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Mugabe – Befreier und Langzeitherrscher Simbabwes

Simbabwe wurde von Robert Mugabe geprägt. Er regierte das Land von 1980-2017, nachdem er von Mozambique aus einen Befreiungskampf geführt hatte. ist am 6. September 2019 im Alter von 95 Jahren gestorben. Norman Adler zeigt die Entwicklung Mugabes zum afrikanischen Despoten.

Robert Mugabe als antikolonialer Befreiungskampfer

Während Mugabe im Westen als Prototyp des afrikanischen Despoten gilt, wird er in Afrika, vor allem in seinem südlichen Nachbarland, in der Republik Südafrika, trotz seiner jahrzehntelangen Gewaltherrschaft und der Zerstörung des Landes immer noch erstaunlich positiv gesehen. Auch in einigen anderen afrikanischen Ländern schätzt man den inzwischen abgehalfterten Despoten. Das sollte nicht verwundert, hatte Mugabe doch sein Land in opferreichen Kämpfen in die staatliche Unabhängigkeit geführt.
Selbst in Europa wurde Mugabe lange Zeit als Befreier vom kolonialen Joch gewürdigt, der über Simbabwe hinaus Bedeutung besaß. Die Vorstellung, er sei nach Übernahme der Macht in Harare ein gefallener Revolutionär, hielt sich hartnäckig über Jahre hinweg. Schuld haben nach Ansicht seines deutschen Biographen dessen Charaktereigenschaften – so der Afrikahistoriker Christoph Marx mit „Mugabe - Ein afrikanischer Tyrann“.
Fakt bleibt unzweifelhaft eine der größten Leistungen eines afrikanischen Politikers, nämlich, dass er sein Land noch nach dem „afrikanischen Jahr“ 1960 - als die meisten afrikanischen Länder sich von der kolonialen Herrschaft der westeuropäischen Staaten lösen konnten - zwanzig Jahre später erfolgreich in die Unabhängigkeit gegen das koloniale „Smith-Regime“ geführt hat, welches von der vormaligen Kolonialmacht Großbritannien unterstützt wurde.

Die Enteignung der weißen Farmer war folge ergebnisloser Gespräche

Christoph Marx zeichnet entsprechend seinem europäischen Blickwinkel ein nicht ganz ausgewogenes Bild Mugabes und gelangt somit zu der Schlussfolgerung, dass es dem afrikanischen Befreiungskämpfer und vermeintlichen Hoffnungsträger von einst von Anfang an nur darum ging, seine Machtgier zu stillen. So entsteht das Porträt eines skrupellosen Gewaltherrschers, der Simbabwe ins Elend stürzte. Zwar wird vom Verfasser hervorgehoben, dass Mugabe große Landflächen der weißen Farmer enteignete, was heute zu der bekannten Misere in Landwirtschaft, Ökonomie, Finanzen und Politik Simbabwes geführt hat. Jedoch wird kaum darauf verwiesen, dass diese Handlung ihm auch Respekt und Bewunderung bei seinen Landsleuten - und nicht zuletzt Gefolgschaft - einbrachte. Denn er hatte schon mehrfach Jahre vorher, bereits 1980, deutlich gemacht, dass die Wurzeln des Kolonialismus beseitigt werden müssen. Er hatte den weißen Farmern ergebnisoffene Gespräche angeboten, um das Problem der Landfrage zu diskutieren und auf friedlichem Wege zu regeln. Mehr als fünfzehn Jahre erhielt seine Regierung trotz mehrmaliger Nachfragen keine Antwort. Schließlich wurde eine große Zahl von Landwirtschaftsbetrieben an schwarze Menschen ohne Land übertragen. Das brachte Mugabe Proteste aus aller Welt ein. Weil anscheinend die „Bodenreform“ nicht professionell durchgeführt wurde, war sie letztlich ein Nagel im Sarg des Mugabe-Regimes.

An der Darstellung von Christoph Marx über den angeborenen tyrannischen Charakter dürften hingegen gewisse Zweifel angebracht sein. Denn gibt es irgendeinen Führer von antikolonialen Befreiungsbewegungen, der nicht individuelle Ziele bei der Ergreifung der Macht verfolgt hat? Jedenfalls berichten europäische Zeitzeugen, dass es sich vor der Unabhängigkeitserklärung Simbabwes im Jahre 1980 bei Mugabe zwar um eine willensstarke und intelligente Persönlichkeit gehandelt habe, die sich dann erst viel später skrupellos gegenüber Feinden und Konkurrenten durchzusetzen verstand.

