Nach dem Gottesdienst ist es in der orthodoxen Kirche, üblich sich zu einem gemeinsamen Essen in der Gemeinde zu versammeln und über alltägliche Themen zu sprechen. Die Themen handeln unter anderem über den Westen. Der sei „böse“ und bringe den „Antichristen“ hervor. Woher kommen die Gesprächsthemen und warum ist der Westen das personifizierte Böse?
Der Besuch des Papstes in Georgien wurde von heftiger Ablehnung vonseiten der georgisch-orthodoxen Christen überschattet. Der Pontifex wurde als „Erzketzer“ beschrieben. Die Gründe für die Ablehnung liegen fern von der Theologie, nämlich bei den orthodoxen Gläubigen. Jede Nationalkirche bietet ein buntes Durcheinander an Verschwörungstheorien. Diese Theorien werden ernst genommen und heftig diskutiert. Eine geringe Anzahl Videos auf Youtube haben teilweise den Segen unterschiedlicher Bischöfe erhalten und gelten als wahr.
Der Westen als antichristliche Sphäre
In der russischen, georgischen und serbischen Orthodoxie gibt es eine Menge Theorien bezüglich der westlichen Lebensweise. Der Westen sei unchristlich und treibe die Welt aufgrund ihrer Homophilie in den Abgrund. Allen voran: Die Katholische Kirche. Der Papst befürworte die Gendertheorien und Homosexuelle. Er sei einer der Ersten, die den Zerfall der christlichen Moralvorstellungen im Westen fördere. In Russland, Georgien und Serbien ist die Anerkennung von Homosexuellen unvorstellbar und das Mann-Frau Verhältnis klar bestimmt.
Neben den Themen Homosexualität und Gender herrschen viele Theorien bezüglich der Produktion von Konsumgütern, Technik und Kapitalismus. Kosmetika seien aus toten Embryos gewonnen und damit fördere die Industrie Abtreibungen. Die Technik, allen voran die RFID-Chips, werden jedem Menschen unter die Haut implantiert werden, um sie zu unterjochen. Hierfür gehört zuerst die biblische Komponente: Der Chip symbolisiert das Mal des Tieres, da der Chip in die Stirn oder in die Hand implantiert wird.
Neben der biblischen Komponente wollen Verschwörer Studien gefunden haben, die belegen, dass der CIA in den 60ern Tests mit den Chips durchführte. Die Tests sollten bewiesen haben, dass Menschen mit Stromstößen aus dem Chip beeinflusst werden können. Des weiteren führt das Implantat zur Abschaffung von Bargeld und Kreditkarten, sodass die Menschen gezwungen werden, die Chips einpflanzen zu lassen. Es folgt eine weltweite Unterdrückung der Christen, die ausschließlich entfernt von der Zivilisation überleben werden, da sie sich den Chip nicht implantieren lassen dürfen, sonst bliebe ihnen das ewige Leben verwehrt.
Das Loch in die Hölle
In Russland wurde in den 60er Jahren ein tiefes Loch mitten in Sibirien gebohrt. Die Idee war, so nah wie möglich an den heißen Kern der Erde zu gelangen. Es sollten Forschungen durchgeführt werden. Bis heute ist nicht bekannt, welche Erkenntnisse die Untersuchung zu Tage fördern sollten. Die Wissenschaftler jedoch hatten andere Erwartungen, als das, was sie herausfanden. Die Bohrtrupps sollten nämlich ein Mikrofon in das Loch herunterzulassen. Dabei lief ein Tonband mit, welche die Geräusche im Erdboden aufzeichnete. Es waren Schreie und menschliche Laute zu hören. Als die Kirche nach dem Zusammenfall des Sozialismus die Aufnahmen in die Hände bekam, wusste sie sofort, was aufgezeichnet wurde: Die Hölle. In diesem Moment war klar, es muss den Tartaros geben und die Pein der gestraften Seelen waren auf dem Tonband zu hören. Die Forschung heutzutage widerspricht der These grundlegend, da Interferenzen unterhalb der Erdkruste normal seien und das Mikrofon, als es wieder an die Oberfläche gezogen wurde, zum großen Teil geschmolzen war.
Woher stammen diese Geschichten?
Die Erzählungen gehören in der orthodoxen Kirche zu dem, was man sich alltäglich erzählt. Sie sind der Spaltung zwischen Ost und West zuzuschreiben. Der Kern der Theorien handelt von dem Untergang der Welt, dem Erscheinen Christi und dem Leben in der zukünftigen Welt. Die Auferstehungserwartung ist im Osten sehr viel mehr präsent, so dass sie zu einem tiefen Graben zwischen Ost und West auch deshalb führt, weil der Antichrist im Westen auftauchen soll. Diese Mythen sind ein fester Bestandteil des Alltags. Ihnen wird von kirchlicher, sowie von gesellschaftlicher Seite, Authentizität zugesprochen. Sie spiegeln die Gedankenwelt der Orthodoxie wider, die in Konkurrenz zum westlichen Gedankengut gesehen wird. Die Nähe zum Aberglauben in manchen orthodoxen Gebieten gibt den Theorien zusätzliche Glaubwürdigkeit. Ein Teil der Gläubigen sieht daher den Westen als natürlichen Gegner des Ostens
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