Kathedrale von Amiens, F: explizit.net E.B.

Die Zeitungen überlassen Google den lokalen Anzeigenmarkt bald vollständig

Google ist mit seinen Karten für die lokalen Werbekunden immer interessanter. Vor allem die kleinen Läden und Werkstätten werden durch Google besser unterstützt, weil nur die Großen Beilagen durch die Zeitungen drucken und verteilen lassen. Die Leser, die ein Geschäft für ein besonderes Produkt suchen, werden von der Zeitung nicht beachtet. Das war aber mal das Geschäft der Zeitung.

Die Zeitung hat sich früher zu 70% durch Werbung finanziert. Das könnte sie mit den digitalen Medien problemlos, wenn sie es denn täte. Aber sie schickt die Zielgruppen der meisten Einzelhändler zu den Onlineshops und, wenn die Leser im örtlichen Geschäft einkaufen wollen, zu Google-Maps. Werbung wird immer noch so verstanden, dass der Händler mit Beilagen zeigt, was er verkaufen will.

Das Angebot ist zu groß für Print

Inzwischen hat sich das Kommunikationsverhalten gedreht. Die Kunden wollen nicht mit Werbung überhäuft werden, sondern gehen im Internet auf die Suche. Das müssen sie auch. Denn bei der immer weiter wachsenden Zahl der Produkte und Dienstleistungen können Broschüren nur einen geringen Teil der Angebote vorstellen. Die Büroversender schaffen das noch, ihre Kataloge sind kiloschwer. Früher konnten die Zeitungen mit den Rubrikanzeigen Kunden-Anfragen in Bezug auf Wohnen, Anstellung und Gebrauchtwagen beantworten. Diese Haupteinnahmequelle haben sie Startups kampflos überlassen und aus dem Verlust nichts gelernt. Denn warum gibt mir die Zeitung keine Auskunft, wo ich Trüffel kaufen kann, ich ein Tuch bekomme, das sich als Geschenk eignet, welches Geschäft indonesische Gewürze im Angebot hat, wo der Computer im Angebot ist, den ich mir aus der Nähe ansehen will. Nur die Apotheken und der Buchhandel können mich mit jedem Produkt ihres Sortiments versorgen.

Wieder von der Werbung leben: Aus der Stadt mit ihrer Region ein großes Kaufhaus machen

Die digitalen Medien bieten der Regionalzeitung große Chancen, der bevorzugte Werbepartner zu werden, auch für überregionalen Anbieter. Damit kann die Zeitung sich sehr viel sympathischer als Partner des Einzelhandels präsentieren. Das sei an zwei Beispielen erläutert:
1. Zecken: Wer die Beiträge gelesen hat, braucht ein Instrument, um eine Zecke aus der Haut zu lösen, ohne sie zu erdrücken. Wer diese Instrumente anbietet, wird bei dem Artikel werben.
2. Wer eine Wanderempfehlung gelesen hat, braucht eine Karte und Hinweise, wo er einkehren kann und was dort auf der Speisekarte steht. Das Geschäft, welches die Karten bereithält wie die Beize auf der Wanderstrecke werden einen Links buchen.

