Katholische Medienakteure suchen das Gespräch – nicht nur untereinander.
Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, dass nun zum zweiten Mal vom 16. – 17. Oktober 2017 in Bonn ein Katholischer Medienkongress veranstaltet wurde, um das Gespräch der unterschiedlichen AkteurInnen auf diesem gesellschaftlich wichtigen und kirchlich fragilen Terrain zu fördern. Dabei wurden die Hauptbeiträge einerseits von der Bild-Chefredakteurin Tanit Koch mit einer Ausrichtung auf erfolgreiches Marketing und andererseits vom ehem. Verfassungsrichter Paul Kirchhof eingeholt. Das zeugt von einem großen Bewusstsein der VeranstalterInnen, auf der Suche nach der veränderten Rolle kirchlicher Medienarbeit die Verbindung zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Diskursen zu nutzen. Und zugleich repräsentieren beide ungewollt auch eine verführerische Tendenz innerhalb des katholischen Medienverständnisses, so dass ihre Beiträge auch als Symptom einer Problematik zu identifizieren sind.
Die Brisanz des Institutionsmarketings
Denn zum einen gibt es die starke Tendenz innerhalb der krisengeschüttelten Medienlandschaft der Kirchen, sich selbst auf ein Institutionsmarketing zu reduzieren: Da beschränken sich diözesane Medien wochenlang thematisch auf Amtseinführung und Insignien neuer Bischöfe. Da gibt es den Ruf nach erkennbar und profiliert auftretenden KirchenvertreterInnen, die im Stil eines „Pfarrer Braun“ zur Marke aufgebaut werden – und dabei in einem säkularisierten Umfeld oft genug ins Karikatureske abdriften. Und da gibt es immer wieder den Ruf nach überdiözesaner Zentralisierung. All dies sind Elemente, die der Logik des Marketings folgen und schnelle Plausibilität entwickeln. Mit ihnen entsteht allerdings auch die Tendenz eines allzu bescheidenen, zu kleinen Selbstverständnisses. Denn kirchliches Marketingdenken provoziert zugleich Rückfälle in ein instruktives Medienverständnis, von dem die katholische Kirche sich nur langsam im 20. Jahrhundert durch Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils befreien konnte. Erst mit dem nachkonziliaren Schreiben „Communio et Progressio“ gelang, wozu am Beginn des Konzils noch Fantasie und Mut fehlten: dass katholischer Journalismus und kirchliche Medien nicht vorrangig der eigenen Institution zu dienen und diese im Habitus von Sicherheit und Belehrung zu inszenieren haben. Ihnen kommt also gerade nicht der Auftrag zu, die Kirche zu vermarkten. Stattdessen haben sie die Neigung zum institutionellen Selbsterhalt immer wieder zu perforieren und die kirchliche Stimme in gesellschaftliche Diskurse einzubringen, den Verlust profilierter Eindeutigkeit zu riskieren, über Hintergründe aufzuklären und Aufmerksamkeit für marginalisierte Bevölkerungsgruppen zu erzeugen.
Die kirchliche Sehnsucht, gebraucht zu werden – wenigstens als Wertelieferant?
Die zweite Versuchung innerhalb der gegenwärtigen Krise ergibt sich in der verbreiteten Unsicherheit im Umgang mit digitalen Medien. Wo der kulturelle Umbruch gesamtgesellschaftliche Effekte zeigt und eine „Kultur der Digitalität“ (Felix Stalder) erkennbar wird, da werden alle zu Suchenden und Lernenden. In diesem Suchen können vor allem Mahner wie der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof schnelle Plausibilität erzeugen, indem sie den kulturellen Verfall beklagen, heraufziehende Gefahren unterstreichen und den rechtlichen Regulierungsbedarf markieren. Sie finden schnellen Beifall, weil hier das kulturelle Ressentiment dem traditionell katholischen Pessimismus leicht Anschluss bietet. Besonders attraktiv ist dieser Ansatz jedoch, weil hier der Kirche und mit ihr den kirchlichen Medien wieder eine ersehnte gesellschaftliche Funktion zugeschrieben wird. Sie wird als Wertelieferantin angefragt und soll Orientierung bieten, wo eine Gesellschaft im Umgang mit Digitalität so unsicher ist. Na endlich, da hat Kirche wieder eine Relevanz, erlebt sich als gesellschaftlich notwendige Stütze und darf sich aufgewertet fühlen. Das scheinen viele zu hoffen. Allerdings ist dieses Angebot, so plausibel und attraktiv es daherkommen mag, auch problematisch. Denn mit ihm reduziert sich Kirche auf die Moralfragen und begnügt sich mit der Rolle der „Moralagentur“ (Hans Joas). Der gesellschaftliche Ruf nach der Kirche als Wertelieferantin, der aus dem Bildungssektor nur zu vertraut wirkt, ist verführerisch und fatal, weil er der Kirche unbemerkt und durch die Hintertür eine Verarmung ihres eigentlichen Wesens und eine Reduzierung ihrer eigentlichen Botschaft abverlangt.
Die TrägerInnen des Katholischen Medienpreises 2017
Wie es anders gelingen kann, haben am Rande des Kath. Medienkongresses die journalistischen Arbeiten gezeigt, die im Zuge des Katholischen Medienpreises gewürdigt wurden. Dazu gehörte ein Sonderpreis für die Arbeit „Der Gespenster-Schiff-Prozess“, eine Crossmedia-Produktion von Christina Fee Moebus. In ihr wird ein Nachkriegsprozess zu NS-Folterverbrechen auf einem Marineboot in Bremerhaven dokumentiert. Ebenfalls ausgezeichnet wurde eine Radioproduktion mit dem Titel „Risiko Spätabbruch. Eine Entscheidung zwischen Leben und Tod.“ Darin widmet sich Jeanne Turczynski sensibel dem Gespräch mit Frauen und Paaren, die den Abbruch einer Schwangerschaft erlebt und die darin entstehende Hilf- und Sprachlosigkeit erlitten haben. Die Spiegel-Reportage „Königskinder“ von Claas Relotius zur Ausbeutung von syrischen Flüchtlingskindern in der Türkei zeigt die Folgen der syrischen Kriegsereignisse. Ihre dramatischen Folgen werden häufig hinter technischem Vokabular der Migrationspolitik verborgen und durch die beeindruckende Arbeit von Relotius in der Beschäftigung mit den individuellen Schicksalen von Kindern ans Licht gebracht. Die PreisträgerInnen zeigen mit ihren ergreifenden, erstklassig recherchierten und einfühlsam erstellten Arbeiten, unter welchen Anspruch sich auch katholische Medienarbeit zu stellen hat: in der Relativierung der eigenen Institution und einem Absehen von gesellschaftlicher Nützlichkeit zugunsten eines journalistisch-medialen Eintretens für Themen und Menschen, denen von ChristInnen eine Stimme geliehen werden muss. Die Auszeichnungen werden darin auch zu einem mahnenden Impuls gegenüber den eigenen Arbeitsfeldern. Für ein derartiges Selbstverständnis katholischer Medienarbeit bedarf es freilich einer inneren Freiheit ohne kirchlich-institutionellen Loyalitätsüberhang.
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