Foto: Pixabay

Urheberrechtsnovelle und Journalismus - ein Kommentar

Die Urheberrechtsnovelle des Europaparlamentes will Plattformen wie YouTube u.a. zu mehr Kontrolle zwingen. Damit das freie Hochladen möglich bleibt, finden europaweit Demonstrationen statt. Die Autoren sollen auf ihre Rechte verzichten, nämlich dass ohne ihre Zustimmung Werke von ihnen auf Plattformen online gestellt werden. So auch der katholische Journalistenverband GKP. Nicht YouTube braucht Unterstützung, sondern die Autoren und Künstler. Ein Kommentar von Eckhard Bieger S.J.

YouTube, das zu Google gehört, u.a. Plattformen können nur deshalb Geld verdienen, weil vorher Autoren geschrieben, fotografiert, Filme gemacht, Software entwickelt haben. Rechtlich geht es darum, ob YouTube und andere Plattformen ohne Zustimmung der Urheber deren Werke online stellen können. Es geht zuerst um juristische Fragen. Im Folgenden werden dazu Lösungsvorschläge gemacht. Aber zuerst zum Problem selbst:

Es geht letztlich darum, dass Google u.a. endlich für Autorenleistungen zahlen

Das EU-Parlament will verhindern, dass Filme, Fotos, Texte von jemandem online gestellt werden, der nicht der Urheber des Werkes ist. Weiter gibt es ein Interesse der Verlage, der Filmproduzenten wie der Autoren und Fotografen, an den Einnahmen von Google, YouTube u.a. beteiligt zu werden. Die Protestierenden und auch der Katholische Journalistenverband lehnen bestimmte Regelungen, u.a. elektronische Filter, ab, machen aber keine Vorschläge, wie z.B. der Autor dieses Beitrages an ein Honorar kommt, wenn er diesen im Internet veröffentlicht. Würde er für einen Buch- oder Zeitungsverlag schreiben, bekäme er ein Honorar.
Dabei geht es nicht um die Beschränkung der Meinungsfreiheit im Internet, es sind nämlich nur die Plattformen im Visier, die Material von Urhebern nur deshalb versammeln können, weil es an anderen Orten im Internet bereits verfügbar ist bzw. verfügbar gemacht werden kann, indem Fernsehsendungen oder DVDs online gestellt werden. Es gibt damit

Zwei Probleme:

1.      YouTube u.a. lässt online stellen, was jemand „uploadet“. Die meisten Videos werden von den Urhebern freigegeben, jedoch gibt es auch Filme und Fernsehsendungen, die einfach mitgeschnitten und dann hochgeladen wurden. Das verletzt die Rechte der Urheber.

2.      YouTube und damit Google verdienen mit diesen Videos Geld, ohne dass die Urheber der Beiträge daran beteiligt werden, auf die Google verlinkt oder die YouTube bereits bei sich gespeichert hat.

Die zwei Probleme kann man lösen, wenn man sie nicht in einen Topf wirft.

Die Filtersoftware kann nicht über Urheberrechte verfügen

YouTube u.a. sollen durch die im Europaparlament erarbeitete Novelle zum Urheberrecht dafür haftbar gemacht werden, dass bei ihnen nur Beiträge abrufbar sind, für die die Urheber ihnen die Rechte übertragen haben. Damit kann das bisherige Verfahren – Hochladen, ohne sich als Inhaber der Nutzungsrechte ausweisen zu müssen – nicht weiter betrieben werden. Das soll durch Filtersoftware überprüft werden. Das Problem kann jedoch nicht an die Technik delegiert werden, weil der Urheber als Inhaber des Rechts selbst sein Werk zum Upload freigeben muss bzw. seine Rechte durch andere wahrnehmen lassen kann, z.B. durch die "VG Bild" oder die "VG Wort". Genau dieses Recht soll nach Stellungnahmen des katholischen Journalistenverbandes den Urhebern genommen werden. Die GKP wie die Protestierer könnten sich den ganzen Aufwand sparen, wenn sie auf dem geltenden Recht beharren würden, denn