Damit die Anbieter auch wie früher an der Zeitung nicht vorbeikommen, genügen zwei Maßnahmen.
1, Links verkaufen, diese sind effektiver als Banner. Letztere haben die Funktion, Präsenz zu signalisieren.
2. Für Spezialartikel wie für regionale Artikel eine Suchfunktion einrichten, in der die Geschäfte sich eintragen können, ob sie Cynar, Cumin, Charolais-Rind, Kugelschreiber einer bestimmten Marke, einzelne Gesundheits- und Sportartikel im Angebot haben. Dieses Archiv baut sich durch Anfragen der Leser auf. Jeder Links auf ein Geschäft muss auch deshalb etwas kosten, damit der Link gelöscht wird, wenn der Artikel aus dem Angebot genommen worden ist. Eine solches Angebot für die Werbung wird die kleinen Geschäfte zu Kunden machen und überhaupt deren Existenz sichern und der Zeitung die Angst vor der Zukunft nehmen. Denn die Werbung, die Anbieter und Kunde in einer begrenzten Region zusammenbringt, war und bleibt die Stärke der Zeitung. Sie kann diese Stärke ausspielen oder andere werden das Geschäft machen. Zugang zu dieser Zielgruppe haben die Regionalzeitungen immer noch. Und sie werden regionale und überregionale Anbieter als Werbekunden gewinnen - für eine bestimmte Käsesorte, Fahrradtaschen, Wanderkarten und hunderte, vielleicht tausende Produkte, die Leser dann nicht mehr im Internet suchen und kaufen würden.
Wenn die Zeitungen auch diesen Zug vorbeifahren lassen, werden andere den regionalen Markt digital abbilden. So sind die Zeitungen entstanden, indem sie schon mit den Setzkästen, den Buchstaben die Preise auf den Märkten „setzen“ und vervielfältigen konnten. Der Journalismus kam später hinzu und wurde im 19.Jahrhundert die Philosophie der Zeitung. Um diese zu finanzieren, war Werbung die Basis. Diese Einnahmequelle sprudelte reichlich, bis die Zeitung das neue Medium nicht begriffen und Jobpilot u.a. Startups ihnen den Werbemarkt einfach wegnahmen. Die Werbung, mit der sich vor allem die in Farbe gedruckten Illustrierten finanzieren, entstand erst mit den Markenartikeln.Um Google nicht weiter die Surfer zu überlassen, kann die Zeitung ihre redaktionlle Kompetenz gezielter ins Spiel bringen.

Eine dringende Redaktionsaufgabe: Die Informationsflut ordnen

Redaktion heißt immer noch zu einseitig, die Seiten bzw. die Sendekästchen zu füllen. Redakteure sind inzwischen jedoch mehr gefragt, um das Wichtige, das im Internet oft schon „herumliegt“, zusammenzustellen. Nur wenige Anbieter „können“ das. Erst sie vermitteln das Gefühl, dass ich nicht noch anderswo suchen muss, damit mir Wichtiges nicht entgeht. Da jeder für seine beruflichen Aufgaben und seine privaten Interessegebiete gezielt Beiträge sucht. Deshalb sind die Fachzeitschriften im Aufwind und die Zeitung wegen ihres umfassenden Themenanspruchs im Abwind. Das führt inzwischen auch bei Älteren dazu, die Zeitung als überteuert zu empfinden, weil man nur einen Teil der Beiträge nutzt. Wenn sich die Zeitung mehr als ordnende Instanz im Informationsdschungel versteht, würde sie ihre redaktionelle Kompetenz gegen die Suchmaschinen erfolgreich ins Spiel bringen.

Redaktion: Auswahl des Relevanten

Je mehr die Produktion von Inhalten zunimmt, desto weniger entsteht das Gefühl, in dem Strom der Zeit mitschwimmen zu können. Inzwischen macht die Fülle der Beiträge zu einem Themenfeld die Listen der Suchmaschinen immer unbrauchbarer. Wikipedia gibt inzwischen ein viel besseres Gefühl, das Wichtige mitzubekommen, als Google. Da Neuigkeiten von den Meisten aus dem Radio oder über Internetausgaben von Medien abrufbar sind, ist dafür die Printausgabe der Zeitung nicht mehr notwendig. Die Zeitungsmacher sollten sich dem Trend nicht unterwerfen, sondern ihre Stärken wieder ins Spiel bringen. Denn das Gefühl, das die digitale Nachrichtenvermittlung hinterlässt, ist Überdruss, Resignation und die Unsicherheit, aus dem ungeordneten Informationsfluss das Wichtige herausgezogen zu haben. In diesem Fluss schwimmen dann auch Beiträge mit, die der Leser aktuell nicht rezipieren muss. Stehen diese in der Printausgabe, muss er die Seite herausreißen. Im Internet lassen sie sich für spätere Lektüre hinterlegen. Für die Zeitung zeichnen sich damit neue Nutzungsprofile ab.

Die Informationsflut erträglich machen

In Facebook werden Betroffenheit artikuliert. Anders die Zeitung, sie sorgt mit ihrer objektivierenden Darstellung und den analytischen Kommentaren für ein Umfeld, in dem das Schreckliche, die offensichtlichen Dummheiten und Eitelkeiten erträglicher eingebettet werden. Die redaktionelle Kompetenz kann leicht verdeutlicht werden, indem die Leser darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Beiträge nicht nach Klickzahl, sondern nach Relevanz ausgewählt werden. Dafür ist ein Umbau notwendig, der, so die eigene Erfahrung des Autors, schwieriger im Kopf zu bewerkstelligen ist als dafür die Software zu finden.

