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Der unterhaltsame Jesus: Die Serie „The Chosen“

Seit dem 27.08.2021 ist die erste Staffel der Jesus-Serie „The Chosen“ auf Deutsch verfügbar. Jesus wird als menschlich nahbarer und doch undurchsichtiger Typ dargestellt, der mit seinem Lachen das Publikum für sich zu gewinnen versucht.

Durch Fundraising finanzierte Serie über Jesus

Israel vor 2000 Jahren: geschäftiges Treiben, Kaufleute, Fischer. Nach auf die Sekunde genau 50 Minuten tritt ein Mann auf, der seine Hand auf die Hand Marias von Magdala legt. Mit musikalischen Effekten laut und gewaltig untermalt, ändert sich ihr Leben durch ihre Begegnung mit Jesus. So beginnt die erste Folge der Serie „The Chosen“, deren erste Staffel seit letztem Freitag auf Deutsch über eine eigene Webseite gestreamt werden kann.
Das Konzept der auf 7 Staffeln angelegten Serie über Jesus ist gegenüber bisherigen Produktionen etwas Neues, auch wenn biblische Filme in den letzten Jahren Kinoerfolge feiern konnten. Dieses neuartige Konzept scheint auch direkt von Erfolg gekrönt zu sein: die erste Staffel ist mit einem Etat von 11 Mio. US-Dollar die bisher teuerste durch Crowdfunding finanzierte Serie überhaupt.
Inhaltlich hält sich die Serie an den biblischen Erzählrahmen, schmückt diesen aber teilweise sehr ausführlich aus und führt fiktive Personen ein. Die Darstellungen jüdischen Lebens um die Zeitenwende wirken dabei teilweise etwas romantisierend bis kitschig. Jesus ist der Freund der Kinder, er lernt mit ihnen wie in der Erstkommunionvorbereitung das Vaterunser und schließlich singen sie wechselseitig und laufen dabei durchs hohe Gras. Szenen wie sie auch in einem Musical gezeigt werden könnten. Jesus ist einfühlsam und hat starke Emotionen, er wirkt nicht übermenschlich, sondern fast kumpelhaft. Aber andererseits ist er doch genau in den entscheidenden Momenten wieder unnahbar, wenn er in imposanter Szenenaufmachung, untermalt von klangvoller Musik, Wunder wirkt.

Schräger Typ und Kumpel

Der liebe Mann aus Nazareth ist ein etwas schrulliger Kerl, der am Anfang außerhalb der Stadt in einem Zelt mit provisorischem Lager wohnt. Den Kindern gegenüber tritt er wie ein lockerer Lehrer auf, der sie für sein Fach begeistern will.
Und überhaupt treten viele seltsame Typen auf. Der Zöllner Matthäus läuft wie ein geschlagener Hund umher. Kein Wunder, schließlich besitzt er selbst einen Hund, der wie sein einziger Freund wirkt und mit dem er redet. Wenn er es mal nicht in Worten sagt, dann zeigt zumindest die Körpersprache seiner eingezogenen Schultern, dass ihn wegen seiner Aufgabe als Steuereintreiber niemand mag. Matthäus wirkt notorisch unbeholfen bis überfordert. mit einer ordentlichen Portion Zwanghaftigkeit, wenn er zum Beispiel erst mit seinem Seidentuch eine Leiter abwischt, bevor er auf sie steigt, um Jesus zu sehen.
Das erste Auftreten Jesu als ein Wanderprediger unter vielen wirkt, wie sein Aussehen, klischeebeladen. Andreas kommt zu seinem Bruder Simon gerannt und erzählt, dass er den Messias gesehen habe, weil Johannes der Täufer auf ihn verwiesen habe. Simon hat aber gerade beileibe andere Probleme mit seinen Schulden, seiner Frau und seiner kranken Schwiegermutter. Kein Wunder also, dass er nicht sofort vor Begeisterung aus den Sandalen kippt, nur weil der „gruselige Johannes“ auf jemanden gezeigt hat. 
Jesus selbst wirkt am See Genezareth wie ein Entertainer, der sich Simon locker als „Jesus“ vorstellt und ihn bittet, sein Boot als Tribüne nutzen zu können, damit die Leute ihn besser verstehen können. Das danach folgende Fischwunder wird wiederum in reißerischer Aufmachung gezeigt. Mit schwunghafter Musik wie in einer amerikanischen Komödie geben sich die Fischer alle Mühe, das Netz an Bord zu holen und das Boot vor dem Kentern zu bewahren, während Jesus nicht mit anpackt, sondern nur schallend lacht und sich vor Begeisterung krümmt.
Die Berufungsgeschichte der ersten Jünger wirkt dann eher surreal, als der Vater von Johannes und Jakobus sie direkt ermuntert, dem Prediger zu folgen, für den sie immer gebetet hätten. Schließlich werde er es schon alleine schaffen, den gewaltigen Fischfang zum Markt zu bringen. Um ihre Mutter sollten sie sich auch keine Gedanken machen, die werde das schon verstehen.