Henning Mankell sieht es realistischer

Mehr und ausgewogener über diesen komplizierten Vorgang und wie man diesen anders als Christoph Marx bewerten kann, erfährt der Leser, wenn er zu einem Roman des Afrika-Kenners und weltbekannten schwedischen Schriftstellers Henning Mankell greift, der schon im Jahre 2008 über den Wechsel der Beurteilung des Bildes Mugabes vom geachteten Antikolonialisten zum „afrikanischen Tyrann“ mit dem Zeitpunkt der Landenteignung schrieb: „In dem Augenblick hatte sich das Bild Mugabes vom Freiheitskämpfer in das klassische des tyrannischen afrikanischen Führers verwandelt. Er wurde abgebildet, wie Antisemiten Juden abzubilden pflegen, man nahm diesem Mann, der die Befreiung seines Landes angeführt hatte, die Ehre und die Würde. Niemand sprach davon, dass er die früheren Führer unter Ian Smiths Regime, nicht zuletzt diesen selbst, im Lande bleiben ließ. Er schickte sie nicht in die Gerichtssäle und an den Galgen, wie es die Briten mit aufrührerischen Schwarzen in den Kolonien getan hatten. Aber ein widersetzlicher weißer Mann war nicht das Gleiche wie ein widersetzlicher Schwarzer.“

Mugabe trug zum friedlichen Übergang in Südafrika bei

So brutal er auch im eigenen Land vorging, so hilfreich war sein Handeln in den 1980er- und 1990er Jahren, um in Südafrika einen friedlichen Übergang von der Apartheidgesellschaft zu einem freien Südafrika zu unterstützen. So half er bei den „Friedensgesprächen“ zwischen der südafrikanischen Befreiungsorganisation ANC und liberalen zumeist „weißen“ Bürgern Südafrikas, damit sich die Führer der in der Apartheidgesellschaft zu Gegnern gewordenen Bevölkerungsgruppen persönlich kennenlernen konnten, um sich vertrauen zu lernen und letztendlich zu versöhnen. Nach den legendären Gesprächen im senegalesischen Dakar Mitte 1987 stellte Mugabe Infrastruktur, vor allem eine ruhig gelegene Farm, und Geld bereit, damit weiterhin Vertreter der weißen Bevölkerungsminorität Gespräche mit Vertretern des Exil-ANC in der Nähe von Harare durchführen konnten. Die Bedeutung dieser Gespräche und vor allem die bislang weitgehend unbekannten Zusammentreffen für Gespräche in Simbabwe, organisiert von der deutschen Schriftstellerin Ruth Weiss, hat der Afrikahistoriker Ulrich van der Heyden kürzlich dargelegt.

Was nicht wahr sein soll, wird verschwiegen

Hiervon erfährt der Leser der Biographie nichts. Dafür beschäftigt sich Christoph Marx umso mehr in typisch europäischer Manier mit den persönlichen Charaktereigenschaften seines Akteurs. So übernimmt er mehrere nicht überprüfbare Behauptungen, etwa die, dass der simbabwische Politiker keine Freunde hatte, seine Mahlzeiten am liebsten zu dritt einnahm, ein Einzelgänger war und blieb und mit seiner Frau ein zurückgezogenes Privatleben ohne Besucher führte (S. 157). Mehrfach wird er als introvertiert bezeichnet.
Die kritischen Anmerkungen zum Buch des Professor für Außereuropäische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen besagen jedoch nicht, dass es sich bei Robert Mugabe nicht in den letzten Jahren seiner Herrschaft, er musste 2017 zurücktreten, um einen skrupellosen Gewaltherrscher handelte, der sein Land ins Elend gestürzt hat. Das kann jeder Besucher des Landes erfahren. Das hat der Verfasser in den zehn substanziellen Kapiteln seiner Mugabe-Biographie mit wenig Übertreibungen auch richtig darstellt. Zweifel sind allerdings angebracht, ob es sich, wie die Verlagswerbung aussagt, in der Tat um ein „neues Bild Mugabes“ handelt. Denn eine ernsthafte, den Diktator verherrlichende Biographie Mugabes ist nicht bekannt.

Nunmehr liegt jedenfalls eine recht umfangreiche, mehr oder minder tiefgreifende Lebens- und politische Wirkungsbeschreibung eines afrikanischen Herrschers vor, deren Lektüre einige wichtige Fakten und Vorgänge zu vermitteln hat. Da keine Archivquellen herangezogen wurden, beruht die Quellenbasis ausschließlich auf Sekundärliteratur und auf einem weitgehenden Nichtverstehen eines ehemaligen afrikanischen Befreiungskämpfers und Politikers.

Marx, Christoph: Mugabe. Ein afrikanischer Tyrann, 333 S., Beck C. H., München 2018, 18,50 Euro


Kategorie: Politik

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