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Zerfall der Katholischen Kirche in D – und neue Synthese?

Die katholische Pfarrei zerfällt und mit ihr die von Bischöfen geleitete Kirche in Deutschland. Die Caritas wie auch die Schulen sind davon nicht betroffen. Es gibt Ursachen. Die Folgen müssten allerdings nicht so gravierend sein. Im Folgenden geht es um die Sozialstruktur. Die Fehlorientierung der theologischen Ausbildung ist Thema eines weiteren Beitrags.

Die Pfarrei mit einem Geistlichen an der Spitze hatte sich nach den napoleonischen Kriegen entwickelt. Sie war ein erfolgreiches Sozialmodell, das Kulturkampf, Nazi- und kommunistischer Diktatur standhielt. Bei ihren Kritikern. so dem obersten katholischen Laiengremium, gilt sie als priesterzentriert und autoritär, Sie war aber lange nicht wie die Pfarrei heute vom Pfarrer als dem Geschäftsführer, der für alles verantwortlich ist, abhängig. Denn ein großer Anteil ihrer Mitglieder hatte jeweils andere Vorsitzende. Sie waren nämlich auch Mitglied eines Verbandes innerhalb der Pfarrei, so der KJG, der Katholischen Jungen Gemeinde, der Katholischen Frauengemeinschaft, von Kolping u.a. In diesen Gruppen erlebten die Katholiken Zugehörigkeit und fühlten sich mit der jeweiligen Gruppe in anderen Pfarreien verbunden. Es waren nicht die Pfarreien vernetzt, sondern die Gruppen. Diese Sozialstruktur ist zerfallen und hat damit die Pfarrei zu einem Unternehmen gemacht, das der Pfarrer mit seinem Team von Hauptamtlichen am Laufen hält. Ohne sich zugehörig zu fühlen, funktioniert christliche Gemeinde jedoch nicht. Das Digitale kompensiert den Verlust nicht.

Unverbindlich auf einem großen Dampfer

Ich mache mir das am Beispiel von Schiffen klar, die die Katholiken auf dem Fluss des Lebens transportieren. Heute gibt es nur noch den großen Dampfer derjenigen, die bei der Sonntagsmesse zusammenkommen. Auf diesen Dampfer sind wir Pfadfinder früher auch zugestiegen, hatten jedoch für die Woche ein eigenes Boot. Wir hatten dafür eigene Seekarten, die uns nicht von der Pfarrei vorgegeben wurden. Wie wir dann gesegelt sind, wurde uns auch nicht von der höheren Ebene des Verbandes vorgegeben, sondern von uns selbst bestimmt. Die Anregungen kamen nur selten von den örtlichen Priestern, sondern aus dem Verband, konkret aus der Mitgliederzeitschrift und den überregionalen Treffen. Ob es ein Zeltlager gab, hing ganz von uns ab. Die Priester, neben dem Pfarrer noch Kapläne, waren mit Gottesdiensten, Beerdigungen, Krankenbesuchen und mit der Vorbereitung der Kinder auf die Erstkommunion voll ausgelastet.

Zugehörigkeit wird kaum noch erlebt

Von diesen selbst gesteuerten Booten fahren nur noch wenige. Damit haben die meisten Katholiken keinen festen Kreis, wo sie nicht einfach herausgeekelt werden können, in welchem sie die anderen kennen und mit diesen gemeinsam etwas unternehmen und auf die Beine stellen. Sie kommen auch überregional nicht mehr mit anderen zusammen und werden auch nicht mehr mit Themen konfrontiert, die der Verband auf die Tagesordnung der örtlichen Gruppen setzen konnte. Die bestimmende Macht des Pfarrers ist deshalb entstanden, weil von ihm zu viel abhängt. Die deutliche Arbeitsteilung zwischen Pfarrer und den Gruppen ist verschwunden. Waren früher die Priester für das "Heilige", das Sakramentale zuständig und die Gruppen für die „weltliche Seite“ der Pfarrei, braucht es heute für alles und jedes Hauptamtliche.  
Heute, auf dem großen Dampfer, treffe ich auch Leute, aber nicht verlässlich. Ich bin auch nicht notwendig, damit er fährt. Diese großen Dampfer funktionieren wie Kreuzfahrschiffe, denn wegen des Priestermangels gibt es jetzt Großpfarreien, die Zugehörigkeit nur noch auf organisatorischer Ebene vermitteln können. Während die örtliche Gruppe, also das kleine oder mittelgroße Schiff, von den Mitfahrenden selbst gesteuert und mit Ruder oder Segel bewegt werden konnte, braucht der Dampfer Fachkräfte, sie werden Hauptamtliche genannt. Der Pfarrer muss am Steuerruder stehen, das sind die vielen Sitzungen und Koordinierungsaufgaben. Die Katholiken kommen sporadisch vorbei, fahren mal mit, genießen das Programm, das die Hauptamtlichen entwickelt haben und gehen dann wieder von Bord. Die Hauptamtlichen bleiben auf dem Schiff und erleben sich die meiste Zeit wie in einem zu groß dimensionierten Haus.