Rechte an Beiträgen sind immer an die Person gebunden

Die Person behält das Urheberrecht. Das ist in der Sache begründet. Eine Sonate von Schubert kann nicht den Komponisten wechseln. Der Fotograf bleibt immer der Urheber des Fotos, ob es auf Facebook, in einer Illustrierten oder auf einem Buchcover erscheint. Der Urheber kann deshalb das Recht an seinem Werk nicht verlieren, sondern nur erlauben, dass andere das Foto, den Text, das Video, die Software nutzen. Urheber können die Nutzungsrechte kostenfrei zur Verfügung stellen, jedoch soll die Übertragung von Nutzungsrechten dem Fotografen, der Drehbuchautorin, dem Textautor oder Softwareentwickler die Weiterarbeit ermöglichen, indem sie eben für die Freigabe ihres Werkes Geld bekommen. Genau das streitet die GKP den Autoren ab und verlangt von ihnen, dem Gemeinwohl zu dienen, indem sie ihre Werke kostenfrei zur Verfügung stellen.
In einer Veröffentlichung des zuständigen Vorstandsmitgliedes Felix Neumann heißt es:

"Urhebern zu ermöglichen, von ihren Werken zu leben und damit Geld zu verdienen, ist wichtig – aber kein absolutes Recht. Wer von „geistigem Eigentum" redet, kann von seiner Sozialpflichtigkeit und Gemeinwohlorientierung nicht schweigen. Wer ein starkes Europa will, muss dafür sorgen, dass es ein Raum des Dialogs bleibt. Gerade als Journalist.“

Also, dass Google auf einen Beitrag verlinkt, für den es Werbeeinnahmen generiert, ohne die Autoren zu beteiligen. Das heißt unter Gesichtspunkten des Rechts: Wenn ein Autor etwas veröffentlicht hat, dann geben die Vertreter katholischer Journalisten anderen das Recht, diese Werke ungefragt zu nutzen. Je mehr Rechte Google als Besitzer von YouTube bekommt, desto mehr, so die Argumentation, steigt das Gemeinwohl.
Aus dem Urheberrecht folgt jedoch, dass eine Plattform nicht erst nachträglich prüft, ob der Urheber selbst sein Werk zum Upload freigegeben hat. Deshalb sind Filter nicht nur technisch ungeeignet, sondern auch rechtlich nicht machbar. Wie bei Facebook oder einer Fotodatenbank genügt eine Registrierung. Wenn derjenige, der uploadet, sich ausweist, braucht die Plattform nichts zu unternehmen, sondern kann warten, bis sich jemand meldet und Rechte an dem hochgeladenen Werk beansprucht. Das ist längst bei anderen Providern Praxis. So verlangen z.B. Provider, die Newsletter versenden, einen eigenen Haken, dass der Adressat einverstanden ist. Das geschieht nicht nur durch persönliche Anmeldung und die folgende E-Mail-Bestätigung, sondern auch, wenn jemand seine Mailadresse auf einen Zettel geschrieben hat. Wer eine solche Mailadresse in einen Newsletterverteiler aufnimmt, ist mit Adresse und Telefon bekannt. Daraus folgt tatsächlich eine stärkere Regulierung auch der Social Media. Bei den Homepages muss bereits jemand im Impressum stehen, der „im Sinne des Pressegesetzes verantwortlich ist“. Eine vergleichbare Regelung ist auch für Plattformen und Social Media dringend erforderlich, um Fakes einzudämmen, denn

Deepfakes unterliegen keiner Urheberrechtsbegrenzung

Im Internet wird nicht nur gegen das Urheberrecht verstoßen. Man kann inzwischen Leuten Aussagen in den Mund legen, nicht nur schriftlich, sondern, indem man das Mienenspiel manipuliert und die Person Sätze sagen lässt, die mit der manipulierten Stimme wiedergegeben werden. Möglicherweise können Filter diese Manipulationen erkennen, jedoch handelt es sich bei diesen Fakes um Werke, deren Urheber erlauben könnte, dass sie z.B. auf YouTube zu sehen sind.