Jesus liebt Ziegenkäse

„The Chosen” bleibt bei einer gewissen Leben-Jesu-Romantik stehen. Vor allem die Darstellung mit langen Haaren und Bart in wallendem Gewand ist keineswegs neu. Charakterlich kann Jesus aber durch sein Lächeln und seine hin und wieder flotten Sprüche punkten. So feiert und lacht er auf der Hochzeit zu Kana unbeschwert. Sein Auftreten liegt trotzdem irgendwo zwischen gutmütigem Helfer, der den Gastgebern die Scham, sich nicht ausreichend Wein leisten zu können, ersparen will und dem neutralen aber effizienten Handeln eines Getränkelieferanten. 
Auch Modetipps kann der nette Mann aus Nazareth geben, wenn er nämlich einem von Aussatz Geheilten eine neue Tunika gibt und sagt, dass die Farbe Grün diesem stehe.
Mit zunehmender Zahl an Wundern wird das kumpelhafte Wesen Jesu aber auch merklich skuriller. Als ein Mann, der vom Weinwunder gehört hat, ihn fragt, ob er das auch mit dem Brunnen vor seinem Haus machen könne, lachen alle herzlich über das Geschehene und kurz darauf geht das Gespräch einfach weiter. So redet man eben mit Jesus.
Die starken social skills führen aber in der Paarung mit Jesu Wunderwirken zu gönnerhaften Zügen. Zwar weiß er um die Krankheit der Schwiegermutter des Simon, biete dessen Frau seine Hilfe aber eher wortkarg und mehr mit Blicken an, als ob er schon einen Vorschuss an Dankbarkeit erwarte, dass er sich überhaupt dazu bequeme, ein Heilungswunder zu vollbringen. Direkt nach der Heilung springt sie auf und bietet dem unbekannten Gast eine Erfrischung und etwas Ziegenkäse zum Essen an, was dieser dankend annimmt.

Welchen Effekt hat die Serie?

Alles in allem wirkt Jesus in der ersten Staffel von „The Chosen“ nicht wirklich anstößig. Das führt dazu, dass auch die vielen anderen biblischen oder erfundenen Personen als Charaktere lebhaft ausgeschmückt werden. Dass der Fokus nicht alleine auf Jesus liegt, mag vielleicht dogmatisch provokativ erscheinen, dem Unterhaltungswert ist es aber zuträglich.
Ob mit der Serie jedoch eine missionarische Form gefunden ist, um einen Anschluss an das Publikum der Serienzuschauer:innen zu finden, sei dahingestellt. Die Produzenten erhoffen sich dies offenbar. Neben der DVD und anderen Merchandise-Produkten gibt es auf der Internetseite von „The Chosen“ auch ein Andachtsbuch für „40 Tage mit Jesus“.
Bisher kann nur Staffel 1 kostenfrei über die gleichnamige App auf Deutsch angesehen werden, die nächste Staffel ist aber schon auf Englisch verfügbar, während das Fundraising für Staffel 3 bisher zu gut 60% abgeschlossen ist.
Nicht zuletzt durch die Frage nach der Finanzierung bleibt abzuwarten, ob sich ein Hype um „The Chosen“ abzeichnet, sodass alle Staffeln in gleicher Qualität produziert werden können.

 

„The Chosen“: ein must-see?

Die Serie hat außer ihrer Crowdfunding-basierten Entstehungsgeschichte eher weniger originelle Einblicke zu bieten. Ist das aber direkt ein Aus-Kriterium für „The Chosen“? Nicht unbedingt. Die Stärke liegt insbesondere darin, dass das Leben Jesu nicht in einen einzigen Film von wenigen Stunden gepackt, sondern auf eine Serie hin entfaltet wird. Das führt natürlich zwangsläufig dazu, dass den biblischen Texten einige Rahmenhandlungen hinzugedichtet werden müssen, was auch nichts Neues gegenüber anderen Bibelfilmen ist. Filmliebhaber:innen müssen die Serie also nicht unbedingt auf ihre Liste setzen. Wer sich aber dafür interessiert, wie sich Filmemacher die Umwelt und das private Leben Jesu abseits der Evangelien vorstellen, kann sich womöglich für diese seichte Darstellung begeistern lassen.

 

 


Kategorie: Religion Medien

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