Es gibt kein Zurück zur früheren Sozialstruktur

Die Pfarrei, die sich als religiöser Lebensraum im 19. Jahrhundert herausgebildet hatte, war eng mit der Gesellschaftsstruktur verbunden. Diese beruhte nicht zuletzt auf Abgrenzung, nicht nur von Katholiken und Evangelischen, sondern auch zur Arbeiterbewegung wie zu den Intellektuellen. Dieses Prinzip der Abgrenzung wurde mit dem Konzil vor 65 Jahren aufgegeben, ohne dass die Sozialstruktur "Pfarrei" entsprechend radikal umgebaut wurde. Die Eucharistiefeier, die nicht mehr in Latein zelebriert wurde, und das neue Gremium „Pfarrgemeinderat“, welches die liturgischen, katechetischen und caritativen Aufgaben mitgestalten soll, gaben der alten Pfarrei noch einmal Auftrieb. Hinzu kam das Engagement für die Dritte Welt, aus dem Partnerschaften mit Pfarreien in Lateinamerika, Afrika u.a. Asien hervorgingen. Das alles ist nicht mehr wirksam. Offensichtlich ist mehr Umbau notwendig, Wie die Kaufhäuser, die mit dem Wirtschaftsaufschwung eine erfolgreiche Zeit erlebten, verlieren die Pfarreien ihren Zuspruch.

Die gleichen Bedürfnisse neu organisieren

Dabei ändern sich nicht die tieferliegenden Bedürfnisse, weder im Religiösen noch im Konsum. Die Menschen kaufen weiterhin Kleidung, Geschirr und Bettzeug, aber nicht mehr im "Konsumtempel". So gibt es weiter rituelle Bedürfnisse, den Wunsch nach einem Weltbild, Trauer, Erntedank, die Last persönlicher Schuld. Das wird inzwischen durch Yogagruppen, Trauerbegleitung durch Therapeuten, Vorträge in Volkshochschulen uva. beantwortet. Das Zusammen von allem war für die Katholiken einmal die Pfarrei. Die Endphase des Zerfalls dieser Sozialstruktur erleben wir gerade. Gleichzeitig schaffen die Leitungskräfte der deutschen Kirche die Werkstätten, also die theologischen Fakultäten ab, in denen die für eine neue Sozialstruktur notwendige Gesamtkonzeption entwickelt werden könnte. So wie die Autoindustrie ohne Konstruktionsbüros nicht das Auto für die Zeit nach den fossilen Brennstoffen bekommen wird, so die Bischöfe nicht ohne die theologischen Fakultäten eine tragfähige neue Kirchenstruktur. Arbeiten diese Einrichtungen vielleicht schon an einem, dem nicht-fossilien Antriebsaggregaten vergleichbaren Konzept? Dieses sollte Ritus, ein für das 21. Jahrhundert zutreffendes Weltbild, die Integration einer nur durch Migration zukunftsfähigen Wirtschaft und Kirche, eine von Künstlicher Intelligenz bestimmte Kultur, ein neues Verhältnis zu Pflanzen und Tieren und nicht zuletzt eine persönliche spirituelle Praxis einer lebbaren Synthese führen. Die Überlegungen sind offen für weitere Beiträge. Wer seine Sicht beitragen kann, erhält alle Unterstützung durch die Redaktion.

Eine Perspektive, die der Theologie neuen Auftrieb geben wird, ist die Herausforderung der Postmoderne, eine persönliche Weltsicht zu entwickeln. Auf dem großen Dampfer eine Einheits-Weltsicht „katholisch“ will niemand mehr mitfahren. An die vielen mittelgroßen Boote, auf der die Katholiken früher gesegelt sind, erinnert der Beitrag: Jeder braucht seine, jede braucht ihre theologie


Kategorie: Kirche

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