen, dass sie mit ihren Fähigkeiten das Unternehmen bzw. die Einrichtung weiterbringen und sich damit als Personen entwickeln können. Ob diese Qualifikation zur Mitarbeiter-Führung bei der Vergabe von Führungsposten immer im Blick ist, stelle ich in Frage. Denn in den speziellen Studiengängen werden, wenn überhaupt, Leitungsaufgaben nur theoretisch abgehandelt. Da muss man sich fragen, wie jemand praktisch leiten kann, wenn er es sich nur theoretisch angelesen oder über Vorträge vermittelt bekommen hat. Für die Leitung von Mitarbeitenden brauche ich nämlich ganz konkrete Verfahren, die ich auch praktisch beherrsche. Sie sind wie ein Handwerk zu erlernen. Um Bäcker oder Schreiner zu werden braucht es drei Jahre Lehre, damit die Verfahren sicher eingesetzt werden können. Auch die Leitung braucht Übung im „Schonraum“ der Ausbildung oder des Studiums, damit sie mit Sicherheit diese Aufgaben in der Realität übernehmen kann.
Priestern in leitender Position brauchen Verfahren speziell für die Leitung
Auch Priester müssen Verfahren für Leitung einsetzen. Diese sind ihnen nicht in die Wiege gelegt und schon gar nicht mit der Weihe einfach übertragen worden. Mit der Übernahme der großen Einheiten, die in den katholischen Diözesen durch Zusammenlegung von Gemeinden entstanden sind, wachsen ihnen sogar immer mehr von diesen Verantwortlichkeiten zu. In der Ausbildung zum Priester wird zwar über diese Aufgaben referiert und diskutiert, aber nur wenige der Ausbilder integrieren praktische Trainings in ihre Veranstaltungen. Ohne hilfreiche Übungseinheiten mit Feedback wird ein Priester in der Ausübung dieser Kompetenzen alleine gelassen. Viele müssen sich später durch Fortbildungen die Verfahre aneignen, wobei auch hier immer noch oft genug diese nicht durch konkrete Übungen vermittelt werden. Fortbildungsabteilungen sollten deshalb genau hinschauen, wie von den Referenten gearbeitet wird. Wenn nur theoretische Vermittlung mit Vorträgen und vielen Arbeitsblättern zum Nachlesen angeboten werden, baut das nur Leitungswissen, aber noch keine Leitungskompetenz auf. Der Einzelne braucht die konkrete Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn er die Verfahren für die Moderation einsetzt; z.B. eine Konferenz zu leiten, die zu einem Konsens führen soll, eine Diskussion zu strukturieren, um die verschiedenen Argumente auf den Tisch zu holen oder ein Konfliktgespräch so zu moderieren, dass es keinen Verlierer oder Gewinner gibt und eine Vereinbarung erzielt wird, wie die nächste spanungsreiche Situation nicht zu einem erneuten Konflikt führt. Die Übenden brauchen die konstruktive Rückmeldung der anderen aus der Übungsgruppe, um sich selbst besser einzuschätzen und ihre eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
Die Basis-Verfahren für unterschiedliche Gesprächsformen
Führungskräfte können ohne den kompetenten Einsatz entsprechender Verfahren, Gruppen nicht moderieren und Teams nicht zu gemeinsam getragenen Entscheidungen führen. Einige verbale Strategien können aus dem Training für seelsorgliche Beratungs- und Begleitgespräche übernommen werden. Für die Leitung von Teams- und Gruppen sind dann noch weitere Verfahren einzuüben. Da gibt es Erfahrungsrunden, Diskussionen, Konferenzen, Konfliktmoderation wie auch das Mitarbeitergespräch. Diese verschiedenen Leitungsaufgaben werden mit jeweils einer eigenen Gesprächsform bewältigt. Die Schritte und verbalen Strategien leiten sich von der Zielsetzung der jeweiligen Gesprächssituation ab. Diese können wie auch für andere Kompetenzen als Regeln formuliert werden:
1. Für eine Austauschrunde, in der der Erfahrungsschatz der Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen gehoben werden soll, um mit deren Kompetenzen zu arbeiten, braucht die Leitung die Fähigkeit des aktiven Zuhörens. Indem sie die Erfahrungen jedes einzelnen mit eigenen Worten widergibt, sichert sie so jedem und jeder seinen/ihren Platz. Wird im Erfahrungsaustausch auf Beiträge von anderen kritisch reagiert oder werden Beurteilungen abgegeben, muss die Leitung angemessen intervenieren, denn Erfahrungen sind nicht diskutierbar.
2. In einer Diskussion, die zum Ziel hat, Meinungsvielfalt zu ermöglichen, hat die Moderation die Aufgabe, möglichst alle Argumente pro und contra auf den Tisch zu holen, damit durch unterschiedliche Aspekte der Blick der einzelnen erweitert wird. Eine Diskussion hat nicht das Ziel, zu einer Übereinstimmung zu kommen. Um der Vielfalt Raum zu geben, muss die Moderation gänzlich auf Beurteilungen verzichten, denn sonst verliert sie ihre Rolle in der Moderation. Ihre Moderation übt sie so aus, dass sie die Argumente herausarbeitet und ordnet, indem sie z.B. eine Metaplanwand nutzt.
3. In einer Konferenz, die ein definiertes Problem zur Entscheidung bringen soll, gibt es 4 Schritte, wie diese Entscheidung im Konsens getroffen werden kann. Im ersten Schritt wird sich über das Problem verständigt, im zweiten werden die Lösungsvorschläge im Brainstorming gesammelt, im dritten Schritt werden die Vorschläge nacheinander diskutiert, im vierten Schritt wird abgewogen und entschieden.
4. Die Moderation eines Konfliktgespräches durchläuft fünf Schritte. Die ersten drei Schritte dienen der Bestandsaufnahme, damit die Emotionen aufgeräumt werden und Verständigung möglich wird. Erst dann können die Konfliktbeteiligten zu einer tragfähigen Vereinbarung kommen, die verhindern soll, dass das Konfliktpotential ständig wieder auflodert. Wichtig dabei ist, dass die Moderation darauf achtet, dass es weder Gewinner noch Verlierer gibt. Das kann sie erreichen, wenn sie die jeweiligen Anteile am Konflikt herausarbeitet.
5. Auch das Mitarbeiter-Jahresgespräch hat bestimmte Schritte, die dazu dienen, dass die Mitarbeiter*innen erzählen können, wie es ihnen in ihrem Arbeitsbereich geht, wie sie mit Kolleg*innen klarkommen, welche Perspektive sie sich vorstellen, für was sie eine Fortbildung brauchen.
Alle Gesprächsformen haben ihre eigenen Verfahren, die in Regeln formuliert werden, um durch Anwendung der Regeln das jeweilige Ziel zu erreichen. Diese Regeln funktionieren wie eine Grammatik, die ich nicht nur lernen, sondern auch einüben muss. Ich kann mir das wie bei einer Fremdsprache vorstellen. Auch da muss ich Vokabeln, Grammatik und Aussprache lernen, um mich dann in der Sprache verständigen zu können. Ich brauche die Übung auch, um selbstständig Sätze zu bilden, mit denen ich auf die Situation und das Thema reagieren kann. Habe ich kein Übungsfeld, bleiben Worte und Satzbau nur als Wissen in meinem Kopf. Für Leitungsverfahren ist daher ein vergleichbares Training unentbehrlich.
Mit dem Geist leiten
Die Verfahren sind ein Muss für Führungskräfte und damit auch für Priester. Bei Priestern kommt noch etwas hinzu. Das Bündnis der Priester mit dem heiligen Geist gibt dieser Berufsgruppe ein unterstützendes Element. Den Geist wirken lassen, auf den Geist hören, dem Geist Raum geben. Was bedeutet das? Wie kann das konkret gehen?
