Warum eine 4. Republik
Jaroslaw Kaczynski sieht die Fundamente der jetzigen Verfassung als marode an, weil am Runden Tisch von 1989 die Kommunistische Partei die Regierung an die Solidarnosc mit zwei Gegenforderungen abgab. Für den Machtwechsel stellte sie zwei Bedingungen:
1. Keine Prozesse gegen die ehemaligen Machthaber
2. Teilhabe an der neuen Wirtschaft
Dies wurde und musste ihr wohl zugestanden werden. Für Kaczynski ist damit die neue, für Polen die dritte Republik, noch zu sehr mit den alten Kadern durchsetzt.
Alternative zum Neoliberalismus der Bürgerplattform von Donald Tusk.
Die Bürgerplattform regierte von 2007-2015. Tusk wurde 2014 zum Präsidenten des Europäischen Rates gewählt. Seine Partei wurde deshalb abgewählt, weil sie das „Polen A“, also die gut ausgebildeten Städter und die Geschäftswelt vertrat, das übrige Polen, es wird „Polen B“ genannt, in seiner Armut beließ. Stundenlöhne von etwa € 1,5.- und fehlende Entwicklungsmöglichkeiten des ländlichen Raumes brachten der Partei Kaczynskis die Stimmen dieser Polen. Zudem verfügte die Bürgerplattform über die EU-Milliarden, was nicht ohne Korruption blieb. Auch das ein Grund zur Abwahl dieser Regierung.
Ausländisches Kapital
Die Wirtschaft in Polen boomt. Es fließen jedoch in den Augen der Regierungspartei die Gewinne ins Ausland. Damit fehlen Polen die Mittel, um einen eigenen Kapitalstock aufzubauen und selbst zu investieren. Es handelt sich um etwa 20 Milliarden Euro, die als Gewinne von ausländischen Eigentümern polnischer Unternehmen abgezogen werden. Deutschland als die größte Wirtschaftsmacht der EU wird daher nicht nur von dieser Partei, sondern auch von vielen Polen kritisch gesehen. Tusk gilt als Geschöpf Merkels und weiter von ihr abhängig. Er genießt daher in Polen kein großes Ansehen.
Die Chance der absoluten Mehrheit
Bei den Wahlen 2015 gelang es der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ mit 38% der abgegebenen Stimmen die Mehrheit der Parlamentssitze zu gewinnen. Da in der Regel nur 50% der Bevölkerung zur Wahl gehen, haben faktisch nur 18% der Polen der Partei die absolute Mehrheit verschafft. Da es faktisch keine Opposition mit einem alternativen Programm gibt und die Mehrheit der Polen den Regierungskurs unterstützt, wird die Partei bei der nächsten Wahl voraussichtlich gewinnen.
Gegen Korruption, für eine eigenständiges Polen, Nationalisierung der Medien, für Polen B
Die Regierung genießt deshalb die Zustimmung der Mehrheit, weil sie die Situation von Polen B entscheidend verbessert hat. Dies ist ihr ohne größere Verschuldung gelungen:
1. Die Korruption wird entschiedener bekämpft
2. Die Steuern wurden konsequent eingetrieben, so dass für Reformen Mittel bereitstehen.
3. Die Kinderarmut wurde faktisch beseitigt, weil ab dem zweiten Kind 500 Zloty monatliche
Unterstützung gewährt wird.
4. Ein Mindestlohn wurde eingeführt. Während viele Polen bisher für 6 Zlotys arbeiten mussten, wurde
der Mindestlohn auf 13 Zloty festgesetzt. Beide Beträge würden für das Preisgefüge in Deutschland
wenig bringen, sind aber in Polen eine wirkliche Hilfe. Der Zloty steht im Verhältnis 4:1 zum Euro.
5. In der Flüchtlingsfrage wird das Nein der Regierung von 70% der Bevölkerung mit getragen. Zum
einen hat sich Polen, anders als die EU und Deutschland, der Flüchtlinge aus de der Krim und dem
ukrainischen Osten angenommen. 1,4 Millionen Ukrainer halten sich im Land auf und machen nicht
wie Flüchtlinge aus dem Nahen Osten durch Übergriffe auf sich aufmerksam. Die Polen fürchten,
dass sie sich mit den muslimischen Immigranten die Probleme Westeuropas in ihr Land holen.
Einfluss auf die Medien
Wer eine grundlegende Veränderung will, muss Einfluss auf die Medien gewinnen. Wie die Vorgängerregierung ist das in Bezug auf die staatlichen Medien, vor allem Radio und Fernsehen durch Auswechslung des Führungspersonals gelungen. Zeitungen und auch private Sender sind oft in der Hand ausländischer Verlage. So gehören viele Zeitungen den Passauer Nachrichten und dem Springer Verlag. Diese Besitzverhältnisse will die Regierung ändern.
Wertprofil des neuen Polens
Die regierende Partei ist wertkonservativ mit einer starken sozialen Komponente. Es geht um den Erhalt des christlichen Polens, die polnische Kultur, die Familie und die Staatlichkeit des Landes. Die Eigenständigkeiten Landes und damit die Ablehnung von Eingriffen der EU in das nationale Recht und die Abhängigkeit in der Wirtschaft führt zwar nicht zu einer Austrittsbewegung, jedoch zu einer großen Skepsis gegenüber der EU.
Verfassungsgericht und das Nein des Präsidenten
Da die Regierung nicht über die Zweidrittel-Mehrheit verfügt, um die Verfassung ändern zu können und keine Unterstützung von den Oppositionsparteien zu erwarten ist, steht jede Gesetzesänderung unter dem Letzturteil des obersten Gerichtes. Da die Regierungspartei ein anderes Polen will, müsste sie eigentlich die Verfassung ändern. Da das nicht möglich ist, muss das Verfassungsgericht mit eigenen Leuten besetzt werden.
Gegen die Gesetze, die der Regierung freie Hand bei der Besetzung des Richterkollegiums geben sollte, demonstrierte vor allem die jüngere Generation an 200 Orten des Landes, meist vor Gerichten. Die Proteste wurden täglich fortgesetzt. Da der Präsident Duda wieder gewählt werden will, musste er sein Position, „Kugelschreiber“ Kaczynskis zu sein, aufgeben. Zudem waren die Reaktionen des Auslands zu negativ für Polen.
Das schiefe Bild, das wir von unseren Nachbarn haben
Wer einem Polen zuhört, der die Stimmungen seines Landes kennt und daher Wahlergebnisse erklären kann, ist über die Berichterstattung deutscher Medien erstaunt. Irgendwie scheinen ausländische Regierungen immer kurz vor der Abwahl zu stehen. Auch im Falle Polens wurde das Wählerpotential der Bevölkerungsteile, die sehen, wie die anderen reich werden und sie selbst immer mehr zurückfallen, von den deutschen Korrespondenten unterschätzt. Weiter wird in der Berichterstattung nicht berücksichtigt, dass es den Ländern um ihre Souveränität geht. Das gilt nicht nur für England, sondern für ein Land, das seine Staatlichkeit und Unabhängigkeit erst nach dem Ende des Kommunismus zurückgewonnen hat. Für Deutschland ist die EU kein so großes Problem, weil es den maßgeblichen Einfluss ausüben kann. Polen dagegen fühlt sich fremdbestimmt.
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