Das Neue anders präsentieren

Die gedruckte Zeitung macht alles gleich aktuell. Inzwischen haben das Internet und nicht zuletzt die Newsletter der Zeitungen die Menschen daran gewöhnt, dass es nicht so viele Neuigkeiten gibt, um 32 und auch 24 Seiten zu füllen. Deshalb findet der Leser viel Nützliches, das er auch später nachlesen will, z.B. Wanderempfehlungen, Artikel über die Geschichte der Region, das Porträt von Schulen u.a. Einrichtungen oder ein Beitrag über Zecken und was man macht, wenn man gebissen wurde. Die Zeitungen sollten  Google nicht damit finanzieren, dass die Leser über die Suchmaschine den Beitrag suchen, sondern dass sie direkt bei der Zeitung suchen und dort und nicht bei Google auf die Werbung klicken. Das erfordert nur zwei kleine Änderungen:
1. Die Beiträge, die längerfristig aktuell sind, werden wie auf einer statischen Homepage über Suchbäume zugänglich gemacht, z.B. über eine Rubrik "Schulen" oder "Wandern&Radeln", "gesund bleiben".
2. Wenn zu einem der etwa 30-60 Themenfelder, die von einer Zeitung bedient werden, ein neuer Beitrag erscheint, wird dieser auf der Eingangsseite angekündigt. Um Stadtteile und Ortschaften zu bedienen, werden diese unter den Themenfeldern eingereiht.  
Für den Leser ergeben sich zwei Vorteile: Er kann irgendwann in der Woche nachschauen, ob sich in seinem Ortsteil oder seinem Themenfeld etwas getan hat. Er muss der Nachrichtengebung nicht kurzatmig folgen und wird zugleich darauf aufmerksam gemacht, wenn in den Themenfeldern, die sein Leseverhalten bisher schon gesteuert haben, etwas Neues erschienen ist. Das verkürzt die zeitaufwändige Suche, ob z.B. etwas Neues zu Zecken, ein Bericht über das letzte Straßenfest oder den Fortgang einer Baumaßnahme erschienen ist.

Differenzierung zwischen Print und Online

Wenn die Zeitung sich ihre alte Stellung zurückholt, indem sie nicht die Leser, sondern die Werbetreibenden zumindest den Online-Auftritt finanzieren lässt, wird es organisch zu einer Differenzierung kommen. Das Aktuelle wird online abgedeckt, die Entwicklungen, die geschichtlichen Rückblicke u.a. werden als Printausgabe finanzierbar bleiben – wahrscheinlich nicht mehr täglich ausgetragen. Es wird wahrscheinlich online auch zu Links auf andere Informationsanbieter kommen. Für die  Werbekunden, die erst einmal Internessenten auf ihreHomepage bekommen, wird Print das Medium für anspruchsvolle Werbung bleiben. Die strikte Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung wird nur noch für das Aktuelle gelten. Um Werbekunden ein inhaltliches Umfeld zu bieten, werden Beiträge zu Gesundheit, Garten, Tourismus, Spezialitäten der Region notwendig und von den Lesern gleichzeitig als sinnvoll erlebt. Wenn Werbung direkt neben dem inhaltlich zugehörenden Artikel steht, werden die Links von der Anzeige zum Anbieter von den Lesern als Service registriert. Insgesamt wird der größere Teil der Einnahmen durch Links generiert, die zu einem günstigen Monatspreis angeboten werden sollten. Wie früher bei den Rubrikanzeigen kommt es darauf an, dass die Leser jedes Geschäft, jede Werkstatt, jeden Dienstleister finden, nicht nur wie im Branchenverzeichnis mit Adresse, sondern über die Artikel, die man anklickt und zu dem jeweiligen Geschäft, Betrieb kommt.
Solche regionalen Plattformen werden kommen, ob die Zeitungen sie aufbauen, ist noch offen. Wer dann eine solche Plattform betreibt, kommt automatisch dazu, neben die Links zu den Produkten regionale Berichterstattung sowie Beiträge zu Ernährung, Gesundheit, regionale Geschichte u.a. zu stellen.

Der Stand 2014, das waren damals die Überlegungen, die sich nicht durchgesetzt haben. Link zu YouTube: Bezahlter Journalismus im Internet


Kategorie: Medien

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