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Verkündigung im Zeitalter der Digitalität - Interview mit JProf. Wolfgang Beck

Im Nachklang der Tagung "Kirche im Web - #kiw21" stellte explizit.net drei Fragen an JProf. Wolfgang Beck von der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen und Sprecher des "Wort zum Sonntag" über Verkündigung im Zeitalter der Digitalität.

Jun.-Prof. Dr. theol. Wolfgang Beck ist Inhaber des Lehrstuhls für Pastoraltheologie und Homiletik der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt, Buchautor und arbeitet beim Theologischen Feuiletton feinschwarz.net mit. explizit.net stellte ihm - im Nachklang der Tagung "Kirche im Web - #kiw21" drei Fragen:

1. Bei der Online-Tagung „Kirche im Web“ hat Ruprecht Polenz (MdB a.D.) Mitte März 2021 den Kirchen und den kirchlichen Medien vorgeworfen, dass diese während der Corona-Pandemie nicht zu den Menschen vor Ort durchgedrungen sind und insgesamt zu wenig wahrgenommen werden. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

 
Alle Menschen haben ihre spezifischen Wahrnehmungen. Das gestehe ich auch einem Politiker wie Herrn Polenz gerne zu. Aber ich glaube nicht, dass er einen Überblick über die vielfältigen Medienaktivitäten gibt, die es in und um die katholische Kirche gibt. Wenn ich lediglich die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit und damit die von der Institution gestalteten und verantworteten Formate sehe, mag seine Kritik auch durchaus berechtigt sein. Aber daneben gibt es eben viele Initiativen und Projekte, die gerade deshalb häufig sehr gut sind und größere Reichweiten erreichen, weil sie nicht Bestandteil der Institution aber durchaus der Kirche sind. Das Projekt www.y-nachten.de von Freiburger Theologiestudent:innen oder das „Eulemagazin“ auf evangelischer Seite sind dafür Beispiele. Ich selbst arbeite in der Redaktion von feinschwarz.net mit, einem Online-Feuilleton. Diese Reihe ließe sich natürlich noch verlängern. Die Beispiele mit besonderer Reichweite werden ja im Ranking von Theoradar.de aufgelistet. Klar ist, dass auch diese Formate nicht in den Status von Influencer*innen aufsteigen oder gesamtgesellschaftliche Öffentlichkeit prägen. Aber den Vergleich mit klassischen Printmedien gerade angesichts des geringen Personalaufwands müssen diese Projekte im kirchlichen Umfeld nicht scheuen. 

Wie bei allen Menschen gilt also auch bei einem Politiker der Aufruf: die eigene Bubble ab und zu verlassen.  
 
2. Die Kirchen wollen das „Netz gestalten“. Aber können Sie es auch? An der „Basis“ gibt es vielfältige positive Beispiele. Aber müssten DBK und EKD nicht ganz neue (mediale) Wegen gehen? Und vielleicht auch stärker ökumenisch?  
 
Niemand wird einfach so „das Netz gestalten“. Ich hoffe, dass niemand in den Kirchen so einen Satz gesagt hat. Das wäre ja Hybris. Gerade im digitalen Umfeld haben die Kirchen zu lernen, dass Sie ein Player neben anderen sind und keine „Bestimmer:innen“. Die bisherigen offiziellen Formate der großen Kirchen haben meist ein Grundproblem: Bei ihnen ist nie so ganz klar, ob sie Öffentlichkeitsarbeit der Diözesen und Landeskirchen betreiben oder ob sie ein journalistisches Angebot sind. Im Ergebnis wirken die großen Portale auf katholischer Seite häufig so, als handele es sich um Hofberichterstattung früherer Jahrhunderte. Dann werden mit Wonne die Amtsinsignien von Bischöfen vorgestellt und gleichzeitig wichtige gesellschaftliche Debatten ignoriert.

Ein zweites Problem ist, dass gerade die überdiözesanen Formate häufig unter dem Anspruch stehen, das ganze Spektrum der jeweiligen Kirche abbilden und bedienen zu sollen. Also werden auch die Interessen und Anliegen kleiner Gruppierungen aus dem traditionalistischen oder charismatischen Bereich mit ihren Themen noch eingebunden. Das Ergebnis ist häufig kurios und entspricht binnenkirchlicher Diplomatie. In journalistischer Hinsicht ist das Ergebnis aber vor allem profillos.
 
3. Als Sprecher des „Wort zum Sonntag“ haben Sie regelmäßig ein kleines „Bergpredigt“-Erlebnis. Wie bedeutend ist aus Ihrer Sicht der (digitale) Dialog mit den Gläubigen für die Kirchen im Jahr 2021? Und hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung der Kirchen einen Schub gegeben?

Auf das „Wort zum Sonntag“ wurde ja schon häufig ein Abgesang gehalten und es gibt unzählige Witze über seine Behäbigkeit. Es hält sich aber und ist nach wie vor das Format kirchlicher Verkündigungssendungen, mit dem die Kirchen mit Abstand wöchentlich die meisten Menschen erreichen. Wer das unterschätzt, dem ist nicht zu helfen.

Es ist aber auch klar, dass auch in klassischen Formen der religiösen Kommunikation kulturelle Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Das heißt in einer „Kultur der Digitalität“ vor allem, dass dialogischer agiert werden muss. Also ist eigentlich schon die Themensetzung zu diskutieren und partizipativ zu gestalten. Und nach einem Statement muss schnelle, direkte Erreichbarkeit für weitergehende Debatten gewährleistet sein. Die Erwartungen an solch eine diskursive Gestaltung richten sich nicht nur an digitale und mediale Angebote. Sie gelten auch bei klassischen Formen wie der Predigt oder dem Gemeindebrief.  

Natürlich nutzen in der Corona-Pandemie auch die Kirchen digitale Tools intensiver. Und es zeichnet sich ab, dass viele Entwicklungen erhalten bleiben. Dass Menschen für eine einfache Konferenz hunderte Kilometer durchs Land fahren, gehört hoffentlich der Vergangenheit an. Aber in den Kirchen gibt es auch sehr viele Akteur:innen, die noch von einer Rückkehr in frühere Verhältnisse und Arbeitsweisen träumen. Entscheidend scheint mir aber, dass die Gegenüberstellung von digitalen und analogen Elementen zunehmend verschwindet und hybride Arbeitsformen und Vermischungen zunehemend dominieren. Daraus dürften sich für alle Bereiche des kirchlichen Lebens Effekte ergeben. Und die sind zu gestalten, nicht zu verteufeln. Das kirchliche und auch theologische Nachdenken darüber hat eigentlich gerade erst begonnen.   
 

Danke für das Gespräch.

Lesetipp:
Beck, W. / Nord. I. / Valentin, J. (Hg.), Theologie & Digitalität. Ein Kompendium,
Herder Verlag, Freiburg/B., Mai 2021.

Das Interview wurde am 22. März 2021 geführt von: Christian Schnaubelt
(freier Journalist und Ressortleiter Kirche und Medien bei explizit.net).

Weitere Informationen zur Tagung "Kirche im Web" gibt es auf www.kirche-im-web.net.

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Dieses Interview ist ein Beitrag des publicatio e.V. - Monatsthemas "Kirche + Medien".
Weitere Beiträge folgen auf: https://explizit.net/medien/.

 

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Kategorie: Medien

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