Ich habe an den katholischen Journalistenverband die Anfrage gerichtet, ob nicht die Fakes verlangen, dass der Urheber sich immer ausweisen muss, im Guten, um seine Rechte verwalten zu können, im Schlechten, um Fake-Produzenten zu identifizieren, damit derjenige, dessen Mienenspiel sie benutzt haben, klagen kann. Diese Anfrage blieb bisher ohne Antwort. Um die Notwendigkeit einer Registrierung zu verdeutlichen: Diese wäre nicht wegen des Urheberrechts erforderlich, sondern weil ein solches Fake die Persönlichkeitsrechte der imitierten Personen verletzt. Das Uploaden wird dann mit ein oder zwei Klicks etwas aufwändiger. Die vorgeschlagene Registrierung, die nur darin besteht, dass der Urheber sich ausweist, z.B. durch Registrierung auf der Plattform, würde aber tatsächlich dem Gemeinwohl dienen, nämlich dem Schutz von Persönlichkeiten. Satire bleibt weiterhin möglich, kann aber wie bisher nicht mit Aussagen der Person verwechselt werden. Da diese Praxis für Fotos längst eingeführt und bei Filmen über den Abspann geregelt ist, ist es nicht verständlich, warum YouTube u.a. keine Vorschläge machen, wie sie das in der Urheberrechtsnovelle formulierte Problem lösen würden.

Das Internet verlangt Bezahlformen ähnlich der Rundfunkgebühr

Es bleibt noch die Bezahlung der Autoren, die durch Uploadfilter nicht gelöst wird. Wie die Piraten laden die Katholischen Journalisten das Problem dem schwächsten Glied in der Kette auf, den Autoren. Die sollen einfach auf ihre Rechte verzichten. Wie bekommt man aber Google & Co. dazu, für Autorenleistungen, die sie ja für die Platzierung ihrer Werbung brauchen, wie bisher Zeitungen und Private Rundfunkanstalten, zu zahlen: Sie müssen aus den Werbeeinnahmen Anteile für die Autorenleistungen zur Verfügung stellen.

Eine elegantere Lösung: VG Wort und VG Bild

Die Zielsetzung, nämlich die Existenz freier Autoren zu sichern, kann nicht mit irgendwelchen Auflagen wie in der schlecht gemachten Vorlage des EU-Parlamentes herbeigezwungen werden. Das Internet verlangt Lösungen, die dem Medium entsprechen. Das lässt sich bereits an der Trennung von Werbung und Beiträgen klarmachen. Die ist nicht mehr einfach gegeben. Wenn z.B. eine Autofirma eine Bergfahrt ihres SUVs filmt, dann kann das als Film oder als Werbespot eingeordnet werden. Wäre der Film z.B. nur 2 Minuten lang, dann bliebe er Werbung. Wenn der Film so gut gestaltet ist, dass viele Nutzer diesen anklicken, dann müssten die Autoren eigentlich dafür Geld bekommen. Aber warum: Weil sie vertraglich nur für einen Werbespot engagiert wurden. Sie bleiben Urheber des Spots, für dessen Nutzung als Werbespot sie bezahlt wurden. Wird aus dem Werbespot ein Film, ist das eine andere Nutzung, für die die Urheber die Rechte eigens freigeben müssen und auch bezahlt werden sollten. Sind die Urheber auf dem Abspann zu finden, dann sollten sie und nicht die Auftrag gebende Automarke bzw. Werbeagentur Geld dafür bekommen. Bei der Verfilmung von Büchern wird das seit langem vertraglich geregelt. Es ist also ganz im Sinne der Autoren, dass es eine Registrierungspflicht für den Urheber gibt, die wie bisher an das Werk angeheftet wird. Was fehlt, ist eine logische Gesetzgebung, die diejenigen, die zu einem Werk Werbung schalten, dafür zahlen lässt. Denn ihre Werbung braucht ja das Umfeld von Beiträgen. Dazu ein Vergleich von Felix Neumann, der noch mal zeigt, dass nach Einschätzung seines Verbandes Google und nicht die Autoren dem Gemeinwohl dienen.

