Der Evangelist Lukas berichtet dieses Geschehen sehr konkret: Galiläa, Nazareth, Maria verlobt mit Joseph, der aus dem Hause Davids. Der Gesichtskreis des Berichts verbleibt nicht bei einem Land, einer Stadt, einem Wohnviertel, nicht einem Mehrfamilienhaus, sondern reicht hinab in die kleinste Größe der Gesellschaft: die junge Familie von Joseph und Maria. Gott kommt nicht irgendwie allgemein in die Welt. Er landet nicht wie ein Staatsmann und seiner Regierungsmaschine auf einem großen Feld. Da ist keine große Volksversammlung, keine Gesellschaftsschicht, nicht mal eine kleine Gruppe. Advent ist kein Geschehen der Massen. Da ist nur ein junges Paar. Gott wendet sich an die jungen Paare!
Dann lesen wir von dem Hause Davids. Das junge Paar schwebt nicht geschichtsvergessen auf einer einsamen Insel. Es lebt nicht ausgelöst von allen Banden für sich allein. Das junge Paar findet sich in einer Geschichte ein, die sie nicht begonnen haben. Sie setzen keinen Anfang. Sie geben sich nicht der Illusion hin, die Umgebungsvariablen ihrer Existenz selbst bestimmen zu können. Sie führen fort. Sie haben eine Herkunft. Ihre Herkunft bereitet sie für ihre Zukunft.
Das Gespräch beginnt: Der Engel labert wirres Zeug. Maria versteht nicht. Der Advent beginnt mit einem großen «Hä??». – Der englische Gruß verwirrt. Und genau so mag es auch einem Gott fernen Menschen gehen. Das Mariengebet der Kirche schlechthin beginnt mit diesem Vers. Wie gut zu wissen, daß Maria mit diesem Vers genauso überfordert ist wie der im Umgang mit Gott nicht vertraute Mensch. – Für Maria entwirren sich nach und nach die Worte, die Gott ihr gesandt hat. So geht es auch dem Menschen, der in der Nachfolge Mariens wandelt.
Auf den englischen Gruß folgt der österliche Gruß: Fürchte dich nicht! Jesus sendet nach seiner Auferstehung, als er diesen Gruß gesprochen hat, seinen Jüngern den Heiligen Geist. Diese Geistgabe wird hier Maria angekündigt. Und wenn der Geist kommt, dann ist das kein harmloses Geschehen. Die Begleiterscheinungen, was die Furcht einflößt, erscheinen als wirkliche Katastrophen. Aber: Eine Katastrophe ist es nur von außen. Denn in den Augen Gottes hast du Gnade und Erbarmen gefunden. Aus der Nummer kommst du nicht nur raus, sondern darin zeigt sich dir die Herrlichkeit Gottes.
Die Dynamik des inneren Geschehens läßt sich kaum adäquat einholen, denn in diesen wenigen Versen tut sich ein menschlicher Abgrund auf, der größer nicht sein könnte: Der Engel kündigt ihr ein uneheliches Kind an. Na was für ein Geschenk hat sich da der liebe Gott ausgedacht! Für ein sittlich sensibles Ohr ist das keine positive Verheißung. Es droht sittliche Ächtung. Und auf der anderen Seite: Der Engel kündigt an, daß dieses Kind der König der Könige ist. Mehr Wahnsinn geht nicht. Entfernter könnten die Worte des Engels kaum liegen.
Das geht auch über die Vorstellungskraft von Maria. Sie versteht nicht und fragt zaghaft nach. Wer versteht schon solche Katastrophen? – Die Nachfrage zeigt Wirkung. Der Engel rückt noch mit ein paar Details heraus. Der Ostergruß wird eingelöst. Der Schrecken bedeutet für dich finstre Nacht. Aber das ist kein Grund zum Verzagen, denn diese Nacht kommt nicht von der Welt, ist keine menschliche Katastrophe, sondern kommt von Gott.
Ein weiteres Detail verschluckt leider die deutsche Übersetzung. Sie sagt: Deshalb wird das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Eigentlich müßte es heißen: Was aus dir geboren, wird heilig und Sohn Gottes genannt werden. Diese Verheißung bezieht sich nicht nur auf das Kind, Jesus, den Messias. Sie bezieht sich auf Maria: Wer dich zur Mutter hat, wird heilig und Sohn Gottes genannt werden. Diese Mutterschaft, die zunächst nur in bezug zu Jesus gilt, wird Jesus am Kreuz dem Jünger unter dem Kreuz zusprechen – und damit jedem Menschen, der Jesus nachfolgen will.
Noch ein Detail wird ebenso verschluckt: Denn für Gott ist nichts unmöglich. Dabei heißt es: Denn nicht wird sein unmöglich bei Gott alles Wort. Gott hält sein Wort. Was er versprochen hat, das wird kommen. Und das Wort, was er gerade an Maria gesprochen hat, wird er ebenso halten. Maria gibt darauf die einzige richtige Antwort: Wenn du das so sagst, dann will ich dir vertrauen. Ich nehme deine Verheißung an!
Gott verheißt wahnwitzige Sachen. Er beginnt mit unverständlicher Rede und verspricht dann Dinge, die viel zu groß sind, um sie überhaupt nachvollziehen zu können. Das begreift keiner. Maria läßt sich darauf ein und geht diesen Weg mit.
Und das ist marianischer Advent: sich auf das wirre Zeug, mit dem Gott ankommt, einlassen; die über alle Maßen übertriebene Verheißung (und Katastrophe) annehmen; ganz auf Gott vertrauen.
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