Der Geist zeigt sich in den Charismen, durch sie werden die Begabungen, die in den Mitarbeiter*innen stecken für das Unternehmen fruchtbar. Die Begabungen haben nur die Chance zu wachsen, wenn sich ein Geist innerhalb des Teams ausbreiten kann, der diese Perspektive überhaupt möglich macht. Erst ein solcher Blick lässt Leitungskräfte die Begabungen und Talente erkennen, die sich verwirklichen wollen. Gelingt es den Führungskräften, diese Berufungen zu erkennen und dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden, sichern sie für die Institution die Früchte und ermöglichen die Persönlichkeitsentwicklung jedes einzelnen.
Bewusstsein für den inneren Lebensauftrag schaffen
Eine Institution wie die Kirche lebt von den Charismen die Mitarbeiter*innen, die sich in den Tätigkeitsfeldern weiter entfalten sollen. Denn nur wenn die Charismen ihren Einsatz finden, kann sich die Institution mit dem wertvollen Potential der Mitarbeiter*innen auch selbst weiter entwickeln. Entscheidend dafür ist, dass der Priester ein geistiges Klima im Team mit den Hauptamtlichen wie Ehrenamtlichen ermöglicht, das den Berufungsgedanken als ein hohes Gut bei der Vergabe von Aufgaben in den Blick nimmt.
In Gesprächen, in denen Mitarbeitenden ermöglicht wird, sich ihren Begabungen und Talenten bewusst zu werden, geschieht auch ein Prozess in ihnen. Sie können erfahren, dass es um ihren Lebensauftrag geht, den sie an dem jeweiligen Arbeitsplatz verwirklichen können. Nur wenige leben bereits mit dem Bewusstsein, dass sie einen ganz einzigartigen Lebensauftrag haben, den sie an ihrem Arbeitsplatz erfüllen können. Führungskräfte können dem Geist Raum geben, damit sich die Charismen zeigen dürfen:
1. Schritt 1: Das Bewusstsein stärken, dass es um den Lebensauftrag des Einzelnen, seine Berufung, seine Talente, seine Begabungen und Kompetenzen an seinem Arbeitsplatz geht. Dass es einen solchen Auftrag gibt, wird den Mitarbeitenden meist erst bewusst, wenn sie von der Leitung darin auch Unterstützung finden, wenn sie eine Resonanz auf ihre Begabungen und ihren Einsatzwillen erleben. Wenn sie spüren, dass die eigene Berufung auch wirklich gewollt ist, werden sie ihr Engagement und ihre Kompetenzen voll einbringen.
2. Schritt 2: Mit Fragen an die Wurzel der Begabungen und Talente, an den „Ruf“ kommen. Das können Fragen sein, die sogar bis ins Jugendalter zurückführen, denn da gibt es oft die ersten Impulse für das, was den Einzelnen überhaupt in diesen Beruf getrieben hat.
Mögliche Fragen: Bei welchen Aufgaben geht ihnen so richtig das „Herz“ auf? „Was hat sie überhaupt in den Beruf geführt?“ „Was ist ihre innere Sehnsucht, die sie antreibt?“ „Für welche Werte wollen sie stehen“? „Was möchten sie durch ihren Einsatz anderen Menschen ermöglichen?“
Für die Freilegung des Lebensauftrages bietet das Mitarbeitergespräch den Raum. Die Leitung kann mit den Erkenntnissen, die sie im Mitarbeitergespräch gewonnen hat, die Entfaltung der Charismen aufmerksamer verfolgen und unterstützen. Die oben benannten Verfahrendes des aktiven Zuhörens und des freien Flusses der Ideenfindung eröffnen den Raum, dass die Charismen in den einzelnen Vorhaben und Projekten wirksam werden können.
Die Autorin hat im Eb-Verlag Berlin die Leitungsverfahren praxisnah beschrieben
Gesprächsleitung: Den Ton treffen
Kurse und Veranstaltungen: Lebendig leiten
Konfliktmoderation: Hinter Konflikten stecken Energien;
Religiöse Gruppen + Teams: Inspirierend leiten
Vorträge zum Thema "Leitung durch Priester" finden sich als Videomitschnitt von Pannel III bei der Tagungsdokumentation Gestaltwandel des Priesterlichen,
hier besonders die Beiträge von Dr. Benedikt Jürgens und Generalvikar Klaus Pfeffer
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