„Das vorgeschlagene Leistungsschutzrecht zieht zudem nicht in Betracht, dass auch soziale Netze eine nicht unerhebliche Leistung erbringen: Nämlich die Organisation der Infrastruktur an persönlichen Kontaktnetzwerken, von der Verlage profitieren, deren Inhalte darüber verbreitet werden.“

Hier ist nur zu sagen: Presseausschnittdienste erbringen eine ähnliche Leistung, zahlen jedoch für die Texte, die sie zusammenstellen. Sie verdienen Geld mit den Werken von Autoren. Warum Autoren Google das kostenfrei zur Verfügung stellen sollen, müsste die GKP erklären. In der Fortsetzung dieser Aussage heißt es dann weiter:

„Mit gleichem Recht könnte ein Theater eine Beteiligung an Taxierlösen von Fahrten von Theaterbesuchern verlangen: Schließlich finden diese Fahrten nur statt, weil das Theater eine Leistung erbringt.“

Der Vergleich unterschlägt das entscheidende Kriterium: Die Taxiunternehmen nutzen keine Fotos oder Videos von der Theateraufführung. Zudem ist der Vergleich anders zu setzen. Das Theater ist mit Google vergleichbar, nicht das Taxiunternehmen. Denn das Theater nutzt die Textvorlage, engagiert Schauspieler und Regisseure und zahlt diese. Nach dem Gemeinwohlbegriff der GKP müssten also Textautoren, Schauspieler u.a. ihre Werke und Leistungen kostenfrei zur Verfügung stellen, weil das Theater ja für das Gemeinwohl tätig ist. Dann gäbe es bald kein Theater mehr. Deshalb gilt auch für Google, YouTube u.a. die Konsequenz: Sie müssen wie die Bibliotheken, die Kopiergeräte- und Drucker-Industrie dazu verpflichtet werden, an die "VG Wort" wie an die "VG Bild" entsprechende Abgaben zu leisten, von denen dann die Autoren den gerechten Anteil an den Werbeeinnahmen der Plattformen bekommen.

Zum Gemeinwohlbegriff: Es braucht ein günstiges Umfeld für Autoren und Künstler

Der katholische Journalistenverband fordert von den freien Autoren Verzicht auf den üblichen Schutz ihres geistigen Eigentums, d.h. die Autoren sind nach Meinung der GKP verpflichtet, auf den Verkauf von Nutzungsrechten zu verzichten, wenn diese auf Plattformen hochgeladen oder auf diesen gelistet werden.
Aber ist der Beitrag zum Gemeinwohl nicht darin zu sehen, dass Komponisten, Schriftsteller, Künstler, Fotografen, Softwareentwickler u.a. dadurch einen Beitrag zum kulturellen Leben leisten, dass sie kreativ tätig sind? Frühere Epochen und nicht zuletzt die Katholische Kirche haben das gefördert. Ihre Kompositionen, Theaterstücke, die Werke von Philosophen und Schriftstellern werden heute noch aufgeführt bzw. gedruckt. Damals und heute gibt es weiterhin Bibliotheken, die die Werke nicht selbst erstellt haben, sondern nur zugänglich machen. Mussten Hegel, Goethe, Schiller, Thomas Mann die Bibliotheken finanziell unterstützen oder nicht doch die Nutzer bzw. der Staat?

Gemeinwohl heißt doch, dass Autoren sich ihrem Werk widmen können, weil es keine Kultur ohne Autoren, Komponisten, Künstler gibt. Deshalb sollten sich alle freien Autoren prüfen, ob sie die Katholische Kirche weiterhin als Kulturinstitution und Förderer von Kultur sehen können. Sie können sich durch den Deutschen Journalistenverband (DJV) unterstützt fühlen, der die Initiative des EU-Parlamentes unterstützt. Sie geht in die richtige Richtung, ist jedoch noch zu weit weg, einmal von einer logischen Fortschreibung des Urheberrechts und zum anderen in den Regelungsvorschlägen, die noch nicht genügend auf die digitalen Medien abgestimmt sind. Eine Einschränkung der Autorenrechte ist nicht die Lösung, sondern kulturfeindlich, wie überhaupt die Monopolstellung von Google, Facebook und YouTube nicht in unsere Wirtschaftsordnung passt.

Links: Die Ausführungen des Vorstandsmitgliedes Felix Neumann sind wohl nur den Mitgliedern zugänglich, hier die Homepage des Verbandes.

Stellungnahme des Deutschen Journalistenverbandes 

Zu YouTube als faktischer Fernsehsender und einer Maut für Google

Der Autor ist Mitglied der GKP.

Ein Kommentar von Eckhard Bieger S.J.


Kategorie: explizit.net Medien

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang