Tuschzeichnung von Reinhold Stecher

Kater in der Krippe

Eine kritische Vorweihnachtsbetrachtung hat der frühere Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher zum hundertjährigen Bestand des Krippenvereins in einem Tiroler Dorf gehalten. Er nimmt eine Begebenheit, in der ein Kater die Krippe ausgeräumt und sich selbst hineingelegt hat, auf, um zu zeigen, wie nicht nur Kater, sondern auch Menschen die Krippe ihres tieferen Sinns berauben. Der Tyrolia Verlag hat den Predigttext für explizit freigegeben.

Es war im Bregenzerwald, in einem der wunderbaren Bauernhäuser, in dem ich zu Gast sein durfte. Es war um die Weihnachtszeit, und in der heimeligen Stube war neben dem Christbaum eine große Krippe aufgestellt. Alles atmete festliche Feierlichkeit. Im Haus lebte auch ein behäbiger Kater, der die Wärme liebte und immer auf der Suche nach exquisiten Ruheplätzen war, wie das Kater so an sich haben. Es gelang ihm auch, am Abend in die Stube zu schleichen, die an sich nicht als sein Nachtquartier vorgesehen war. Auf der Suche nach einem besonders angenehmen Schlafplatz stieß er auf den Stall von Bethlehem. Kurzerhand räumte er die Heilige Familie, einen danebenstehenden Engel sowie Ochs und Esel hinaus und rollte sich dann an heiliger Stätte wohlig zusammen.

Als man am Morgen in die Stube trat, erkannte man den Frevel. Aus dem Hirtenstall blinzelte der faule Kater, und über ihm hielten die Engel mit verzückten Gesichtern das Band „Ehre sei Gott in der Höhe“. Sie hatten nämlich die wesentliche Veränderung zu ihren Füßen noch nicht mitbekommen. Natürlich wurde der Kater hinausgejagt, erhielt für die restliche Weihnachtszeit striktes Stubenverbot; und im Übrigen hat man über dieses einmalige Krippenspiel viel gelacht.

Aber wenn ich über diese Geschichte länger nachdenke, ist sie doch ein kleines Verweilen wert, und zwar auch zu dieser Stunde und zu diesem Fest. Ihr feiert ja die Krippe, die Schönheit und den inneren Wert dieses Brauches, der so tief im Tiroler Volk verankert ist. Die Frage ist aber, ob sich nicht auch bei unseren Krippen heimlich fette Kater einschleichen könnten, die das Heilige ausräumen und sich dann breit in die Mitte legen …
Die Frage ist, ob nicht auch unsere Krippen, die uns an sich viel bedeuten, für die Katz sein könnten.

Also wollen wir einmal ein wenig Umschau halten nach Katern, die durch unser Dorf und die Wohnungen schleichen und aus den Ställen von Bethlehem das Wunder aller Wunder ausräumen möchten, um sich selbst breit und bequem in die Mitte zu legen.

Ein besonders zutraulich schnurrendes Exemplar, das in so manchen Häusern Eingang findet, ist die religiöse Oberflächlichkeit. Sie hält es mit ein paar verblassten Traditionen, dem einen oder anderen aufrechterhaltenen Brauchtum – aber das alles nimmt man eigentlich nicht ernst. Von der Substanz des Glaubens bleibt nicht viel übrig. Man stellt eine Krippe auf, weil sie zum Haus gehört wie das festliche Kaffeegeschirr oder die überlieferten Glaskugeln am Baum. Eigentlich ist die Krippe nur eine jahreszeitlich bedingte Dekoration. Man kommt bei ihrem Anblick gar nicht auf den Gedanken, aus irgendeinem verborgenen Winkel des Herzens einen Dank dafür aufsteigen zu lassen, dass es Gott so gut mit uns meint. Und damit wird die Krippe ein Brauch für die Katz …

Ein anderer Katertyp wäre der grantige, missgelaunte, bei dem man immer Angst haben muss, dass man beim Streicheln einen Hacker abbekommt. Ich meine mit diesem Kater den Dauerstreit, den Familienzwist, die wachsende Entfremdung, den Unfrieden.

Die Glorienengel, die wochenlang, die ganze Weihnachtszeit hindurch das Transparent mit „Friede den Menschen auf Erden“ halten, müssen sich doch so frustriert vorkommen wie eine Anti-Atom-Demonstration in Tschernobyl, wenn im Haus Hass und Streit herrschen. In diesem Falle hätte sich also ein alter rheumatischer Kater in der Mitte eingerollt, der nach allen Seiten Hiebe austeilt. Und da könnte die Krippe noch so schön sein, sie wär’ doch wieder für die Katz.

Denn die schönste Krippenbeleuchtung ist ein gewisser Friede im Haus, ein Aufeinander-Zugehen und ein gegenseitiges Wohlwollen.

Vor einem anderen Katertyp möchte ich auch noch warnen. Er ist fett und selbstbewusst, und unser Zeitalter züchtet ihn mit Vorliebe. Er kann bei uns sehr leicht den Platz in der Seele einnehmen, der eigentlich dem Höchsten und dem Heiligsten vorbehalten wäre: Er symbolisiert das Wohlstandsdenken, das Nur-mehr-haben-Wollen, das Kreisen aller Gedanken um den materiellen Besitz. Diese Katerart vermag die Krippe besonders gründlich auszuräumen. Da wird die kostbare alte Barockkrippe nur mehr zum Statussymbol und zur Geldanlage, und jede Papierkrippe, die sich ein Erstklässler selber baut, ist zehnmal mehr wert. In ihr hat der fette, große Kater gar keinen Platz. Diesem Repräsentanten der Sattheit und des Fressnapfs sollten wir striktes Stubenverbot geben. Die Krippe ist nämlich kein Symbol des Habens, sondern des Schenkens. Der Himmel schenkt sich um Weihnachten der Erde, und die Hirten und Weisen bringen die Geschenke der Erde dem Himmel.

Es gäbe wahrscheinlich noch ein paar Arten von Katern, auf die man aufpassen müsste – aber wir wollen’s bei diesen bewenden lassen. Nehmen wir uns heute, am Fest hundertjähriger Krippenfreude in diesem Dorf, doch fest vor, dafür zu sorgen, dass unsere schönen und berühmten Krippen niemals „Krippen für die Katz“ werden.

Der Text ist dem Buch „Herz ist Trumpf“ mit Begebenheiten aus dem Leben des verstorbenen Bischofs Reinhold Stecher entnommen, die einen Menschen mit viel Herzensgröße erkennen lasse

Zur Besprechung von Reinhold Stecher: Herz ist Trumpf

 

Kommentar:

 

 

Nehmen wir uns heute, am Fest hundertjähriger Krippenfreude in diesem Dorf, doch fest vor, dafür zu sorgen, dass unsere schönen und berühmten Krippen niemals „Krippen für die Katz“ werden.
Das einzig schöne an der geschichte ist die katze, die so selbstbewusst und beherzt für sich selbst eingetreten ist. Dafür lobe ich sie und dafür mag ich katzen so sehr.

 

 


Kategorie: Religion

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