Pfingsten, Österreich, 1995. Das Land ist durch eine schwere Kirchenkrise gebeutelt. Der Wiener Kardinal, Alterzbischof und Konzilsvater Franz König, eine der größten, wenn nicht die moralische Autorität des Landes, feiert mit Jugendlichen einen Gottesdienst in Weiz. Nicht in Wien, sondern in der Steiermark. In einem Steinbruch. Unter freiem Himmel, mitten in Gottes Schöpfung. Ein symbolischer Ort für einen spirituellen Aufbruch. Kirche, sie entsteht im Umbruch. Hier geschieht das im wahrsten Sinne des Wortes.
„Ich erwarte mir von Euch ein Neues Pfingsten!“, das war der zentrale Satz seiner Predigt. Das brachte den Stein ins Rollen. Und er war der Erstunterzeichner der zehn Punkte der Weizer Pfingstvision: „1. Wir wollen aus einer lebendigen Beziehung zu Gott unser Leben und Zusammenleben gestalten. 2. Als Kirche leben wir mit und für Benachteiligte, Randgruppen, Minderheiten, im Leben zu kurz Gekommene. 3. Das Unrecht gegenüber der sogenannten dritten Welt ist uns ein Stachel im Fleisch. 4. Die Bewahrung der Schöpfung ist uns ein brennendes Anliegen. 5. In der Gemeinschaft des Volkes Gottes haben alle die gleiche Würde. 6. Offenheit und Dialogbereitschaft sind Wesensmerkmale unserer Kirche. 7. Wir wollen am Leben unserer Kirche teilnehmen und sie mittragen. 8. Unsere kirchlichen Gemeinschaften sind offen für alle Lebensformen. 9. Wir wollen eine neue Streit- und Konfliktkultur entwickeln. 10. Das kirchliche Amt ist für uns ein unersetzlicher Dienst an der Gemeinschaft.“
Kirchenskandale und Austritte hat es inzwischen an vielen Orten gegeben. Doch was ist aus diesem Aufbruch geworden, dessen erstes Treffen im legendären Jahr 1989 zu Pfingsten stattgefunden hat? Die Kirche beschäftigt sich in Weiz nicht mehr nur mit sich selbst. Es ist eine „Solidar-Region“, ein umfassendes Netzwerk entstanden. Aus der Pfingstvision ist auch eine internationale ökumenische und interreligiöse spirituelle Bewegung für einen globalen Wandel, der „Way of Hope“, entstanden. Doch das Weizer Pfingstereignis gibt es immer noch. Ist inzwischen in die Realität umgesetzt worden, was sich die Unterzeichner damals vorgenommen hatten?
Vor drei Jahren jährte sich zum fünfzigsten Mal das Ende des zweite vatikanischen Konzils. Papst Franziskus sagte zu diesem Jubiläum: „In der Kontinuität und im Wachstum der Kirche, ist da das Konzil zu spüren gewesen? Nein, im Gegenteil: Wir feiern dieses Jubiläum und es scheint, dass wir dem Konzil ein Denkmal bauen, aber eines, das nicht unbequem ist, das uns nicht stört. (...) Um es klar zu sagen: Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung. Er bewegt uns, er lässt uns unterwegs sein, er bedrängt die Kirche, weiterzugehen. Wir wollen, dass der Heilige Geist sich beruhigt, wir wollen ihn zähmen. Aber das geht nicht.“
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!